ESC-Fina­le 1980: Was ist schon ein Jahr?

Logo des Eurovision Song Contest 1980
Das trau­ri­ge Jahr

Den Dop­pel­sieg Isra­els in den bei­den Vor­jah­ren hat­ten vie­le Zuschauer/innen mit erbos­tem Gegrum­mel quit­tiert, alber­ne Vor­wür­fe der Preis­klas­se “Alles Poli­tik!” oder “Schie­bung!” lie­ßen nicht lan­ge auf sich war­ten (dass der iri­sche Sie­ges-Hat­trick in den Neun­zi­gern für kei­ner­lei Empö­rung mehr sorg­te, erklärt sich durch das völ­li­ge Des­in­ter­es­se der Medi­en und der Zuschau­er am Euro­vi­si­on Song Con­test in die­sem Zeit­raum). Lehn­te Isra­el des­we­gen die noch­ma­li­ge Aus­tra­gung des Wett­be­werbs ab? Oder fehl­te dem Sen­der IBA schlicht das Geld? Jeden­falls sprang dies­mal nicht, wie sonst üblich, die BBC als Ver­an­stal­ter ein, son­dern die im Vor­jahr zwölft­plat­zier­ten Hol­län­der, die sich die Post­kar­ten zwi­schen den Songs spar­ten und statt­des­sen die Titel von natio­na­len Ansager/innen (in unse­rem Fall: Caro­lin Rei­ber) oder Kom­men­ta­to­ren anmo­de­rie­ren lie­ßen. Die NOS leg­te das Datum der Ver­an­stal­tung auf den Holo­caust-Gedenk­tag, so dass Isra­el auch sei­ne Teil­nah­me am Wett­be­werb absa­gen muss­te: und schon war die Gefahr eines drit­ten Sie­ges in Fol­ge gebannt!

Der Diri­gent Wolf­gang Rödel­ber­ger wur­de doch nur aus­ge­wählt, damit Caro­lin Rei­ber ihm mit rol­len­dem R ansa­gen konn­te! (DE)

Wie schon vor zehn Jah­ren fand die Show also in den Nie­der­lan­den statt, und wie schon vor zehn Jah­ren ging für Deutsch­land Kat­ja Ebstein (DE 1970, 1971, DVE 1975) an den Start. Die berich­te­te im Fed­der­sen-Inter­view, von den Hol­län­dern im Gegen­satz zu ihrem ers­ten Besuch 1970 in Ams­ter­dam, wo man sie im Restau­rant immer als letz­te bedien­te, dies­mal herz­lich und freund­lich behan­delt wor­den zu sein. Da mach­te es sich doch bemerk­bar, dass mitt­ler­wei­le eine Gene­ra­ti­on nach­ge­wach­sen war, wel­che die deut­schen Kriegs­gräu­el nicht mehr unmit­tel­bar am eige­nen Leib erlebt hat­te. Die ent­spann­te Hal­tung den Deut­schen gegen­über schlug sich auch an der Punk­te­ta­fel nie­der. ‘Thea­ter’, ein pro­toy­pi­scher Sie­gel-Schla­ger mit eige­ner Kitsch-Cho­reo­gra­fie, beleg­te einen sen­sa­tio­nel­len zwei­ten Platz. Ein groß­ar­ti­ger Erfolg für die frisch gelif­te­te Sän­ge­rin, der es – wenn­gleich mit wesent­lich inno­va­ti­ve­ren und moder­ne­ren Songs als die­sem belie­bi­gen Zir­kus­ge­säu­sel – zuvor schon zwei Mal gelun­gen war, drit­te Plät­ze für Deutsch­land zu holen. Wahr­lich ein Grund zur Freu­de also! Oder?

Singt er noch oder weint er schon?: John­ny Logan (IE)

Natür­lich nicht, denn typi­scher­wei­se zogen es vie­le der mit­fie­bern­den Deut­schen (Ein­schalt­quo­te: 40%) vor, sich über den ver­pass­ten Sieg zu ärgern: hier­zu­lan­de ist das Glas halt immer halb leer! Den­noch wur­de der Gewin­ner­ti­tel ‘What’s ano­ther Year’ des für Irland gestar­te­ten Aus­tra­li­ers John­ny Logan, genau wie im rest­li­chen Euro­pa (Chart­po­si­tio­nen: #6 NL, #5 AT, #2 CH und DE, #1 in BE, SE, NO und UK), auch bei uns zum Top­hit und bleibt ein ger­ne gehör­ter Ever­green. Logan erfuhr 2012 sogar eine nament­li­che Wür­di­gung im let­ti­schen Euro­vi­si­ons­bei­trag ‘Beau­tiful Song’: Respekt! Unauf­dring­lich, dabei stim­mig und berüh­rend sein Auf­tritt: zu sei­ner herz­zer­rei­ßen­den Tren­nungs­schmerz­bal­la­de (“Was ist schon ein Jahr / Für jeman­den, der kei­ne Zukunft mehr kennt?”, so die nicht min­der trä­nen­trei­ben­de deut­sche Fas­sung) schau­te der ent­fernt an den Kin­der­scho­ko­la­de-Jun­gen erin­nern­de Sän­ger der­ma­ßen waid­wund und ver­zwei­felt in die Kame­ras, dass man gar nicht anders konn­te, als mit ihm zu lei­den – und über die pein­li­chen wei­ßen Damen­le­der­stie­fel mit zehn Zen­ti­me­ter Absatz, die Logan zum John-Tra­vol­ta-Gedächt­nisan­zug trug, gnä­dig hin­weg zu sehen.

Akku­rat übe­setzt: die deut­sche Ver­si­on (IE)

Das rest­li­che Feld bot ein Trash-High­light nach dem ande­ren: unser viel­ge­lieb­tes Nach­bar­land Öster­reich eröff­ne­te den Abend erneut mit einer Ode an die Musik. Natür­lich – wo wäre der Rah­men dafür pas­sen­der als beim Grand Prix? – an die Hoch­kul­tur! Die eigens für den Song Con­test zusam­men­ge­stell­te Ein­weg-Retor­ten­band Blue Danu­be defi­nier­te ‘Du bist Musik’ fol­gen­der­ma­ßen: “Du bist Liszt, Cho­pin, Debus­sy, Cou­perin” (die dazu garan­tiert im Gra­be rotier­ten) bzw. “Du bist ein Bal­lett, ein Kon­zert, Menu­ett”. Das Gan­ze lieb­rei­zend kon­tras­tiert von einer musi­ka­li­schen Pop­so­ße, die als Titel­me­lo­die jeder belie­bi­gen Nach­mit­tags­game­show oder als Fahr­stuhl­be­schal­lung auf Kreuz­fahr­ten hät­te durch­ge­hen kön­nen, und gekrönt von einer Syn­chron­dar­bie­tung, für die Wind (DE 1985, 1987, 1992) ihre Groß­müt­ter ver­kauft hät­ten. Gro­ßes Euro­vi­si­ons­hand­werk mit­hin! Wäh­rend das einst­mals so erfolg­rei­che Mona­co für die nächs­ten 14 Jah­re aus­setz­te (und nach einem drei­ma­li­gen Aus­schei­den in den Semis 2004 bis 2006 ganz aus­stieg), mach­te die Tür­kei wie­der mit und schick­te die Schau­spie­le­rin und Sän­ge­rin Ajda Pek­kan, einen der größ­ten Stars des Landes.

Eine Baga­tel­le, Bana­le: Blue Danu­be (AT)

Sie brach­te eine Lie­bes­er­klä­rung an das ‘Erd­öl’ zu Gehör, vor des­sen För­de­rung nach ihrer Aus­sa­ge die Welt ein dunk­ler und ein­tö­ni­ger Platz gewe­sen sei. Kri­tisch merk­te sie jedoch an, dass der wert­vol­le Stoff ihre Lie­be nicht mehr erwi­de­re, son­dern nur noch von Dol­lars und Mark sprä­che. Ach was! Das ver­fein­de­te, direkt danach auf­tre­ten­de Grie­chen­land ent­sandt eben­falls eines sei­ner Natio­nal­hei­lig­tü­mer, Anni Vis­si (CY 1982, GR 2006), – zur Redu­zie­rung der Rei­se­kos­ten kam sie per ‘Auto-Stop’. Erst- und letzt­ma­lig nahm, die Abwe­sen­heit Isra­els nut­zend, das mus­li­misch gepräg­te, nord­afri­ka­ni­sche Land Marok­ko teil. Der vor­letz­te Platz für den schwer ver­dau­li­chen Eth­no­song ‘Bit­akab Hob’ von Sami­ra Ben­saïd bestä­tig­te ein­drucks­voll, dass mehr als nur das Meer Euro­pa und die Maghreb­staa­ten von­ein­an­der trennt. Ita­li­en schick­te einen Kas­tra­ten namens Alan Sor­ren­ti, der im Vor­jahr mit dem selbst­ge­schrie­be­nen Schleim­schla­ger ‘Tu sei l’u­ni­ca don­na per me’ einen kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­schen Som­mer­hit lan­den konn­te (die unver­meid­li­che Ein­deut­schung ‘Alles was ich brau­che, bist Du’ san­gen Hoff­mann & Hoff­mann [DE 1983]).

Sehr von sich über­zeugt: Alan Sor­ren­ti (IT)

Alan erin­ner­te – vom pracht­vol­len Por­no­bal­ken mal abge­se­hen – nicht nur optisch an Tho­mas Anders (DVE 2007). In einem pas­tell­far­be­nen Over­si­ze-Jacket (falls Sie sich wun­dern: jawohl, in den Acht­zi­gern sahen alle Män­ner schwul aus!) fis­tel­te und fäus­tel­te er sich enthu­si­as­tisch durch sei­nen auf­grund der Drei-Minu­ten-Regel etwas abrupt enden­den, dafür aber mit einer traum­schö­nen Rückung ver­se­he­nen Italo­pop­kra­cher ‘Non so che darei’ – sei­nem nächs­ten (und letz­ten) euro­pa­wei­ten Hit. Um das Gan­ze ein klein wenig zu hete­ro­se­xua­li­sie­ren, beglei­te­ten ihn zwei weib­li­che Models auf der Show-Gitar­re. Für Däne­mark folg­te ein lus­ti­ges sin­gen­des Wal­ross im schlank machen­den Strei­fen­pul­li mit dem spre­chen­den Namen Bam­ses Ven­ner (genau genom­men hieß die Band so: “Bär­chens Freun­de” näm­lich). Sein ‘Tæn­ker altid på dig’ (‘Tan­ker ess ich all­zeit ger­ne’) nahm man dem am Neu­jahrs­mor­gen 2011 an einem Herz­still­stand Ver­stor­be­nen ohne Wei­te­res ab. Für die Schweiz ging erneut Pao­la del Med­ico (CH 1969, DVE 1979, 1982) an den Start: das ‘Ciné­ma’ hat solch eine fade Lie­bes­er­klä­rung sicher nicht verdient.

Der Flö­ten­schlumpf fängt an! (FI)

Die Skan­di­na­vi­er erwor­ben sich erneut Meri­ten im Bereich der unfrei­wil­li­gen Komik: war der schwe­di­sche Sof­tro­cker Tomas Ledin bis auf einen Kung-Fu-Kick mit­ten im Gesangs­vor­trag nicht wei­ter der Erwäh­nung wert, so unter­hielt der fin­ni­sche Kaba­ret­tist Vesa-Mat­ti Loiri durch eine mit­ge­brach­te Quer­flö­te, die er auch vol­ler Stolz vor­zeig­te, wenn er nicht gera­de zwi­schen­drin eine kur­ze Melo­die dar­auf into­nier­te, die ent­fernt an die Umschalt­pau­sen­mu­sik im dama­li­gen ARD-Regio­nal­pro­gramm (älte­re Men­schen wis­sen viel­leicht noch, von was ich rede) erin­ner­te. Beim drit­ten und letz­ten Flö­ten geriet ihm aber hör­bar Spu­cke ins Gerät, was er selbst mit einem ärger­lich-gur­geln­den Grun­zen quit­tier­te. Den abge­fah­rens­ten Bei­trag des Abends lie­fer­te jedoch Nor­we­gen. Zunächst betrat ein Klon von Gun­ter Gabri­el names Sver­re Kjels­berg (†2016) die Büh­ne und sang etwas, das wie die auf­ge­pimp­te Ver­si­on eines tra­di­tio­nel­len nor­di­schen Weih­nachts­lie­des anmu­te­te. Nach nur einer Stro­phe brach er unver­mit­telt ab, denn aus dem Hin­ter­grund gesell­te sich ein schüch­ter­nes Bür­schel­chen in einem pit­to­res­ken Min­ne­sän­ger­kos­tüm namens Mat­tis Hæt­ta zu ihm.

http://www.youtube.com/watch?v=A9xLMWBZh_Q

Da hab ich was Eige­nes, da hab ich mein Jodel­di­plom: Sver­re und Mat­this (NO)

Der hob nun an, ein Man­tra über sei­ne Lie­be zu Lapp­land und die Kraft des Joi­kens zu jodeln, das mit dem so rüde unter­bro­che­nen Weih­nachts­schla­ger nicht das Gerings­te zu tun hat­te. Sver­re schien indes kei­nes­wegs böse ob der Stö­rung, son­dern stimm­te kraft­voll mit ein, und als Krö­nung ver­such­te sich Mat­tis am Ende an einem gesun­ge­nen Fade­out – oder hat­te er schlicht sei­nen Text (“Hej lo lo lelo­le lo le lo lo lelo­ja”) ver­ges­sen? Jeden­falls war das Lied – tat­säch­lich ein Pro­test­song für die poli­ti­sche Auto­no­mie der nord­nor­we­gi­schen Samen – dann aus und die Zuschau­er so baff, dass sie eine Schreck­se­kun­de lang brauch­ten, bis sie sich gefan­gen hat­ten und zögernd applau­dier­ten. Die Jurys zeig­ten sich ähn­lich ver­wirrt: Platz 16. Ein wei­te­res, dies­mal musi­ka­lisch deut­lich ein­gän­gi­ge­res Lob­lied auf die Hei­mat kam von den Gast­ge­bern. Und zwar eines auf deren wun­der­schö­ne und frei­geis­ti­ge Metro­po­le ‘Ams­ter­dam’: “De Stad waar alles kan”, wie jeder Tou­rist nach einem Abste­cher in einen der zahl­rei­chen dor­ti­gen Cof­fee­shops oder in die War­moess­tra­at sicher­lich begeis­tert bestätigt.

Die nie­der­län­di­sche Bet­te Mid­ler: Mag­gie MacNeal

Die wun­der­ba­re Mag­gie Mac­Ne­al trug es kom­pe­tent vor, und bereits hier zeich­ne­te sich im Ver­gleich zu ihrem Auf­tritt von vor sechs Jah­ren, damals noch gemein­sam mit dem Pol­ter­geist Mouth, deut­lich ab, was sich bei ihren heu­ti­gen Gigs als Teil der Dutch Divas bestä­tigt: wie auch ihre Kol­le­gin, die fabel­haf­te Mar­cha (NL 1987, ‘Rech­top in de Wind’), gehört Mag­gie zu den Frau­en, die mit zuneh­men­dem Alter immer bes­ser aus­se­hen! Für ‘Ams­ter­dam’ wäre ver­mut­lich ein bes­se­rer als der erreich­te fünf­te Platz drin gewe­sen, hät­te nicht das hol­län­di­sche Fern­se­hen den Lob­ge­sang durch die Ver­le­gung des Con­tests in die öde Ver­wal­tungs­haupt­stadt Den Haag, dem Düs­sel­dorf der Nie­der­lan­de, Lügen gestraft. Grot­ti­gen Musik- wie Kla­mot­ten­ge­schmack bewie­sen die bei­den heu­ti­gen Big-Five-Län­der Groß­bri­tan­ni­en (die belang­lo­se und selbst zu Hau­se nur Rang 48 der Pop­charts bele­gen­de Ein­weg-Instant-Girl­group Pri­ma­don­na ver­füg­te zwar über ‘Love enough for Two’, aber ein Gar­de­ro­ben­bud­get for a Half) und Frank­reich, des­sen pro­fil­lo­se Ein­weg-Instant-Band Pro­fil in Kos­tü­men steck­te, auf denen über die gesam­te Brei­te des Quin­tetts ein auf­ge­bü­gel­ter Regen­bo­gen prangte.

https://youtu.be/WAiJp-sEDW8

Unrett­bar alt­mo­disch und auch ein biss­chen zäh, aber um Äonen bes­ser als der statt­des­sen ent­sand­te Son­der­müll: Fri­da beim Vor­ent­scheid (FR)

Auch die­ser opti­sche Trick ver­moch­te von der unter­ir­di­schen Güte ihres Bei­trags ‘Hé hé, M’sieurs Dames’, der allen­falls dazu taugt, Jun­kies aus der Bahn­hofs­hal­le zu ver­trei­ben, nicht ablen­ken. Unglaub­li­cher­wei­se konn­te die­ser Schrott in der fran­zö­si­schen Vor­ent­schei­dung die Sie­ge­rin von 1969, die gro­ße Fri­da Boc­ca­ra, abmei­ern, die mit der patrio­ti­schen Bom­bast-Bal­la­de ‘Un Enfant du France’ auf dem fünf­ten Platz lan­de­te. Wie man sieht, lei­den also selbst die Gal­li­er gele­gent­lich unter Geschmacks­be­hin­de­rung. Die Por­tu­gie­sen ver­such­ten mal wie­der, den für sie nach­tei­li­gen, anti­quier­ten Mut­ter­spra­chen­zwang zu umge­hen, in dem sie ihren Vertreter(und wie ein Ver­tre­ter sah er auch aus) José Cid ein fünf­spra­chi­ges Abschieds­lied auf die Lie­be anstim­men ließ: “Addio, adieu, auf Wiederseh’n, good­bye”. Und so wei­ter. Die Stra­te­gie ging auf: es reich­te immer­hin für einen Platz im obe­ren Mit­tel­feld. Wei­ter hin­ten lan­de­te das spa­ni­sche Tri­go Lim­pio, das mit ‘Qué­da­te esta Nocha’ ein Lob­lied auf den guten alten Ver­söh­nungs­sex beisteuerte.

Hier hat­te Ira Losco (MT 2002) also die Idee mit dem Ster­nen­staub her! (BE)

Bel­gi­en bla­mier­te sich nach Lei­bes­kräf­ten mit einer Grup­pe voll­bär­ti­ger Bril­len­kas­per mit dem hip­pen Namen Telex und einem Song namens ‘Euro-Visi­on’, zu dem die Band zwei Syn­the­si­zer und einen schrank­gro­ßen Misch­pult mit auf die Büh­ne brach­te. Ihre Num­mer könn­te man mit sehr viel gutem Wil­len als inter­es­san­te Par­odie auf zeit­geis­ti­ge Grup­pen wie Kraft­werk oder die Bug­gles (‘Video kills the Radio Star’) rezi­pie­ren – oder schlicht als von ein paar Tech­nik-Nerds pro­du­zier­ten, ran­wanz­eri­schen Bil­lig­schrott. Einen wei­te­ren Kult­knal­ler mit insze­na­to­ri­schem Over­kill hat­te der umtrie­bi­ge Ralph Sie­gel, schon damals auf Mas­se statt Klas­se set­zend, für Luxem­burg als Gesamt­kunst­werk ent­wor­fen: ‘Papa Pin­gouin’. Jawohl, lie­be Nach­ge­bo­re­nen: der Kin­der-Zei­chen­trick-Tech­no-Hit aus dem Jah­re 2007 ist in Wahr­heit die Cover­ver­si­on eines Ralph-Sie­gel-Grand-Prix-Lie­des von 1980! Da staunt ihr, was? Dafür steck­te er die blon­den fran­zö­si­schen Zwil­lin­ge Sophie & Maga­li in bon­bon­far­be­ne Cat­suits und ließ sie das schwarz­wei­ße Zoo­tier in einem Mix aus Schla­ger und Kin­der­lied besin­gen. Damit auch der Dümms­te es kapie­re, wat­schel­te ein bedau­erns­wer­ter Mann in einem gigan­ti­schen Pin­guin­kos­tüm über die Büh­ne, und auch die weib­li­chen Backings tru­gen, wie die ark­ti­schen Vögel, einen Frack.

Frisch aus Hagen­becks Tier­park: Sophie & Maga­li (LU)

Ein wenig mit dem Vor­schlag­ham­mer auf­ge­tra­gen, wie immer bei Onkel Ralph, aber den­noch amü­sant! Weni­ger amü­sant endet indes die Geschich­te der bei­den in einer Pari­ser Vor­stadt auf­ge­wach­se­nen und als Models ent­deck­ten Gil­les-Schwes­tern: nach ihrem neun­ten Platz in Den Haag ließ Ralph Sie­gel, der die bei­den Kess­ler-Nach­fol­ge­rin­nen trotz einer Mil­li­on ver­kauf­ter Sin­gles mit ledig­lich 10.000 € abspeis­te, Sophie und Maga­li fal­len. Mit ande­ren Pro­du­zen­ten auf­ge­nom­me­ne Plat­ten flopp­ten. Ende der Acht­zi­ger infi­zier­te sich Maga­li mit HIV und starb im April 1996 an den Fol­gen von Aids. Sophie ver­fiel dar­auf­hin in tie­fe Depres­sio­nen und lebt heu­te zurück­ge­zo­gen in Süd­frank­reich, wo sie die Tage vor dem Fern­se­her ver­bringt, wie eine fran­zö­si­sche TV-Doku­men­ta­ti­on berich­te­te. Kein beson­ders hei­te­rer Abschluss für die­sen eigent­lich doch kul­ti­gen Jahr­gang, ich weiß. Doch es lau­ern halt nicht nur musi­ka­li­sche, son­dern manch­mal auch mensch­li­che Abgrün­de hin­ter der bun­ten Fas­sa­de des schein­bar so hei­te­ren Eurovisionszirkusses.

https://youtu.be/Hv0FgYqGq7M

Mit dem nie­der­län­di­schen Fern­se­hen als Aus­rich­ter des ESC 1980 kehr­te auch das Green­room-Inter­view (mit einer abge­würg­ten Kat­ja Ebstein) wäh­rend des Inter­val-Acts zurück.

Euro­vi­si­on Song Con­test 1980

Euro­vi­sie Song­fes­ti­val. Sams­tag, 19. April 1980, aus dem Kon­gress­ge­bäu­de in Den Haag, Nie­der­lan­de. 19 Teil­neh­mer­län­der, Mode­ra­ti­on: Mar­lous Fluitsma.
#LandInter­pretTitelPunk­tePlatz
01ATBlue Danu­beDu bist Musik06408
02TRAjda Pek­kanPetr’ Oil02315
03GRAnna Vis­siAuto-Stop03013
04LUSophie & MagaliPapa Pin­gouin05609
05MASami­ra BensaidBit­akat Hob00718
06ITAlan Sor­ren­tiNon so che darei08706
07DKBam­ses VennerTæn­ker altid på dig02514
08SETomas LedinJust nu04710
09CHPao­laCiné­ma10404
10FIVesa-Mat­ti LoiriHuilumies00619
11NOSver­re Kjels­berg + Mat­tis HættaSámi­id Ædnan01516
12DEKat­ja EbsteinThea­ter12802
13UKPri­ma DonnaLove enough for Two10603
14PTJosé CidUm gran­de, gran­de Amor07107
15NLMag­gie MacNealAms­ter­dam09305
16FRPro­filHé hé, M’sieurs Dames04511
17IEJohn­ny LoganWhat’s ano­ther Year14301
18ESTri­go LimpioQué­da­te esta Noche03812
19BETelexEuro-Visi­on01417

1 Comment

  • Der “bedau­erns­wer­te Mann” im Pin­gu­ins­kos­tüm ist übri­gens Jean-Paul Cara. Tex­ter des Lie­des und Kom­po­nist von “L’oi­se­au et l’enfant”.

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