Jugo­vi­zi­ja 1971: Die Nacht ist lang und dun­kel, wie der Schmerz

Ledig­lich drei der ins­ge­samt acht jugo­sla­wi­schen Lan­des­sen­der, näm­lich RTV Ljublja­na, RTV Zagreb und RTV Skop­je, betei­lig­ten sich 1971 am natio­na­len Euro­vi­si­ons­vor­ent­scheid Jugo­vi­zi­ja im slo­we­ni­schen Domža­le. Jeder von ihnen ent­sand­te drei Bei­trä­ge. Es gibt unter­schied­li­che Anga­ben dar­über, wie vie­le über den gesam­ten Staa­ten­bund ver­teil­te Jurys mit wie vie­len Mit­glie­dern über die Lie­der abstimm­ten, aber es müs­sen etli­che gewe­sen sein, denn selbst der letzt­plat­zier­te Titel von Dit­ka Haberl und Doca Marolt bekam noch rund 1.300 Punk­te. Haberl war zudem Teil der poly­pho­nen Gesangs­grup­pe Bele Vra­ne, die nur einen Platz bes­ser abschnitt. Zu den pro­mi­nen­ten Namen zähl­te die aus einer Roma-Fami­lie stam­men­de Esma Redže­po­va, die in ihrem Œuvre die rei­che roma­ni­sche Musik­tra­di­ti­on pfleg­te, aber auch mit moder­nen Sounds misch­te und wei­ter­ent­wi­ckel­te. Trotz der lei­der damals wie heu­te bestehen­den, erheb­li­chen Vor­ur­tei­le gegen ihre Volks­grup­pe gehör­te sie zu den belieb­tes­ten Künst­le­rin­nen des Bal­kans, wozu neben ihrem extra­va­gan­ten Auf­tre­ten und ihrem Talent auch ihr huma­ni­tä­res Enga­ge­ment, bei­spiels­wei­se für Wai­sen­kin­der, bei­trug. 2013, drei Jah­re vor ihrem Tod, soll­te sie ihre Hei­mat Maze­do­ni­en beim Euro­vi­si­on Song Con­test ver­tre­ten. Hier wie­der­um beleg­te sie mit dem eher tra­di­tio­nel­len ‘Malo, Malo’ den drit­ten Platz in der Juryabstimmung.

Für pop-ori­en­tier­te Ohren eine Her­aus­for­de­rung: Esmas rhyth­mus­star­ker Beitrag.

Sehr knapp geschla­gen wur­de sie vom kroa­ti­schen Lie­der­ma­cher Zvon­ko Špišić mit einem eher schla­ger­haf­ten Bei­trag sowie, mit deut­lich grö­ße­rem Abstand, von sei­nem Lands­mann Kru­nos­lav Sla­bi­nac. Der 2020 ver­stor­be­ne Künst­ler star­te­te sei­ne musi­ka­li­sche Kar­rie­re in den Sech­zi­gern als Mit­glied in ver­schie­de­nen Rock­bands. Als Solo­sän­ger hat­te er im Vor­jahr das pres­ti­ge­träch­ti­ge Fes­ti­val in Opa­ti­ja gewon­nen. Sei­ne mit einer psy­che­de­li­schen Syn­thie-Orgel eröff­nen­de Bal­kan­bal­la­de ‘Tvoj Dječak je tužan’ (‘Dein Jun­ge ist trau­rig’) gehört zu den her­aus­ra­gen­den Exem­pla­ren die­ser von vie­len Grand-Prix-Fans wie mir heiß­ge­lieb­ten Euro­vi­si­ons­gat­tung. Mit einem haar­scharf auf der Gren­ze zwi­schen prä­zi­si­ons­ge­stähl­ter Zurück­hal­tung und müh­sam unter­drück­tem Schluch­zen ope­rie­ren­den Tre­mo­lo in der Stim­me schüt­te­te der Inter­pret dar­in sein Herz über eine in die Brü­che gegan­ge­ne Bezie­hung aus. Und selbst, ohne auch nur ein ein­zi­ges Wort sei­nes zwi­schen schick­sals­er­ge­be­ner Akzep­tanz und tiefs­ter Hoff­nungs­lo­sig­keit chan­gie­ren­den Tex­tes zu ver­ste­hen, lie­ßen sich sei­ne tie­fe Trau­er und sein über­wäl­ti­gen­der Schmerz mit Hän­den grei­fen. Als um so skan­da­lö­ser ist sei­ne sträf­li­che Miss­ach­tung durch die offen­bar voll­kom­men kalt­her­zi­gen west­eu­ro­päi­schen Juror:innen beim ESC in Dub­lin zu gei­ßeln, die ihm einen empö­ren­den 14. Platz zuwie­sen. Schan­de über Euch! Sla­bi­nac wand­te sich spä­ter ver­stärkt dem Folk zu.

Von *sol­chen* Bal­la­den kann es beim Grand Prix für mei­nen Geschmack gar nicht zu vie­le geben: Kru­nos­lavs Lied spielt in einer Liga mit ‘Lane moje’ und ähn­li­chen Meis­ter­wer­ken (plus Play­list mit vier wei­te­ren Vorentscheidungstiteln).

Vor­ent­scheid YU 1971

Jugo­vi­zi­ja. Aus dem Dvor­a­na Komu­nal­ne­ga Cen­tra in Domža­le (heu­ti­ges Slo­we­ni­en). 9 Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Hele­na Koder & Lju­bo Jel­cic. 30 regio­na­le Jurys.
#Inter­pre­tenSong­ti­telJuryPlatz
01Bele Vra­neOd Srca do Srca1.42008
02Kru­nos­lav SlabinacTvoj Dječak je tužan2.01001
03Esma Redže­po­vaMalo, malo1.88003
04Dit­ka Haberl + Doca MaroltPesem za Otroka1.30909
05Sen­ka VeletanlićSunča­ni Ples / Sončev tanc1.44507
06Saš­ka PetkovskaSve­tot moj1.54505
07Zvon­ko ŠpišićŠal na plaži1.89002
08Pro ArteHej, ti slat­ka Lulu1.70204
09Maj­da SepeRegrat1.50406

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 20.07.2021

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