Con­cours Euro­vi­si­on 1975: Zeig nie­mals ein Gefühl

War es die Angst vor dem inter­na­tio­nal gestie­ge­nen Niveau? Gera­de mal sie­ben Teil­neh­men­de lie­ßen sich im Jahr Eins n.A. (nach Abba) im heu­er vom fran­zö­sisch­spra­chi­gen Sen­der TSR in Genf ver­an­stal­te­ten Schwei­zer Vor­ent­scheid zusam­men­trei­ben, davon mehr als die Hälf­te Wiederholungstäter:innen. Als Schluss­lich­ter schnit­ten dabei Hen­ri Dès und Pierre Alain ab, im Mit­tel­feld lan­de­te hin­ge­gen die Italo­schwei­ze­rin Mari­sa Fri­ge­rio, die mit dem dezent dra­ma­ti­schen ‘Rico­min­cia­re’ (‘Neu­be­ginn’) dies­mal einen deut­lich stär­ke­ren Titel am Start hat­te als noch im Vor­jahr und im ita­lie­nisch­spra­chi­gen Sen­de­ge­biet Publi­kums­sie­ge­rin wur­de. Ganz im Gegen­satz zu den vor allem bei der Pres­se­ju­ry belieb­ten Peter, Sue & Marc, deren erst­ma­lig vom deut­schen Kin­der­lied­au­to­ren Rolf Zuc­kow­ski mit­ge­schrie­be­ner Titel ‘Lève-toi, Sol­eil’ (‘Erhe­be dich, Son­ne’) musi­ka­lisch doch sehr deut­li­che Anlei­hen an dem 1971 noch im Anfangs­sta­di­um ihrer Kar­rie­re von Cin­dy & Bert ver­öf­fent­lich­ten Fran­ken­stein-Schla­ger ‘Ich fand eine Hand’ nahm, bezie­hungs­wei­se an des­sen Ori­gi­nal ‘Put your Hand in the Hand’ der US-ame­ri­ka­ni­schen Coun­try-Folk-Bar­din Anne Mur­ray. Und war­um auch nicht: bes­ser gut kopiert als schlecht selbst gemacht, wie schon Ralph Sie­gel wuss­te. Auf den kom­men wir gleich noch­mal zurück.

Die Play­list mit den ver­füg­ba­ren Titeln des Schwei­zer Vor­ent­scheids 1975, meist Audio.

Zu den, nun­ja, Neu­en zähl­te Gérald Matthey, einst­mals Teil der in den Sech­zi­gern im Gen­fer Raum akti­ven Beat­kap­pel­le Les Relax, und nun mit sei­nem Solo-Ver­such gna­den­los unter­ge­hend. Auch schon ein paar Jah­re auf dem Buckel hat­te die 1966 in Mai­land gegrün­de­te Band I Nuo­vi Ange­li, die eben­falls aus dem Beat kam, sich dann aber im Hei­mat­land eine gute Wei­le erfolg­reich dem Pop zuwand­te und nach zwi­schen­zeit­li­chen Auf­trit­ten in den USA mitt­ler­wei­le lang­sam dem Kar­rie­re­en­de ent­ge­gen­sah. Ihr Titel ‘Liver­pool’ kam für den Euro­vi­si­on Song Con­test knapp fünf Jahr­zehn­te zu früh. Voll­kom­men berech­tigt sieg­te die aus St. Gal­len stam­men­de Lie­der­ma­che­rin Simo­ne Dre­xel, die ihren Plat­ten­ver­trag einem 1973 im zar­ten Alter von 16 Jah­ren gewon­ne­nen Talent­wett­be­werb der Jugend­zeit­schrift Bra­vo ver­dank­te. Ihr selbst ver­fass­tes ‘Mika­do’, das mit Text­zei­len wie “Wenn du nur ein­mal einen Feh­ler machst / Dann kommt der nächs­te dran” das gna­den­lo­se Cre­do unse­rer Leis­tungs­ge­sell­schaft kri­ti­sier­te, bedien­te die in Deutsch­land von Julia­ne Wer­ding bespiel­te Nische des sozi­al­kri­ti­schen Schla­gers mit Mit­klatschre­frain. Das aller­dings mit einer Sing­stim­me wie die von Nico­le. Trotz eines guten sechs­ten Plat­zes in Stock­holm und einem Top-Ten-Hit zuhau­se ent­schied sich Frau Dre­xel, die “das nie mit Lie­be und See­le gemacht” hat­te, wie sie Jah­re spä­ter der Pres­se ver­riet, dann gegen eine Schla­ger­kar­rie­re. Heu­te spielt sie als Hob­by in einer Bluesband.

Beim Vor­ent­schei­dungs­auf­tritt klang es fast noch etwas expe­ri­men­tell, in Stock­holm dann run­der. Ob sich Ralph Sie­gel (ich sag­te doch, auf den kom­men wir noch­mal zurück) beim Refrain von ‘Mika­do’ die Inspi­ra­ti­on für ‘Thea­ter’ holte?

Vor­ent­scheid CH 1975

Con­cours Euro­vi­si­on. Frei­tag, 21. Febru­ar 1975, aus dem TSR-Stu­dio in Genf. Sie­ben Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Hei­di Arbel, Mas­chia Can­to­ni, Clau­de Eve­lyn. Drei regio­na­le Zuschau­er­ju­rys (60%), Pres­se­ju­ry (20%), Sen­der­ju­ry (20%).
#Inter­pre­tenSong­ti­telDRSTSRTSIPres­seJuryPlatz
01Peter, Sue & MarcLève-toi Sol­eil020305010202
02I nuo­vi AngeliLiver­pool040603030705
03Hen­ri DèsÉva­si­on070507030607
04Simo­ne DrexelMika­do010102020101
05Pierre AlainNimm den Zug060406030506
06Mari­sa FrigerioRico­min­cia­re050701030304
07Gérald MattheyChan­te avec nous030204030403

Zuletzt aktua­li­siert: 19.05.2023

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