Handelt man als Sender klug, die Entscheidung über den nationalen Eurovisionsbeitrag in die Hände des Publikums zu legen, oder riskiert man mit dieser demokratischen Vorgehensweise nur, dass das unmündige Volk den bekanntesten Namen oder die aktuellste Pop-Mode wählt? Das finnische Fernsehen YLE optierte angesichts dieses Dilemmas 1968 für einen Mittelweg: zwar gab man erstmalig die Abstimmung per Postkartenvoting für die Zuschauer:innen frei. Gleichzeitig reduzierte der Sender jedoch das Starterfeld von zehn auf sechs Plätze und achtete bei der Auswahl der Songs strikt darauf, nichts zu nehmen, das dem Massengeschmack zu sehr entsprochen hätte. Dementsprechend klangen die Lieder (jedenfalls die vier Bestplatzierten, die sich heute noch im Netz finden lassen) denn auch zeitlos irrelevant. So lässt sich als das einzig Interessante an Irina Milans schwelgerischer Ballade ‘Pois kuihtuu Ruusu kaunein’ (‘Die schönsten Rosen verblühen’) vermerken, dass sie aus der Feder ihres direkten Konkurrenten Aarno Rahinen stammte. Dessen eigener Beitrag ‘On Hetki’ (‘Ein Moment’) war zwar ein gutes Stück lahmer, überflügelte Irina in der Punkteauszählung dennoch. Rahinen trat vor allem als Komponist in Erscheinung, der sowohl Film- und Serienmusik schrieb als auch Titel für etliche Sänger:innen, darunter den absolut legendären finnischen Eurovisionsbeitrag von 1977, ‘Lapponia’ von Monica Aspelund.
Wenn die Glockenblumen blühn / sollst du dich herniederknien: Johnny.
Den zweiten Platz belegte der damals 23jährige Teenagerschwarm Eljon Liebkind alias Johnny mit der schrecklichen Sülzballade ‘Kissankellojen aikaan’ (‘Wenn die Glockenblumen blühen’). Der ansonsten fast ausschließlich mit finnischen Coverversionen internationaler Hits erfolgreiche Schönling studierte parallel zu seinen Touren Wirtschaftswissenschaften und wechselte ab den Siebzigern ins Investmentbanking. Wenig überraschend für diesen Berufszweig war er in den Neunzigern in einen millionenschweren Finanzbetrug verwickelt, in dessen Folge der Israeli mit internationalem Haftbefehl gesucht und an Finnland ausgeliefert wurde. Eine, die Johnny auf seinen Touren begleitete, war die junge Finnschwedin Kristina Hautala, die ebenfalls mit Covern große Hits erzielte. Ihr ‘Kun Kello käy’ (‘Wie die Uhren ticken’) siegte als das einzige moderat uptemporäre Angebot in diesem Block natürlich haushoch, konnte beim Wettbewerb in London gegen die internationale Konkurrenz aber keinen Blumentopf gewinnen und wurde mit nur einem Mitleidszähler geteilter Letzter. In den finnischen Charts reichte es für einen zwölften Platz. Nach zwei weiteren Singles mit Grand-Prix-Coverversionen stieg Hautala aus dem Pop-Business aus, studierte ebenfalls und arbeitete anschließend als Psychologin. Gegen sie sind keine Verfahren anhängig.
Frühlingsfrisch und herzallerliebst: Kristina Hautala im lindgrünen Mini.
Vorentscheid FI 1968
Suomen Euroviisukarsinta. Samstag, 10. Februar 1968, aus den YLE-Fernsehstudios in Helsinki. Sechs Teilnehmer:innen. Moderation: Liisa Horelli.# | Interpret:in | Songtitel | Postkarten | Platz |
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01 | Inga Sulin | Niin kuin jokainen | n.b. | 05 |
02 | Aarno Raninen | On Hetki | 60.279 | 03 |
03 | Anki Lindqvist | Sanoja kuulemaan jään | n.b. | 06 |
04 | Kristiina Hautala | Kun kello käy | 159.667 | 01 |
05 | Johnny | Kissankellojen aikaan | 113.067 | 02 |
06 | Irina Milan | Pois kuihtuu Ruusu kaunein | 51.597 | 04 |
Letzte Aktualisierung: 27.02.2021
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