Sechs der damals acht Teilregionen Jugoslawiens nahmen 1968 teil an der im nordmazedonischen Skopje abgehaltenen Jugovizija, dem nationalen Eurovisionsvorentscheid. Jede der beteiligten TV-Stationen schickte nicht nur zwischen einem und drei Lieder, sondern auch jeweils eine:n eigene:n Profivoter:in für die daneben mit drei “Nicht-Professionellen” aufstockte Jury. Sowie jeweils eine eigene Ansagerin. Auf diese Weise kam hier die legendäre, 2012 an Krebs verstorbene Kroatin Helga Vlahović zu ihrem ersten Jugovizija-Einsatz. Die Gastgeberin des Eurovision Song Contest 1990 in Zagreb ist Grand-Prix-Fans vor allem in ihrer Rolle als Punktesprecherin erinnerlich, speziell bei ihrem Einsatz 1981, als sie, gefragt nach dem Ergebnis der jugoslawischen Jury, einräumen musste: “I don’t have it”! Vlahović moderierte in Verlaufe ihrer Jahrzehnte umspannenden Karriere unter anderem internationale Songfestivals, Service-Sendungen, Informationsprogramme, Gameshows sowie die Kriegsberichterstattung des kroatischen Senders HRT ab 1991. In den Achtzigern war sie Gastgeberin von gemeinsam mit der ARD und dem ORF produzierten Sendereihen für jugoslawische “Gastarbeiter:innen” in den germanischen Ländern.
Die Playlist der Jugovizija 1968 mit vier der 15 Vorentscheidungstiteln.
Als einzige Teilnehmerin mit Eurovisionserfahrung (1962) landete Lola Novaković (mittlerweile verheiratet als Lola Jovanović) mit einer von etlichen Tempiwechseln geprägten und entsprechend ungustiösen Ballade über einen ‘Dichter des Friedens’ im Mittelfeld. Gleich vier der insgesamt 14 angetretenen Sänger:innen mussten sich punktelos den letzten Platz teilen, und bis auf die drei Spitzenpositionen blieben alle übrigen Konkurrent:innen im einstelligen Bereich. Ein zweistelliges Ergebnis konnte erst der bosnische Liedermacher Kemal Monteno erringen, der als Einziger mit gleich zwei Liedern vertreten war, von denen die tieftraurig-tränenziehende Ballade ‘Mama, kad se vratim kući’ (‘Mama, wenn ich nach Hause komme’) mit zehn Punkten auf dem Bronzetreppchen landete. Kemals Repertoire umfasste etliche Songs, mit denen andere Interpreten größere Hits landen konnten als er selbst. Am bekanntesten wurde er mit einem Liebeslied an seine Heimatstadt Sarajewo, wo der an Diabetes erkrankte Sänger 2015 in Folge einer Organtransplantation starb.
Schöne Stadt, schönes Lied (bis auf den billigen Schlagerschunkelbeat): Kemal mit der Ode an Sarajewo (Repertoirebeispiel).
Die Silbermedaille ging an die slowenische Sängerin Elda Viler, die jedoch nur ein Drittel soviel Stimmen bekam wie die eindeutigen Sieger dieses Vorentscheids, das kroatische Quintett Dubrovački Trubaduri. Die Troubadoure aus Dubrovnik, im Jahre 1961 vom Komponisten und Mandolinenspieler Đelo Jusić ins Leben gerufen, mischten mittelalterliche heimatliche Folktraditionen mit zeitgemäßem Schlagerpop und waren damit auf dem Balkan sehr erfolgreich. Beim Eurovision Song Contest in London mussten sie unter dem Namen ihrer beiden Leadsänger Lući Capurso und Hamo Hajdarhodžić antreten und die restlichen drei Troubadoure als namenlosen Begleitchor auf die Seitenbühne verbannen, weil die EBU offiziell erst 1971 Gruppen zum Wettbewerb zuließ. Von den ignoranten Jurys wurden sie mit einem Mittelfeldergebnis abgespeist, was um so unverschämter erscheint, da es mit ihrer possierlichen Nummer anschließend als erster (und bis 1983 einziger) jugoslawischer Eurovisionsact schafften, auch diesseits des Eisernen Vorhangs Platten zu verkaufen. Dass sich auffällige Kostümierungen und eingängige Ohrwurm-Refrains lohnen können, sollte beim Grand Prix Schule machen: 1974 folgte eine schwedische Band diesem Vorbild. Der Rest ist Geschichte.
Minnesänger, Mädchenfänger: die Troubadoure aus Dubrovnik in einem TV-Special. Kosmischen Ausgleich erfuhren sie 2021 im Rahmen der Youtube-Reihe ‘Eurovision Again’, wo die abstimmenden Fans sie auf den hochverdienten zweiten Platz wählten.
Vorentscheid YU 1968
Jugovizija. Sonntag, 25. Februar 1968, aus den TV Studios in Skopje (heutiges Nordmazedonien). 14 Teilnehmer:innen. Moderation: Vesna Nestorović, Kristina Remskar, Dubravka Cecez, Snežana Lipkovska, Rosanda Kovijanić und Helga Vlahović. Neunköpfige Jury.# | Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
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01 | Đorđe Marjanović | Ne verujem ti više | 03 | 06 |
02 | Radmila Mikić | Važi | 01 | 10 |
03 | Lola Novaković | Pesnik Mira | 03 | 06 |
04 | Dubrovački Trubaduri | Jedan Dan | 36 | 01 |
05 | Zvonko Špišić | Ne pričaj o Ljubavi | 00 | 12 |
06 | Hrvoje Hegedušić | Bilo je i bit će | 02 | 09 |
07 | Žarko Dančuo | Balada o Povratku | 00 | 12 |
08 | Elda Viler | Če bi Teden stel osem Dni | 12 | 02 |
09 | Tatjana Gros | Luči v Oknih so se utrnile | 00 | 12 |
10 | Kemal Monteno | Kad se vratim kući | 10 | 03 |
11 | Kemal Monteno | Negdje | 05 | 04 |
12 | Vlado Mračević | Odnesi kišni Dan | 00 | 12 |
13 | Dime Popovski | Znam Dan | 01 | 10 |
14 | Nina Spirova | Elegija | 05 | 04 |
15 | Zoran Milosavljević | I utre ke bide den | 03 | 06 |