Opa­ti­ja-Fes­ti­val 1973: Alles was ich hab

Im drei­zehn­ten Jahr der jugo­sla­wi­schen Euro­vi­si­ons­teil­nah­me mach­te sich beim ver­ant­wort­li­chen Sen­der JRT ange­sichts der anhal­ten­den Erfolg­lo­sig­keit der Ope­ra­ti­on eine gewis­se Erschöp­fung breit. So ver­zich­te­te man für die nächs­te Zeit auf die bis dato stets durchs Land gereis­te und abwech­selnd immer in einer ande­ren Haupt­stadt des Staa­ten­bun­des ihr Zel­te auf­schla­gen­de Jugo­vi­zi­ja. Statt­des­sen wie­der­be­leb­te man das Fes­ti­val von Opa­ti­ja, das nach dem Vor­bild des ita­lie­ni­schen San-Remo-Fes­ti­vals zwi­schen 1958 und 1970 jähr­lich im prunk­vol­len Kris­tall­saal des 1884 erbau­ten Hotels Kvar­ner statt­fand, dem ers­ten Haus am Plat­ze in dem einst­mals mon­dä­nen istri­schen See­bad und kai­ser­li­chen Kur­ort. Die Ver­an­stal­tungs­rei­he soll­te sich mit wech­sel­haf­tem Erfolg bis Mit­te der Acht­zi­ger hal­ten und 1993, nach der Abspal­tung Kroa­ti­ens, unter dem Namen Dora Wie­der­auf­er­ste­hung fei­ern. Heu­er gaben sich an drei auf­ein­an­der­fol­gen­den Aben­den ins­ge­samt 36 Künstler:innen aus ganz Jugo­sla­wi­en zunächst in zwei Semis das Mikro in die Hand, aus denen eine vier­zig­köp­fi­ge Jury die zwölf Bes­ten für das Fina­le auswählte.

Die Play­list mit drei Vier­teln der Final­bei­trä­ge des Opa­ti­ja-Fes­ti­vals 1973 (Audio­ver­sio­nen).

Dort mach­te der bereits von der Jugo­vi­zi­ja 1972 bekann­te Dali­bor Brun den Auf­takt, des­sen pom­pö­se Bal­la­de ‘Odi­se­ja’ trotz einer Plat­zie­rung im hin­te­ren Mit­tel­feld zu sei­nem Signa­tur-Song wer­den soll­te. Ganz hin­ten lan­de­te das 1968 von den bei­den Kind­heits­freun­den Vla­di­mir Mar­ko­vić und Dra­gut­in Bala­ban gegrün­de­te Folk­duo Vla­da & Baj­ka, das zunächst mit Cover­ver­sio­nen ihrer musi­ka­li­schen Vor­bil­der Simon & Gar­fun­kel, aber auch Selbst­kom­po­nier­tem, ers­te Erfol­ge erzielt hat­te. Wobei man zuge­ste­hen muss, dass sich die Jury­wer­tun­gen rela­tiv gleich­mä­ßig ver­teil­ten und die Abstän­de gering aus­fie­len. So erziel­te bei­spiels­wei­se das Schla­ger­trio Neda, Dario & Mil­jen­ko für sein luf­ti­ges Easy-Lis­tening-Lied­chen über die ‘Mala aus der 3b’ (Platz 6) gera­de mal ein Vier­tel Stim­men mehr als das Duo, ähn­lich wie bei dem mit sehr viel Schmacht in der Stim­me vor­ge­tra­ge­nen ‘Pol­ju­bi me za sre­tan Put’ (‘Küss mich für eine gute Rei­se’) des Euro­vi­si­ons­ver­tre­ters von 1971, Kru­nos­lav Sla­bi­nac (†2020). Als Mitt­drei­ßi­ger zähl­te der zweit­plat­zier­te Lie­der­ma­cher Hrvo­je Hege­dušić, der seit 2009 den kroa­ti­schen Kom­po­nis­ten­ver­band lei­tet und das Chan­son­fes­ti­val von Zagreb ins Leben rief, zu den bereits etwas lebens­er­fah­re­ne­ren Teil­neh­mern des Wettbewerbs.

Das wirk­lich schlim­me Rock­oper-Gedu­del von Kor­nis ‘Etü­de’ tritt ob der opti­schen Ablen­kung durch Zlat­ko Peja­ko­vićs erquick­lich tie­fes Dekol­le­té erfreu­li­cher­wei­se ziem­lich in den Wahrnehmungshintergrund.

Einen für ihre aus­ge­spro­chen zähe ‘Etü­de’ erstaun­li­chen drit­ten Rang erreich­te die im Lau­fe ihres nur sechs­jäh­ri­gen Bestehens mehr­fach umbe­setz­te, für die jugo­sla­wi­sche Pop-His­to­rie jedoch prä­gen­de Prog-Rock-For­ma­ti­on Kor­ni Grupa. Die hat­te mit dem voll­bär­ti­gen Lang­haar­z­ot­tel Zlat­ko Peja­ko­vić gera­de den sechs­ten und letz­ten Front­mann ihrer Band­ge­schich­te gefun­den. Der kam als Nach­fol­ger des nicht min­der attrak­ti­ven Vor­gän­gers Zdrav­ko Čolić, wel­cher beim Opti­ja-Fes­ti­val nicht nur als Solo­künst­ler antrat, son­dern auch – mit dem größ­ten Punk­te­ab­stand aller Teilnehmer:innen – obsieg­te. Und das mit Recht: sein kraft­vol­ler Schmacht­fet­zen ‘Gori Vatra’ (‘Bren­nen­des Feu­er’), in wel­chem der frisch ent­flamm­te Jüng­ling sei­ne Ange­be­te­te auf das Ein­dring­lichs­te bekniet, dem lodern­den Ver­lan­gen nach­zu­ge­ben und end­lich, end­lich “ja” zu sagen, gehört zu den über­zeu­gends­ten Bezir­zungs­ver­su­chen, die jemals ihren Weg auf einen Ton­trä­ger fan­den. Von sei­nem bos­ni­schen Lands­mann Kemal Mon­te­no kom­po­niert, der bereits für Zdrav­kos Pre­mie­ren­hit ‘Sinoć nisi bila tu’ (‘Ges­tern Nacht warst du nicht da’) ver­ant­wort­lich zeich­ne­te, ver­lieh erst das zwerch­fell­er­schüt­tern­de Vibra­to des 21jährigen ehe­ma­li­gen Leicht­ath­le­ten dem upt­em­po­rä­ren und mit einem fan­tas­ti­schen Gitar­ren­riff eröff­nen­den Deflo­ra­ti­ons­er­su­chen die­se abso­lut zwin­gen­de Unwiderstehlichkeit.

Wer kann da schon nein sagen? Zdrav­ko Čolić setzt die iko­ni­sche Brü­cke von Mostar in Brand.

Für die kom­plett ver­trock­ne­ten Juror:innen beim euro­päi­schen Wett­sin­gen in Luxem­burg erwies sich eine der­art prä­sen­te Libi­do aller­dings als zu viel des Guten: sie ver­bann­ten den jugo­sla­wi­schen Bei­trag auf den dritt­letz­ten Platz. Für die ehr­gei­zi­gen Kar­rie­re­plä­ne Zdrav­kos über die Lan­des­gren­zen hin­aus bedeu­te­te das den Todes­kuss: zwar konn­te er einen Ver­trag beim deut­schen Able­ger der Plat­ten­fir­ma War­ner klar­ma­chen. Die als Test­bal­lon für den hie­si­gen Schla­ger­markt auf­ge­nom­me­ne Sin­gle ‘Alles was ich hab’, die Ein­deut­schung des 1993 von Boy Geor­ge als Soft-Reg­gae recy­cel­ten epo­cha­len Trä­nen­zie­hers ‘Every­thing I own’ der Band Bread, mit wel­chem die glu­ten­hal­ti­ge US-For­ma­ti­on im Jah­re 1972 einen Top-Five-Hit erzie­len konn­te, flopp­te jedoch hart. Da half es auch nichts, dass die Ver­ant­wort­li­chen sei­nen für deut­sche Radio-Redak­teu­re schein­bar zun­gen­bre­che­ri­schen Namen in “Drav­co” ver­un­stal­te­ten. Immer­hin erfreu­te er sich in der Hei­mat wei­ter­hin unge­bro­che­ner Beliebt­heit, wo man aller­dings in Sachen ESC vor einem immer grö­ße­ren Rät­sel stand. Hat­te man bei der Aus­wahl der Wett­be­werbs­bei­trä­ge doch den Anfän­ger­feh­ler aus den Sech­zi­gern, ein­fach das drö­ge fran­ko­phi­le Bal­la­den­me­nü nach­zu­ah­men, längst kor­ri­giert und ent­sand­te zuneh­mend zeit­ge­mäß Auf­be­rei­te­tes mit ori­gi­nel­lem regio­na­lem Flair. Bloß, um damit ein ums ande­re Mal an der kul­tu­rel­len Igno­ranz der Westeuropäer:innen zu schei­tern. Schande!

Viel zu weich und but­t­rig für Zdrav­kos star­ke Stim­me: sein deut­scher Schla­ger­ver­such (Reper­toire­bei­spiel).

Vor­ent­scheid YU 1973

Opa­ti­ja Fes­ti­val. Sams­tag, 3. März 1973, aus dem Kris­tall­saal des Hotel Kvar­ner in Opti­ja (heu­ti­ges Kroa­ti­en). Zwölf Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Oli­ver Mlak­ar. 40köpfige Jury. 
#Inter­pre­tenSong­ti­telJuryPlatz
01Dali­bor BrunOdi­se­ja22007
02Del­fi­niVol­je­la ja svi­ra­ti bacha19211
03Kru­nos­lav SlabinacPol­ju­bi a za sre­tan put23804
04Neda, Dario & MiljenkoMala iz III.B23206
05Jadran­ka StojakovićPrića o nama21208
06Maj­da SepeNekoć nek­je20309
07Zdrav­ko ČolićGori vatra28701
08Vla­da & BajkaDok te gledam18512
09Zafir Hadži­ma­novUkrast ću te20110
10Hrvo­je Hege­dušić, Srd­jan, BucoEle­gi­ja25502
11Kor­ni GrupaEtida24503
12Elda VilerSlišiš, škol­j­ka poje ti23804

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 29.09.2021

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