Natio­naal Song­fes­ti­val 1971: Die Zeit macht nur vor dem Teu­fel halt

Die mehr als fischi­ge Abstim­mung beim nie­der­län­di­schen Vor­ent­scheid von 1970, wo eine fünf­köp­fi­ge natio­na­le Jury eine zwei­te, inter­na­tio­na­le, über­stimm­te, in dem sie all ihre Voten auf einen ein­zi­gen Act ver­ein­te, hat­te beim hei­mi­schen Publi­kum ver­ständ­li­cher­wei­se für gro­ße Empö­rung und für nahe­lie­gen­de Bestechungs­vor­wür­fe gesorgt. Wohl, um solch einem erneu­ten Eklat zu ent­ge­hen, aber auch, weil sich das For­mat bei­spiels­wei­se für die Bri­ten als über­aus erfolg­reich erwies, stell­te das nie­der­län­di­sche Fern­se­hen das Natio­naal Song­fes­ti­val ab 1971 auf eine rei­ne Song­aus­wahl mit fix gesetz­ten Inter­pre­ten um. Und was läge näher, als das im Vor­jahr düpier­te Folks­chla­ger­pär­chen Saskia & Ser­ge mit einer Direkt­no­mi­nie­rung für die erlit­te­ne Unbill zu ent­schä­di­gen? Was aller­dings tat­säch­lich erst pas­sier­te, nach­dem das von NOS zunächst ange­frag­te Geschwis­ter­trio The She­p­herds abge­wun­ken hat­te. Das auch im ech­ten Leben mit­ein­an­der ver­hei­ra­te­te Duo stell­te sechs Bei­trä­ge vor, die von ihrem eigens hier­für ent­wi­ckel­ten Kon­zept­al­bum ‘Lied­jes voor alle Tij­den’ stamm­ten und (mit Aus­nah­me des skur­ri­len Non­sens-Rei­mes ‘Bob­by Snob­by Baard’) alle­samt schon im Titel ver­schie­de­ne Maß­ein­hei­ten des vom Men­schen erfun­de­nen, abs­trak­ten Kon­zep­tes der Zeit thematisierten.

Die Play­list mit allen sechs Vor­ent­schei­dungs­ti­teln in abstei­gen­der Rei­hen­fol­ge des Ergebnisses.

So besan­gen die hol­län­di­schen Inga & Wolf also die Jah­res­zeit ‘Früh­ling’, den Ein­hei­ten­hy­brid ‘Som­mer­nacht’, den ‘Tag’ und noch spe­zi­fi­scher das ‘Heu­te’, an wel­chem die ein­zi­ge real exis­tie­ren­de und vom Men­schen tat­säch­lich erleb­ba­re Zeit­form, näm­lich die Gegen­wart, in die kom­plett fik­ti­ve “Toeko­mst”, die Zukunft, umschla­gen soll. Die Zuschauer:innen durf­ten per Post­kar­ten­ent­scheid unter den sechs Titeln aus­wäh­len, und sie stimm­ten mehr­heit­lich für die von mit­tel­al­ter­lich anmu­ten­den Flö­ten­tö­nen durch­drun­ge­ne Bal­la­de ‘Tjid’, also den alles umklam­mern­den Ober­be­griff. Dar­in gab das dro­gen­dür­re und stets ein biss­chen wie sin­gen­de Schau­fens­ter­pup­pen aus­se­hen­de Duo die auch auf die von Gier getrie­be­ne Unge­duld in Lie­bes­din­gen bezo­ge­ne phi­lo­so­phi­sche Weis­heit preis, dass die Zeit den Rhyth­mus vor­gibt und jeder, der sie über­ho­len möch­te, dop­pelt so lan­ge bis ans Ziel braucht. In Dub­lin lit­ten die Bei­den unter einem unfä­hi­gen Flö­tis­ten und einem zicki­gen Mikro­fon, schaff­ten es aber trotz­dem auf den sechs­ten Platz. Ein Hit wur­de ihre in meh­re­ren Spra­chen ein­ge­spiel­te Con­test­per­le lei­der den­noch nicht. Der kom­mer­zi­el­le Erfolg soll­te sich für Saskia & Ser­ge erst ab 1976 rich­tig ein­stel­len, als sie die Zei­chen der Zeit erkann­ten und auf gefäl­li­ge­ren Coun­try­schla­ger und Dis­co­pop umschwenkten.

Ein mehr als frag­wür­di­ger Frei­heits­be­griff, aber ein wun­der­schö­nes Lied: Saskia & Ser­ge mit ihrem größ­ten Hit, der ‘Fernando’-Pastiche ‘Mama, he’s a Sol­dier now’ aus dem Jah­re 1980 (Reper­toire­bei­spiel).

Vor­ent­scheid NL 1971

Natio­naal Song­fes­ti­val. Mitt­woch, 24. Febru­ar 1971 aus den NOS TV Stu­di­os in Hil­ver­sum. Ein Teil­neh­mer. Mode­ra­ti­on: Wil­ly Dobbe.
#Inter­pre­tenSong­ti­telPost­kar­tenPlatz
01Saskia & SergeLen­te2.3352
02Saskia & SergeTijd2.8661
03Saskia & SergeBob­by Snob­by Baard2.2823
04Saskia & SergeZomer­nacht­scan­ta­te5896
05Saskia & SergeDie Dag6235
06Saskia & SergeVan­da­ag beg­int de Toekomst1.6744

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 16.07.2021

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