Diesmal mit rechtzeitigem Abstand vor dem Eurovision Song Contest fand im Februar 1971 das achte Festival da Canção in Lissabon statt, das heuer wieder der Auswahl des portugiesischen Beitrags zum europäischen Wettsingen diente, denn wie die skandinavischen Nationen und Österreich kehrte auch das Land an der Algarve nach dem letztjährigen Boykott zurück an den Busen von Mütterchen EBU. Neben dem Moderationsveteran Henrique Mendes führte die amtierende heimische Schönheitskönigin Ana Maria Lucas durch den Abend, der zudem mit Stargästen wie der diesjährigen spanischen Eurovisionsrepräsentantin Karina und dem britischen Schlagersänger Malcolm Roberts aufwartete. Das Line-up entsprach in weiten Teilen dem des Vorjahres und beinhaltete neben Solokünstler:innen auch die beiden Gesangsquartette Intróito und Efe 5. Bei der Bühnengestaltung hatte sich RTP vom futuristischen Look des ESCs in Amsterdam, nunja: inspirieren lassen. Nur, dass man sich nicht befleißigt sah, bei den Auftritten der Solisten die überzähligen Mikrofone temporär abzuräumen, so dass die gesamte Show dann doch ein wenig improvisiert und schludrig wirkte. Aber das mag einem mitteleuropäischen Ordnungssinn entsprechen, den man in südlicheren Breitengraden vielleicht nicht teilt.
Songs über die Adoleszenz gehören per se zum Kerngeschäft der Popmusik: die Playlist mit Duarte Mendes und sieben weiteren Vorentscheidungsbeiträge in wüster Reihenfolge.
Genau so wie es fraglos meinen mangelnden Sprachkenntnissen geschuldet sein muss, dass mich die Behauptung der portugiesischen Fanseite Festivais da Canção, etliche der Lieder seien mit einer versteckten “eminenten politischen Botschaft” aufgeladen, mit Erstaunen erfüllt. So wie angeblich auch beim Siegersong ‘Menina do Alto da Serra’ der nach 1968 zum zweiten Mal beim FdC angetretenen Antónia de Jesus Montes Tonicha Viegas. Die vom Textdichter José Carlos Ary dos Santos verfassten Lyrics beschreiben der offiziellen Übersetzung zufolge das Idealbild eines unschuldigen Landmädchens mit “kleinem festen Busen”, dem Geruch von “Heu gepaart mit Minze” und einem “Brot, das nie geknetet wurde”, was für mich in erster Linie sexistisch klingt. Doch zu Zeiten der noch bestehenden Salazar-Diktatur mag diesen Zeilen womöglich eine versteckte Bedeutung innegewohnt haben, die sich mir entzieht. Musikalisch entpuppte sich das erstaunlich uptemporäre ‘Menina’, das vor allem von den exquisiten vokalen Kapriolen seines dreistimmigen Begleitchors lebte, jedenfalls als absoluter Knüller, welches mitsingbare “La la la”-Parts, packende Hooklines sowie eine nicht zu intensiv bemessene Dosis der landestypischen Melancholie perfekt miteinander verschränkte und es zu einem der besten lusitanischen Beiträge aller Zeiten machte. In Dublin erreichte man damit erstmalig einen Platz in der linken Tabellenhälfte: ein Novum für das bis dato eher schlusslichtlastige Portugal.
Für portugiesische Verhältnisse fast schon als Speedmetal einzustufen: Tonichas ‘Menina’.
Achtung, gegen Ende droht Drehwurmgefahr: der offizielle Videoclip.
Vorentscheid PT 1971
Festival da Canção. Donnerstag, 11. Februar 1971, aus dem Tivoli Cinema in Lissabon. Neun Teilnehmer:innen. Moderation: Ana Maria Lucas & Henrique Mendes.# | Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
---|---|---|---|---|
01 | Daphne | Verde Pinho | 005 | 07 |
02 | Tonicha | Menina | 103 | 01 |
03 | Intróito | Palavras abertas | 013 | 05 |
04 | Efe 5 | Rosa, Roseira | 006 | 06 |
05 | Hugo Maia de Loureiro | Crónica de um Dia | 026 | 04 |
06 | Paulo de Calvarho | Flor sem Tempo | 069 | 02 |
07 | Lentina Gentil | Andar var o Sol | 002 | 09 |
08 | Fernando Tordo | Cavalo à solta | 042 | 03 |
09 | Duarte Mendes | Adolescente | 004 | 08 |
Letzte Aktualisierung: 18.07.2021
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