Con­cours Euro­vi­si­on 1972: Aber Fisch gibt’s heut kei­nen für mich

1971 hat­te die EBU beim bis dahin nur für Solokünstler:innen und Duos offe­nen Grand Prix erst­ma­lig offi­zi­ell Grup­pen zuge­las­sen, und erstaun­li­cher­wei­se gehör­te die sonst nicht gera­de zur Speer­spit­ze des Fort­schritts zäh­len­de Schweiz zu den ers­ten Natio­nen, die hier­von Gebrauch mach­ten: mit dem intern bestimm­ten Ber­ner Trio Peter, Sue & Marc ent­sand­te es sei­nen mög­li­cher­wei­se stil­prä­gends­ten Act. Die Trup­pe um den Mas­ter­mind und Kom­po­nis­ten Peter Reber soll­te die Eid­ge­nos­sen ins­ge­samt beacht­li­che vier Mal ver­tre­ten, immer in einer ande­ren Spra­che und mit teils gutem Erfolg. Bei ihrer Pre­miè­re erreich­ten sie mit der fran­zö­sisch gesun­ge­nen Folk­bal­la­de ‘Les Illu­si­ons de nos vingt Ans’ aller­dings nur das Mit­tel­feld und konn­ten auch zu Hau­se kei­nen Hit dar­aus machen. Inner­halb der nächs­ten zehn Jah­re ver­such­ten sie es acht Mal, beim hel­ve­ti­schen Vor­ent­scheid von 1972, von dem – wie so oft in der Schweiz – weder das Ver­an­stal­tungs­da­tum noch die nähe­ren Umstän­de bekannt sind, setz­ten sie aller­dings aus. Vier Kombattant:innen mit ins­ge­samt sechs (bis auf den Sie­ger­song alle­samt in den Nebeln Nor­we­gens ver­schwun­de­nen) Lie­dern kämpf­ten hier, ver­mut­lich hin­ter ver­schlos­se­nen Türen, um das Ticket nach Edin­burgh, und über die Wenigs­ten lässt sich etwas Erzäh­lens­wer­tes finden.

https://youtu.be/WY5j8vNR7rI

Hals- und Bein­bruch: für das Vor­stel­lungs­vi­deo gaben Peter, Sue & Marc wirk­lich alles.

So lis­ten die ein­schlä­gi­gen Quel­len eine gewis­se Caro­la auf, mit dem Titel ‘Tout ira bien’. Und nein, um die schwe­di­sche Euro­vi­si­ons­i­ko­ne, die einem als ers­tes in den Sinn kommt und die auch als ein­zi­ge berech­tigt ist, nur unter ihrem Vor­na­men auf­zu­tre­ten, kann es sich nicht gehan­delt haben, denn die war zu die­sem Zeit­punkt erst fünf Jah­re alt. Schon mehr sprä­che für ihre fin­ni­sche Kol­le­gin Caro­la Stan­dertskjöld, die zu die­sem Zeit­punkt bereits 40 Len­ze zähl­te und in deren Reper­toire zahl­rei­che Grand-Prix-Cover­ver­sio­nen fal­len. So wie bei­spiels­wei­se ‘Raka­s­tan – Saa­vuthan’, ihre Ver­si­on des 1972er Sie­ger­ti­tels ‘Aprés toi’ von Vicky Lean­dros. ‘Tout ira bien’ jedoch zählt die Musik­da­ten­bank Dis­co­gs nicht zu den von Stan­dertskjöld her­aus­ge­brach­ten Ton­trä­gern. Unklar bleibt die Lage auch beim Teil­neh­mer Pierre Alain, der gleich zwei fran­zö­sisch­spra­chi­ge Titel am Start hat­te, die eben­falls in kei­ner Ver­öf­fent­li­chungs­lis­te zu fin­den sind. Dis­co­gs bie­tet unter dem Namen gleich eine Viel­zahl gleich­na­mi­ger Sän­ger an, so bei­spiels­wei­se den Fran­zo­sen Pierre-Alain Thé­ven­az, der im sel­ben Jahr immer­hin noch die Sin­gle ‘Tcha-ka-tchak’ her­aus­brach­te. Aber zuge­ge­ben, ich sto­che­re hier völ­lig blind im Nebel.

Pit­to­resk: die fin­ni­sche Ver­si­on von Vickys fran­ko­phi­lem Gefühlssturm.

Schon etwas mehr gibt der letz­te Start­platz ‘Lass mich beten für die Lie­be’ her. Bei dem fun­gier­te der im hes­si­schen Darm­stadt gebo­re­ne, gelern­te Fein­blech­ner Gil­bert Bishop (bür­ger­lich: Bisch­off) als Front­mann. Und des­sen Wiki­pe­dia­ein­trag lässt sich immer­hin ent­neh­men, dass die schwei­ze­ri­sche Aus­wahl in St. Moritz statt­fand und der – lei­der eben­falls nicht auf You­tube auf­find­ba­re – Song dort den zwei­ten Rang beleg­te. Gesang­li­che Unter­stüt­zung erfuhr der dun­kel­häu­ti­ge Bisch­off von den Rocky-Till-Sin­gers, dem kurz­le­bi­gen Nach­fol­ge­pro­jekt des Anfang der Sech­zi­ger sehr erfolg­rei­chen deut­schen Schla­ger­tri­os Nil­son Brot­hers (‘Tom Doo­ley’), deren heu­te bekann­tes­te und tau­send­fach geco­ver­te Schla­ger­knot­te ‘Aber dich gibt’s nur ein­mal für mich’ bei sei­ner Erst­ver­öf­fent­li­chung aller­dings nur in Öster­reich zum Ver­kaufs­hit wur­de. 1969 sie­del­ten die Nil­son Brot­hers ins Steu­er­pa­ra­dies Schweiz über und grün­de­ten dort eine eige­ne Pro­duk­ti­ons­fir­ma. Neben ihrem Vor­ent­schei­dungs­bei­trag brach­ten sie – ohne Bisch­off – im glei­chen Jahr noch die Sin­gle ‘Laß die Lie­be nicht vor­bei’ her­aus, auf des­sen B‑Seite sie den Schmalz­rie­men ein wei­te­res Mal ver­wurs­te­ten. Es soll­te ihre letz­te Ver­öf­fent­li­chung sein.

Die sehr, sehr clea­ne hel­ve­ti­sche Vari­an­te der Les Hum­phries Sin­gers (Reper­toire­bei­spiel).

Bleibt die Gewin­ne­rin Véro­ni­que Mül­ler. Die hat­te eben­falls zwei Eisen im Feu­er, näm­lich ‘La Rose et le Tam­bour’ und das sieg­rei­che ‘Chan­son de mon Amour’. Mül­ler schnup­per­te ihrem Wiki­pe­dia­ein­trag zufol­ge ers­te Show­luft als Sekre­tä­rin der bri­ti­schen Pop­iko­ne Petu­la Clark, bevor sie sich selbst als Lie­der­ma­che­rin aus­pro­bier­te. In die­ser Tätig­keit hat­te sie ver­mut­lich schon erfah­ren, dass sich anglo­pho­ne Men­schen mit dem Umlaut “Ü” schwer tun, und so ließ sie für den Grand-Prix-Auf­tritt in Anti­zi­pa­ti­on einer inter­na­tio­na­len Kar­rie­re die bei­den Pünkt­chen weg und nann­te sich “Mull­er”. Doch auch wenn der fran­zö­si­sche Diri­gent Paul Mau­ri­at neben Vickys Sie­ger­song auch von Véro­ni­ques Lied eine süß­lich-schwel­ge­ri­sche Orches­ter­fas­sung ein­spiel­te und dem in Edin­burgh acht­plat­zier­ten schwei­ze­ri­schen Bei­trag damit eine Art künst­le­ri­schen Rit­ter­schlag ver­pass­te: einen Hit konn­te Mül­ler mit der zwar durch­aus ele­gan­ten, aber halt auch etwas sprö­den Bal­la­de nicht lan­den. Auf dem Hei­mat­markt ver­öf­fent­lich­te die bis zu des­sen Tod mit dem TV-Jour­na­lis­ten und als Rate­fuchs im Game­show-Klas­si­ker “Was bin ich?” bekannt gewor­de­nen Gui­do Bau­mann ver­hei­ra­te­te Künst­le­rin noch bis in die Neun­zi­ger hin­ein zahl­rei­che Alben und Sin­gles auf Schwit­zer­düütsch, Eng­lisch, Ita­lie­nisch und Französisch.

Eine deut­sche Fas­sung gab es von Véro­ni­ques Grand-Prix-Bei­trag eben­so. Woll­te auch nie­mand kaufen.

Vor­ent­scheid CH 1972

Con­cours Euro­vi­si­on. Sen­der­in­ter­ne Aus­wahl unter vier Teilnehmer:innen.
#Inter­pre­tenSong­ti­telPlatz
01Pierre AlainLe Cher­cheur d’Orn.b.
02Pierre AlainCapi­tainen.b.
03Caro­laTout ira bienn.b.
04Véro­ni­que MüllerLa Rose et le Tambourn.b.
05Véro­ni­que MüllerC’est la Chan­son de mon Amour01
06Rocky Till SingersLass mich beten für die Liebe02

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 18.05.2023

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