Nach dem bemerkenswerten Aufbruch beim Schweizer Vorentscheid im Vorjahr mit etablierten Künstler:innen, einer deutlich aufgestockten Anzahl an Teilnehmenden und sogar vom Sender produzierten Videoclips für alle Acts ging es diesmal wieder ein paar Schritte zurück. Statt zehn Startplätzen gab es nur noch acht, Bewegtbildaufnahmen sucht man im Netz vergebens und das musikalische Angebot fiel deutlich unsüffiger, um nicht zu sagen dröge aus. Daran konnte auch die Rückkehr des Kultschlagerpärchens Gil & Leonia sowie der Dauerteilnehmer:innen Peter, Sue & Marc kaum etwas ändern, deren aktuelle Beiträge ‘A Tucicabu’ beziehungsweise ‘Frei’ gegenüber ihren Vorjahreskrachern ziemlich abstanken. Auch die Neuen brachten nur wenig Schwung in die von Lilo Pulver (!) moderierte Sache. So forderte gleich zum Auftakt der im Tessin geborene Sänger Pierre Bardin – nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen französischen Philosophen, der von 1595 bis 1635 lebte – ‘Je veux vivre’ (‘Ich möchte leben’): joah, wer nicht? Seine Konkurrentin Marisa Frigerio veröffentlichte ihr siebtplatziertes Canzone ‘E l’Amore’ erst ein Jahr später als B‑Seite ihres 1975er Concours-Beitrags ‘Ricominciare’. Beide Künstler:innen sahen trotz zahlreicher Veröffentlichungen die Verkaufschart niemals von innen.
Die Playlist mit den verfügbaren Titeln als Audioversion.
Auch die aus der Romandie stammende Folkbardin Françoise Rime, die es hier mit einem besonders zähen Balladenriemen versuchte, sollte der Durchbruch versagt bleiben. Auf gerade mal drei gefloppte Singles brachte es die 2019 verstorbene Ursula Gysin, die unter dem anonymstmöglichen Pseudonym Linda (eine sehr leckere Kartoffelsorte!) antrat. ‘Ein Wort von dir, ein Wort von mir’ waren allerdings auch zwei zu viel. Eine ähnliche Strategie fuhr die Schlagersängerin Evelyne Tiel alias Tatjana, die in den Charts weder mit ihrem öden Vorentscheidungsbeitrag ‘La Vague de la Mer’ reüssieren konnte noch mit fadenscheinigen Russlandschlagern wie ‘Gib mir Wodka’. Gleich fünf Jurys entschieden über das Schicksal der Kombattant:innen: drei regionale Publikumsjurys, die Presse und TV-Verantwortliche. Wie schon im Vorjahr gab man keine Punkte, sondern die Platzierungen bekannt, wobei die nach Sprachregionen getrennten Abstimmungen der Zuschauer:innen sich in entsprechenden Präferenzen für deutsch, italienisch oder französisch gesungene Lieder niederschlug. Was aber nicht den besonders langweiligen Siegertitel ‘Mein Ruf nach Dir’ erklärt, den Piera Martell in Brighton als “lindgrüner Flugsaurier” (Zitat aus einer swisscharts-Review) verkleidet zwar sehr engagiert vorschmetterte. Sich aber dennoch zu Recht mit den deutschen Kolleginnen Cindy & Bert die rote Laterne teilen musste.
Erstaunlich: auch Pieras Balladenriemen stammte aus der Feder des Deutschen Pepe Ederer, wurde aber anders als der Vorjahressiegertitel ‘Bitte glaub es nicht’ deswegen nicht disqualifiziert.
Vorentscheid CH 1974
Concours Eurovision. Donnerstag, 24. Januar 1974, aus dem DRS-Studio in Zürich. Acht Teilnehmer:innen. Moderation: Lilo Pulver. Drei regionale Publikumsjurys (60%), Pressejury (20%), Senderjury (20%).# | Interpreten | Songtitel | DRS | TSR | TSI | Presse | Jury | Platz |
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01 | Pierre Bardin | Je veux vivre | 04 | 02 | 07 | 02 | 05 | 04 |
02 | Marisa Frigerio | È l’Amore | 08 | 08 | 02 | 06 | 07 | 07 |
03 | Peter, Sue & Marc | Frei | 02 | 04 | 04 | 01 | 02 | 02 |
04 | Françoise Rime | On se dira toujours je t’aime | 05 | 01 | 06 | 04 | 08 | 05 |
05 | Gil & Leonia | A Tucicabu | 03 | 06 | 01 | 06 | 03 | 03 |
06 | Linda | Ein Wort von dir, ein Wort von mir | 07 | 07 | 08 | 08 | 04 | 08 |
07 | Tatjana | La Vague de la Mer | 06 | 05 | 05 | 04 | 06 | 06 |
08 | Piera Martell | Mein Ruf nach dir | 01 | 03 | 03 | 02 | 01 | 01 |
Letzte Aktualisierung: 19.05.2023