Con­cours Euro­vi­si­on 1967: My Life on the D‑List

Wie bereits des Öfte­ren in der Ver­gan­gen­heit prä­sen­tier­te sich auch die­ser schwei­ze­ri­sche Vor­ent­scheid als eine Art von Ver­trie­ben­en­tref­fen für Stars von der D‑Liste. Lau­ter Schla­ger­sän­ge­rin­nen gaben sich hier die Klin­ke in die Hand, deren Namen Glanz in die Augen von dezi­dier­ten Jägern und Samm­lern rarer Vinyl-Schätz­chen zau­bern, gera­de weil sich selbst ihre weni­gen Erfolgs­ti­tel auf kei­nem Sam­pler wie­der­fin­den und erst recht nicht auf irgend­wel­chen Schla­ger­par­tys gespielt wer­den. Bri­git­te Petry ist so ein Bei­spiel: gebo­ren in Ber­lin, Haupt­stadt der DDR, ver­öf­fent­lich­te sie ihrem Wiki­pe­dia-Ein­trag zufol­ge 1961 eine ein­zi­ge Sin­gle auf dem Ami­ga-Label, bevor sie ihr Wir­ken ins befreun­de­te sozia­lis­ti­sche Aus­land ver­leg­te, wo sie vor allem Neu­auf­nah­men ame­ri­ka­ni­scher Soul- und Blues-Hits ein­spiel­te. 1965 reih­te sie sich in den Strom der Rüber­ma­che­rin­nen in den Wes­ten ein, wo ihr trotz einer Teil­nah­me an den Deut­schen Schla­ger­fest­spie­len von 1966 mit dem jaz­zig-melan­cho­li­schen ‘So alt wie die Welt’ sowie eini­gen wei­te­ren TV- und Schla­ger­film-Auf­trit­ten nie so recht der gro­ße Durch­bruch gelin­gen soll­te. Durch einen simp­len, nie mehr kor­ri­gier­ten Schreib­feh­ler ver­stüm­mel­te ihr West-Plat­ten­la­bel Poly­dor ihren Namen zu Bri­gitt Petry. Tra­gi­scher­wei­se starb Brigitt(e) bereits 1971 im Alter von nur 28 Jah­ren bei einem Ver­kehrs­un­fall – wie schon bei ihrer Kol­le­gin Alex­an­dra ran­ken sich auch um ihren Tod seit­her Gerüch­te. Soll­te etwa der lan­ge Arm der Sta­si das Fahr­zeug mani­pu­liert haben? Ach, ich sehe die spe­ku­la­ti­ve Doku schon vor mei­nem geis­ti­gen Auge!

Noch nicht ganz so alt wie die Welt: die Petry (Reper­toire­bei­spiel).

Petry traf im schwei­ze­ri­schen Luga­no auf eine Kon­kur­ren­tin von den Deut­schen Schla­ger­fest­spie­len 1966: näm­lich auf Eli­sa Gab­bai. Die gebür­ti­ge Israe­lin, die zu Hau­se bereits ein Album mit hebräi­schen Volks­lie­dern ver­öf­fent­licht hat­te, konn­te im Gegen­satz zu Brigitt(e) sogar drei im Jah­re 1966 rasch auf­ein­an­der­fol­gen­de Top-40-Hits in den deut­schen Ver­kaufs­charts vor­wei­sen, zuletzt ihr zweit­plat­zier­ter Schla­ger­fest­spiel-Titel ‘Nur wenn Du bei mir bist’, von der apart anzu­schau­en­den Sän­ge­rin mit wun­der­bar dezen­tem Akzent und fein­her­bem Tim­bre inter­pre­tiert. ‘Win­ter in Cana­da’, ihr größ­ter Hit (Platz 13 DE), erfuhr rund ein Dez­en­ni­um spä­ter erneu­te Wür­di­gung durch meh­re­re Neu­auf­nah­men bekann­te­rer Schla­ger­stars wie Mireil­le Mathieu, Git­te Hæn­ning und Ingrid Peters. ‘Abend­wind’, ihr hel­ve­ti­scher Vor­ent­schei­dungs­bei­trag, fin­det sich jedoch auf kei­ner Ver­öf­fent­li­chungs­lis­te (und, wie lei­der alle Lie­der die­ses Jahr­gangs bis auf den Sie­ger­song, nicht auf You­tube). Doch zu die­sem Zeit­punkt war es mit ihrer Schla­ger­kar­rie­re auch schon wie­der vor­bei: trotz wei­te­rer Alben- und Sin­gle-Ver­öf­fent­li­chun­gen und eines Auf­trit­tes in der ZDF-Hit­pa­ra­de im Jah­re 1973 mit der Ein­deut­schung eines US-Soul-Hits konn­te sie kei­ne Ver­kaufs­er­fol­ge mehr ver­bu­chen. Eli­sa Gab­bai starb 2010 in Los Angeles.

Deut­sche kön­nen ein­fach nicht klat­schen: die bedau­erns­wer­te, auch noch falsch geschrie­be­ne Eli­sa Gab­bai im aus­sichts­lo­sen Kampf gegen das stump­fe ZDF-Publi­kum (Reper­toire­bei­spiel).

Auch die Ita­lie­ne­rin Mile­na Man­ni gehör­te zum Kreis der­je­ni­gen, die es trotz etli­cher TV-Auf­trit­te nie so rich­tig schaf­fen soll­ten. Ihre ers­te Sin­gle ver­öf­fent­lich­te sie 1964, doch wie sämt­li­che Nach­fol­ge­ti­tel ver­fehl­te die­se die Charts. Ihren eid­ge­nös­si­schen Vor­ent­schei­dungs­bei­trag ‘Farò come vuoi’ durf­te sie anschlie­ßend in einer ita­lie­ni­schen TV-Show noch­mals prä­sen­tie­ren, was sich für Mile­na aber den­noch nicht in klin­gen­der Mün­ze aus­zahl­te. 1971 erscheint ihr letz­ter Flop ‘Pom pom pom’. In die Pha­lanx der nie so wirk­lich kom­mer­zi­ell Erfolg­rei­chen reih­te sich schließ­lich auch die mehr­fa­che schwei­ze­ri­sche Vor­ent­schei­dungs­teil­neh­me­rin und ‑Ver­tre­te­rin Ani­ta Tra­ver­si ein. Als eine der Vor­rei­te­rin­nen einer Zei­ten­wen­de im Schla­ger­ge­schäft ent­pupp­te sich aller­dings die Sie­ge­rin die­ses Wett­be­werbs, die in Bern gebo­re­ne Géral­di­ne Gau­lier. Denn schien es ins­be­son­de­re in den Nach­kriegs­jah­ren, als Geld und Mate­ri­al noch knapp bemes­sen waren, essen­ti­ell, dass eine Schla­ger­sän­ge­rin an aller­ers­ter Posi­ti­on über eine gute Stim­me ver­fügt, so scho­ben sich nun, da den Ton­stu­di­os aus­ge­feil­te Auf­nah­me- und Nach­be­ar­bei­tungs­tech­ni­ken zur Ver­fü­gung stan­den und sich die Pro­mo­ti­ons­ar­beit immer mehr vom Radio ins Fern­se­hen ver­schob, zuneh­mend die visu­el­len Qua­li­tä­ten der Interpret:innen in den Vordergrund.

Mei­ner Ver­mu­tung nach auf­ge­zeich­net im Frank­fur­ter Pal­men­gar­ten: der Video­clip zu Géral­di­nes ESC-Beitrag.

Und über gutes Aus­se­hen ver­füg­te die Gau­lier zwei­fel­los. Ihre evi­den­ten stimm­li­chen Schwä­chen deck­te man auf der Stu­dio­auf­nah­me ihres Wett­be­werbs­bei­trags ‘Quel Cœur vas-tu bri­ser’ durch mas­si­ve Hall­ef­fek­te und den aus­ge­spro­chen frei­zü­gi­gen Ein­satz des Hin­ter­grund­cho­res gnä­dig zu, der die pro­mi­nen­te­ren Pas­sa­gen ihres Lie­des, vor allem jedoch den extra für die Jurys ein­ge­bau­ten, lan­gen hohen Schluss­ton ihrer klas­sisch gestrick­ten Grand-Prix-Bal­la­de prak­tisch im Allein­gang stemm­te. Beim Live-Auf­tritt in Wien soll­te die­ser Zau­ber­trick über­ra­schen­der­wei­se nicht gelin­gen: so ohren­be­täu­bend und plom­ben­zie­hend schief jaul­te die jun­ge Géral­di­ne dort, dass auch der Mini­rock sie nicht vor der ver­dien­ten Zero-Points-Dusche zu ret­ten ver­moch­te. Dem Web-Archiv ESC Histo­ry zufol­ge stand die Schwei­ze­rin mit exakt die­sem Titel übri­gens bereits im Jah­re 1966 auf der 46 Lie­der umfas­sen­den Aus­wahl­lis­te des fran­zö­si­schen Fern­se­hens für den Euro­vi­si­on Song Con­test in Luxem­burg, kam dort aber nicht zum Zuge. Dass sie nun ein gan­zes Jahr spä­ter mit dem­sel­ben Song für die Schweiz an den Start ging, stell­te den­noch kei­nen Regel­ver­stoß dar, denn ihre Plat­ten­fir­ma ver­öf­fent­lich­te die Sin­gle erst nach ihrer Teil­nah­me am Con­test in Wien. Für Géral­di­ne folg­te noch eine kur­ze Rei­he von vokal wenig for­dern­den Yéyé-Schla­ger­chen in fran­zö­si­scher Spra­che, die unter Con­nais­seu­ren tra­gi­schen Pop-Trashs heu­te einen gewis­sen Stel­len­wert genie­ßen, das plat­ten­kau­fen­de Publi­kum aber zu Recht kalt ließen.

Der psy­che­de­li­sche “Dabadaba”-Hintergrundchor ist superb, Gau­liers ans Krei­schi­ge gren­zen­de Gehau­che weni­ger (Reper­toire­bei­spiel).

Vor­ent­scheid CH 1967

Con­cours Euro­vi­si­on. Sams­tag, 21. Janu­ar 1967, aus dem Stadt­hof in Zürich. Sechs Teilnehmer:innen
#Inter­pre­tinSong­ti­telErgeb­nis
01Eve­li­ne AndenToi
02Bri­gitt PetryKarus­sell – Karussell
03Mile­na ManniFarò come vuoi
04Géral­di­ne GaulierQuel Cœur vas-tu briser?01
05Eli­sa GabbaiAbend­wind
06Ani­ta TraversiNon pen­siam­o­ci più

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 27.02.2021

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