Mal­ta Song Fes­ti­val 1971: Pro­mi­se me Delight

Gut eine hal­be Mil­li­on Men­schen, und damit ein Drit­tel weni­ger als in mei­ner Hei­mat­stadt Frank­furt am Main, bevöl­kern das aus zwei unter­schied­lich gro­ßen Inseln bestehen­de Mit­tel­meer-Archi­pel Mal­ta, bis ins Jahr 1964 noch eine bri­ti­sche Kron­ko­lo­nie und seit 2004 Voll­mit­glied der Euro­päi­schen Uni­on. Inter­es­se am Euro­vi­si­on Song Con­test heg­te man in dem wei­test­ge­hend vom Tou­ris­mus leben­den Qua­si-Stadt­staat jedoch bereits seit dem Jah­re 1960, als die dor­ti­ge Zweig­stel­le der inter­na­tio­nal agie­ren­den Christ­li­chen Arbei­ter­ju­gend – in den Sieb­zi­gern pop­kul­tu­rell immor­ta­li­siert durch die Vil­la­ge-Peo­p­le-Hym­ne YMCA – erst­ma­lig das am Vor­bild des San-Remo-Fes­ti­vals und des Grand Prix ori­en­tier­te Mal­ta Song Fes­ti­val ver­an­stal­te­te. Mit dem öffent­lich erklär­ten Ziel, des­sen Sie­ger Joe Grech mit sei­nem selbst­ge­schrie­be­nen, ita­lie­nisch­spra­chi­gen Can­zo­ne ‘Vola Uccel­li­no’ zum inter­na­tio­na­len Wett­be­werb zu ent­sen­den. Die­ser Wunsch erfüll­te sich sei­ner­zeit aller­dings nicht. Nur elf Jah­re spä­ter hat­te man dann auch das zwi­schen­zeit­lich der EBU bei­getre­te­ne mal­te­si­sche Fern­se­hen soweit: es nutz­te das bereits im Herbst 1970 im Hil­ton-Hotel abge­hal­te­ne und mit zwölf Wett­be­werbs­bei­trä­gen aus­ge­stat­te­te Fes­ti­val der Arbei­ter­ju­gend als Semi­fi­na­le für sein eige­nes, live über­tra­ge­nes TV-Fina­le im Janu­ar 1971, bei dem die sechs Best­plat­zier­ten noch­mals gegen­ein­an­der antraten.

Bizar­rer Schla­ger­trash: Publi­kums­sie­ger Enzo Gus­man (Audio).

Bereits bei die­ser Pre­miè­re der mal­te­si­schen Vor­ent­schei­dung über­stimm­ten die Jurys das hei­mi­sche Publi­kum: eine Tra­di­ti­on, die sich auf der Insel bis heu­te gehal­ten hat. Das Tele­vo­ting gewann Wiki­pe­dia zufol­ge angeb­lich der Sin­ger-Song­wri­ter Enzo Gus­man mit dem lus­tig klin­gen­den Titel ‘Dlonk dlonk’, einem kin­der­ka­rus­sell­haft daher­kom­men­den, aus bizar­ren Ver­satz­stü­cken not­dürf­tig zusam­men­ge­lö­te­ten und an den Schweiß­näh­ten bedenk­lich quiet­schen­den Schla­ger­marsch. So behaup­te­te es der im Jah­re 2021 ver­stor­be­ne Inter­pret und Ehe­mann der sei­ner­zeit eben­falls am Wett­be­werb teil­neh­men­den Car­men Schembri (es ist halt ein klei­nes Eiland, da geht es auch im Kul­tur­be­trieb nun mal sehr fami­li­är zu) nach Recher­che des Inter­net­le­xi­kons jeden­falls 2016 in einem Radio­in­ter­view. Nach­prü­fen lässt sich das indes nicht mehr, denn die detail­lier­ten Abstim­mungs­er­geb­nis­se – so der Sen­der sie über­haupt jemals ver­öf­fent­lich­te – ver­lo­ren sich im Treib­sand des Gezei­ten­ge­trie­bes. Fest steht nur der Gesamt­sie­ger und Mal­tas ers­ter Euro­vi­si­ons­re­prä­sen­tant: eben jener ein­gangs erwähn­te Joe Grech, der nach sei­nem Auf­takt­sieg beim Mal­ta Song Fes­ti­val anno 1960 damit bereits zum vier­ten Mal bei näm­li­cher Ver­an­stal­tung abräumte.

Hat­te bei der Mor­gen­an­dacht eine Mari­en­er­schei­nung und sich sofort in die Frau ver­liebt: Joe Grech.

In der von einer abwechs­lungs­rei­chen Besatz­er­tra­di­ti­on Zeug­nis able­gen­den mal­te­si­schen Lan­des­spra­che, einem aus­ge­spro­chen merk­wür­dig klin­gen­den Mix aus zwei Tei­len melo­di­schem Ita­lie­nisch und einem Teil aggres­siv anmu­ten­dem Ara­bisch, lob­preis­te er in sei­nem erneut eigen­kom­po­nier­ten Schla­ger – dem ein­zi­gen Vor­ent­schei­dungs­bei­trag, zu dem heu­te noch im Netz Bewegt­bil­der auf­find­bar sind – die unver­gleich­li­che Schön­heit der kei­nes­falls aus purem Zufall den­sel­ben Vor­na­men wie die popu­lärs­te Frau­en­fi­gur der Bibel tra­gen­den ‘Mari­ja l‑Maltija’. Womit er sowohl sub­til sub­li­mier­te, ver­bo­te­ne Lust als auch patrio­ti­sche Gefüh­le sowie den auf Mal­ta, der Insel der 365 (!) Kir­chen, viru­len­ten Katho­li­zis­mus per­fekt mit­ein­an­der ver­schränk­te. Kein Wun­der, dass das Gan­ze musi­ka­lisch klang wie ein San-Remo-Bei­trag aus dem Jah­re 1951. Beim Euro­vi­si­on Song Con­test im nicht min­der katho­li­schen und geo­gra­fisch wie kul­tu­rell eben­falls etwas rand­stän­di­gen Irland kas­sier­te die­ser skur­ri­le Rie­men dann bei der Grand-Prix-Pre­miè­re des Lan­des nicht ganz unver­dient die Rote Laterne.

Ver­dient auf jeden Fall einen Son­der­preis für das enga­gier­tes­te Over­ac­ting und die put­zigs­te Klatsch­fal­le: Joe beim ESC in Dublin.

Vor­ent­scheid MT 1971

Mal­ta Song Fes­ti­val. Frei­tag, 29. Janu­ar 1971 aus den TVM-Stu­di­os in Valet­ta. Sechs Teilnehmer:innen, Moderation: –.
#Inter­pre­tenSong­ti­telJuryPlatz
01Joe Cuta­jarIl-Fes­ta tal-Pop­lu tad-Dinjan.b.n.b.
02Car­men SchembriEjja fil-qribn.b.n.b.
03Mary Spi­teriMin intn.b.n.b.
04Enzo Gus­manDlonk, dlonkn.b.n.b.
05Edwin GaleaIrrid nghix mieghekn.b.n.b.
06Joe GrechMari­ja L‑Maltijan.b.1

Zuletzt aktua­li­siert: 18.03.2023

Mal­ta Song Fes­ti­val 1972 >

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