Eine gute halbe Million Menschen, und damit weniger als in meiner Heimatstadt Frankfurt am Main, bevölkern das aus zwei Inseln bestehende Mittelmeer-Archipel Malta, bis 1964 noch eine britische Kronkolonie und seit 2004 Teil der Europäischen Union. Interesse am Eurovision Song Contest hegte man in dem vom Wasser umgebenen und vom Tourismus lebenden Stadtstaat jedoch bereits seit 1960, als die dortige Zweigstelle der Christlichen Arbeiterjugend das am Vorbild des San-Remo-Festivals und des Grand Prix geschulte erste Malta Song Festival organisierte, mit dem erklärten Wunsch, dessen Sieger Joe Grech mit seinem selbstgeschriebenen, italienischsprachigen Canzone ‘Vola Uccellino’ zum internationalen Wettbewerb zu entsenden. Der erfüllte sich zwar seinerzeit noch nicht, doch nur elf Jahre später war auch das maltesische Fernsehen soweit. Und so fand – nach einem bereits im Herbst 1970 im Hilton-Hotel abgehaltenen Semi mit zwölf Liedern – Ende Januar 1971 in deren Sendestudios das Finale mit sechs Beiträgen stand, von denen heute jedoch nur noch der Siegersong im Netz zu finden ist. Bereits bei der Première der maltesischen Vorentscheidung überstimmten übrigens die Jurys das heimische Publikum, eine Tradition, die sich dort bis heute gehalten hat.
Hatte bei der Morgenandacht eine Marienerscheinung und sich sofort in die Frau verliebt: Joe Grech.
Das Televoting gewann Wikipedia zufolge nämlich der Singer-Songwriter Enzo Gusman, Ehemann der ebenfalls teilnehmenden Carmen Schembri, mit dem lustig klingenden Titel ‘Dlonk dlonk’. Gesamtsieger und Maltas erstes Eurovisionsrepräsentant wurde jedoch tatsächlich Joe Grech, der damit bereits zum vierten Mal beim Malta Song Festival abräumte. In der von einer abwechslungsreichen Besatzertradition beeinflussten maltesischen Landessprache, einem interessant klingenden Mix aus zwei Teilen melodischem Italienisch und einem Teil aggressivem Arabisch, lobpreiste er in seinem erneut eigenkomponierten Schlager die unvergleichliche Schönheit der keinesfalls aus purem Zufall denselben Vornamen wie die populärste Frauenfigur der Bibel tragenden ‘Marija l‑Maltija’. Womit er sowohl subtil sublimierte, verbotene Lust als auch patriotische Gefühle sowie den auf Malta, der Insel der 365 (!) Kirchen, virulenten Katholizismus perfekt miteinander verschränkte. Kein Wunder, dass das Ganze musikalisch klang wie ein San-Remo-Beitrag von 1951. Beim Eurovision Song Contest im nicht minder katholischen Irland kassierte dieser skurrile Riemen dann nicht ganz unverdient die Rote Laterne.
Verdient auf jeden Fall einen Sonderpreis für das engagierteste Overacting und die putzigste Klatschfalle: Joe beim ESC in Dublin.
Vorentscheid MT 1971
Malta Song Festival. Freitag, 29. Januar 1971 aus den TVM-Studios in Valetta. Sechs Teilnehmer:innen, Moderation: –.# | Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
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01 | Joe Cutajar | Il-Festa tal-Poplu tad-Dinja | n.b. | n.b. |
02 | Carmen Schembri | Ejja fil-qrib | n.b. | n.b. |
03 | Mary Spiteri | Min int | n.b. | n.b. |
04 | Enzo Gusman | Dlonk, dlonk | n.b. | n.b. |
05 | Edwin Galea | Irrid nghix mieghek | n.b. | n.b. |
06 | Joe Grech | Marija L‑Maltija | n.b. | 1 |
Zuletzt aktualisiert: 16.07.2021
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