Die nicht nur beim deutschen Eurovisionsvorentscheid dieses Jahres zu verspürende Aufbruchsstimmung zu Beginn der neuen Dekade schlug sich auch bei der Jugovizija 1970 nieder, deren Teilnehmer:innenfeld größtenteils aus verhältnismäßig neuen Künstler:innen bestand und wo die bislang dort dominanten, etablierten Namen aus den Sechzigern fast vollständig fehlten. 15 Acts liefen in der Hauptstadt Belgrad auf, drei aus jedem der partizipierenden fünf Teilnationen Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Nordmazedonien, Serbien und Slowenien. Fast die Hälfte von ihnen ging komplett punktefrei aus, darunter Boba Stefanović, ehemaliger Frontmann der Rockgruppe Zlatni Dečaci (Goldene Jungs), die mit Coverversionen von internationalen Hits und zeitgemäß aufpolierten Instrumentalfassungen von klassischen Titeln wie dem ‘Schwanensee’ für Aufmerksamkeit über die Landesgrenzen hinaus gesorgt hatten und als erste jugoslawische Band eine Single außerhalb des Heimatmarktes veröffentlichten, nämlich in den Niederlanden. Trotz seines schlechten Abschneidens bei der Jugovizija sollte der 2015 verstorbene Boba in den Siebzigern auch solo große Erfolge feiern.
Die Playlist mit den vier verfügbaren Titeln der Jugovizija 1970.
Der Kroate Mišo Kovač war Wikipedia zufolge 1969 der erfolgreichste Umsatzträger des heimischen Plattenlabels Jugoton und verkaufte im Laufe seiner Dekaden umspannenden Karriere rund 20 Millionen Tonträger. Sein Landsmann Krunoslav Slabinac trat bei der Jugovizija erstaunlicherweise für den mazedonischen Landessender TV Skopje an. Seine schaumgebremst-schmachtende Bitte an die spätere deutsche Kanzlerin, ‘Angela, čekaj me’ (‘Angela, wart auf mich’) machte den fünften Platz. Ihn sollten wir erst im Jahr darauf beim ESC sehen. Noch etwas länger dauerte es für die auf mehrstimmigen Gesang spezialisierte Band Bele Vrane (Weiße Krähen), aus welcher nach ihrer Trennung im Jahre 1973 unter anderem die Formation Pepel i Kri hervorging, die das Land 1975 in Stockholm vertrat. Eine nur kurze Karriere war hingegen der Siegerin dieser Jugovizija, der Slowenin Eva Sršen, beschert. Deren musikalisch harmlos-niedlicher Plinki-Plonki-Schlager ‘Pridi, dala ti bom Cvet’ (‘Komm, ich gebe dir die Blume’), lyrisch natürlich nichts anderes als ein wolkig umhülltes Deflorationsersuchen (“Ich öffne dir all meine Blüten”), verkaufte sich zu Hause trotz des vorletzten Platzes beim europäischen Wettsingen in Amsterdam ziemlich gut. 1974 versuchte sie es nochmals beim heimischen Vorentscheid, allerdings vergeblich. Danach hörte man nicht mehr viel von ihr.
Auf was hat sich die slowenischen Goldblume Eva da nur eingelassen? Der Gedanke, bald gepflückt zu werden, ruft bei ihr anscheinend eher Panik hervor.
Vorentscheid YU 1970
Jugovizija. Samstag, 14. Februar 1970, aus den RTV-Studios in Belgrad (heutiges Serbien). 15 Teilnehmer:innen. Moderation: Mica Orlovic. Neunköpfige Jury.# | Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
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01 | Boba Stefanović | Nada i Bol | 00 | 10 |
02 | Bisera Veletanlić | Ti nisi kao ja | 01 | 09 |
03 | Radojka Šverko | Ti si ukleta Lada | 08 | 04 |
04 | Bele Vrane | Hvala ti | 10 | 03 |
05 | Eva Sršen | Pridi, dala ti bom Cvet | 26 | 01 |
06 | Marjana Deržaj | Sreca je spati na svojem | 00 | 10 |
07 | Nedžad Salković | Cuj me | 03 | 06 |
08 | Mišo Kovač | Idi, samo idi | 03 | 06 |
09 | Hamdija Čustović | Pomirenje | 00 | 10 |
10 | Krunoslav Slabinac | Andela, cekaj me | 05 | 05 |
11 | Zoran Milosavljevic | Te baram sega, Ljubena | 00 | 10 |
12 | Zafir Hadžimanov | Ti ti ti | 00 | 10 |
13 | Ljupka Dimitrovska | Bay, bay | 03 | 06 |
14 | Josipa Lisac | Jos te cekam | 22 | 02 |
15 | Inge Romac | Ljubav je lipa Stvar | 00 | 10 |
Zuletzt aktualisiert: 14.07.2021