Ihrem Wikipedia-Eintrag zufolge aufgewachsen als Tochter eines bosnischen Lehrer-Ehepaars, hatte sich Jadranka Stojaković, eine der insgesamt zwölf Teilnehmer:innen des jugoslawischen Eurovisionsvorentscheids 1972, welcher hier mit dem Schlagerwalzer ‘Tik tika taka’ kein Erfolg vergönnt sein sollte, einst im zarten Alter von 16 der Jazzkapelle ihres Onkels angeschlossen, mit welcher sie durch das Land tourte, aber auch Auftritte in Deutschland absolvierte. Zum Grand Prix schaffte sie es indes erst im Jahre 1981, als Chorsängerin des seinerzeitigen Repräsentanten Vajta. Den Höhepunkt ihrer Karriere dürfte sie 1984 erreicht haben, als sie zur Eröffnung der olympischen Winterspielen in ihrer Heimatstadt Sarajewo sang, in welcher sie 2016 verstarb. Verbindungen nach Deutschland pflegte auch ihr serbischer Mitstreiter Miloš Jović, der in jungen Jahren ebenfalls in einer Jazzband spielte, die ihr Einkommen zum Teil mit Gigs in Clubs der US-Armee in Westeuropa bestritt. Dabei entdeckte ihn 1967 in München ein Manager der Plattenfirma CBS, der ihm einen Vertrag für ein (erfolgreiches) Soloalbum mit englischsprachigen Titeln anbot. Hierfür nahm Miloš den Künstlernamen Leo Martin an, unter dem er 1970 ebenso den Schlagerflop ‘Das ist mir so egal’ einspielte.
Die Playlist mit knapp der Hälfte der Vorentscheidungsbeiträge der Jugovizija 1972, vorwiegend als Audiofassung.
Den deutschen Künstlernamen behielt Martin allerdings auch nach seiner Rückkehr nach Jugoslawien bei, wo er sich in den Siebzigern und Achtzigern als Schlagersänger etablieren konnte. Mit seinem Jugovizija-Beitrag ‘Bit ću uvek sam’ (‘Ich werde immer allein sein’) erreichte er hier Rang vier, wobei lediglich das Ergebnis der fünf topplatzierten Titel bekannt ist. Zum zahlenmäßig größeren Bereich “ferner liefen” gehörte neben der eingangs erwähnten Jadranka beispielsweise auch das mittelmäßige Pop-Rock-Geplänkel ‘Ljubavi, Ljubavi’ (‘Liebe, Liebe’) von Dalibor Brun, der 1969 als kurzzeitiger Frontmann der Korni Grupa Bekanntheit erlangte hatte, welche er im Anschluss für eine Solokarriere nutzen konnte, oder der geigensatte Dramaschlager ‘Da živim jedan Dan’ (‘Um eines Tages zu leben’) der Kroatin Višnja Korbar. Unter den Top 5 wiederum findet sich die Schlagerette Nevia Rigutto, die im Vorjahr beim heimischen Label Jugoton eine kroatische Coverversion des deutschen Eurovisionsbeitrags ‘Diese Welt’ von Katja Ebstein veröffentlicht hatte. Zwischen 1977 und 1980 fungierte die seither in Schweden lebende Nevia als Frontfrau der sämtliche südslawische Musikfestivals bespielenden Formation 777.
Qualifizierte sich sowohl musikalisch wie optisch für eine Rolle in einem DDR-Agententhriller: Leo Martin bei einem TV-Auftritt mit seinem Wettbewerbstitel.
Die Bronzemedaille sicherte sich der erst dreizehnjährige Kinderstar Zoran Leković, zu dessen stolzesten Karrieremomenten sein Wikipedia-Eintrag mehrfache Geburtstagsständchen für den jugoslawischen Staatspräsidenten Tito zählt. Zur Amtseinführung der ersten weiblichen Regierungschefin Kroatiens, Kolinda Grabar-Kitarović, im Jahre 2015, sang hingegen die hier Zweitplatzierte Radojka Šverko. Der Sieg bei der Jugovizija 1972 ging an Tereza Kesovija, die bereits beim Eurovision Song Contest 1966 für Monaco Nul Points geholt hatte. Dieses demütigende Schicksal sollte ihrer kraftvoll herausgeschmetterten Grand-Prix-Hymne ‘Muzika i ti’ (‘Die Musik und du’) beim Wettbewerb in Edinburgh zwar erspart bleiben, doch ein richtiger Stich gelang ihr nicht: gegen die deutlich stärkere Balladenkonkurrenz in Person von Mary Roos und Vicky Leandros musste sie sich mit einer unbefriedigenden Mittelfeldplatzierung abfinden. Selbst die eigens eingespielte Chansonvariante ‘La Musique et toi’ floppte kommerziell, und so zog Tereza, die seit 1965 in Paris lebte, dort mehrere erfolgreiche Alben veröffentlicht hatte und den französischen Orden der Künste verliehen bekam, wieder zurück nach Zagreb. Auch Tereza rühmt sich in ihrer offensichtlich selbst geschriebenen Wikipedia-Biografie, des Öfteren für Tito gesungen zu haben und will sogar seine “Lieblingsinterpretin” gewesen sein.
Traurig: bereits zu Beginn der Siebziger verschandelten stinkende, sich stauende Blechkolonnen das pittoreske Bild der Innenstädte europäischer Metropolen, wie sich im Videoclip zu Terezas ‘Muzika i ti’ sehen lässt.
Vorentscheid YU 1972
Jugovizija. Samstag, 12. Februar 1972, aus dem Centar Skenderija in Sarajewo (heutiges Bosnien-Herzegowina). Zwölf Teilnehmer:innen. Moderation: Mirjana Jančić. Regionale Jurys.# | Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
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01 | Danijela Pančetović | Kaj si majko | n.b. | n.b. |
02 | Jadranka Stojaković | Tik tika taka | n.b. | n.b. |
03 | Radojka Šverko | Bijeli san | 1.930 | 02 |
04 | Zoran Leković | Cvijeće ljubavi | 1.901 | 03 |
05 | Tereza Kesovija | Muzika i ti | 2.216 | 01 |
06 | Višnja Korbar | Jedan dan | n.b. | n.b. |
07 | Dragan Antić | Zbogom Mama, zbogom Tata | n.b. | n.b. |
08 | Nevia Rigutto | Grli me grli, dragi | 1.207 | 05 |
09 | Bisera Velentalić | Sad odlazi | n.b. | n.b. |
10 | Dalibor Brun | Ljubavi, Ljubavi | n.b. | n.b. |
11 | Azra Halilović | Sreća pokraj nas | n.b. | n.b. |
12 | Leo Martin | Bit ću uvek sam | 1.504 | 04 |
Letzte Aktualisierung: 29.09.2021