Con­cours Euro­vi­si­on 1981: Bit­te stell uns die Ver­bin­dung wie­der her

Im Jah­re 1980 riss den Ver­ant­wort­li­chen des Schwei­zer Fern­se­hens end­gül­tig der Gedulds­fa­den: als der­art grot­ten­schlecht emp­fand man die Qua­li­tät der rund ein­hun­dert ein­ge­sand­ten Lied­vor­schlä­ge für den Con­cours Euro­vi­si­on, dass der Sen­der die bereits für den 12. März 1980 in der sehe­risch benann­ten Dis­ko­thek Black­out in einem 20.000-Seelen-Vorort von Zürich geplan­te Ver­an­stal­tung stor­nier­te und statt­des­sen die All­zweck­waf­fe der hel­ve­ti­schen Unter­hal­tungs­in­dus­trie, Pao­la, beauf­trag­te, beim Grand Prix den Schla­ger ‘Ciné­ma’ vor­zu­tra­gen. Mit über­zeu­gen­dem Ergeb­nis: Platz 4 für den – wie schon etli­che eid­ge­nös­si­sche Euro­vi­si­ons­bei­trä­ge zuvor – von Peter Reber geschrie­be­nen Titel. Trotz des Erfolgs der inter­nen Aus­wahl kehr­te man 1981 wie­der zum öffent­li­chen Wett­be­werb zurück. Die Zwangs­pau­se hat­te Fol­gen: statt über hun­dert tru­del­ten ledig­lich 67 Bewer­bun­gen ein, von denen es gera­de mal sechs in die dies­mal vom fran­zö­sisch­spra­chi­gen Fern­se­hen TSR ver­an­stal­te­te Show schaff­ten. Die man sich im Prin­zip hät­te spa­ren kön­nen: gleich zwei der sechs Lie­der stamm­ten erneut vom schwei­ze­ri­schen Ralph Sie­gel, und wie in den deut­schen Vor­ent­schei­dun­gen die­ser Ära lie­fer­ten sie sich ein Kopf-an-Kopf-Ren­nen, alle ande­ren Konkurrent:innen deklassierend.

Inter­na­tio­na­le Star­gäs­te waren dies­mal Fehl­an­zei­ge. Statt­des­sen füll­te man die unnö­tig lan­ge Sen­de­zeit mit end­lo­sen Bal­lett­ein­la­gen und Magi­ern (gan­ze Show am Stück).

Doch han­deln wir erst­mal die Abtei­lung “fer­ner lie­fen” ab: bei der mit einem Aus­schuss­wa­ren­schla­ger aus der Manu­fak­tur von Gün­ther Loo­se star­ten­den Rose Brown soll­te es sich, wenn ich bei mei­ner Recher­che nicht irgend­wo falsch abge­bo­gen bin, um Rose Ren­gel han­deln, wel­che die Schweiz 1984 als Teil der For­ma­ti­on Rai­ny Day ver­trat. Der in Lau­sanne gebo­re­ne Pas­cal Auber­son amü­sier­te vor allem durch völ­li­ges Über­agie­ren und riss beim Sin­gen den Mund der­ma­ßen sperr­an­gel­weit auf, dass wir ihm prak­tisch bis in den Dick­darm schau­en konn­ten. All die künst­li­che Dra­ma­tik ret­te­te sei­nen selbst kom­po­nier­ten Rohr­kre­pie­rer ‘Com­me l’Eau de la Mer’ jedoch nicht. Bei ihrem Euro­vi­si­ons-Erst­ver­such lan­de­te die als Gabri­el­la Rica­ma­to-Filome­no gebo­re­ne, heu­ti­ge Tanz­schu­len­be­sit­ze­rin Mari­el­la Far­ré mit einer Mischung aus viel Haar und wenig Lied zu Recht noch ganz weit hin­ten. Ire­ne Schwen­di­mann stand bereits 1974 als Chor­sän­ge­rin für Pie­ra Mar­tell auf der Grand-Prix-Büh­ne. Hier trat die zumin­dest optisch schon ein wenig an die sei­ner­zei­ti­ge Kon­kur­ren­tin Ire­en Sheer erin­nern­de Schla­ge­ret­te mit einer selbst geschrie­be­nen Songgur­ke unter dem Namen Ire­en Indra an.

Eine Pri­se ‘Bal­la­de pour Ade­line’, ein Löf­fel­chen ‘Per Eli­sa’ und ganz viel musi­ka­li­scher Leer­lauf, fer­tig ist ‘Io’, der ideen­lee­re Italo­schla­ger von Ire­en Indra.

Pie­ra Mar­tell war auch heu­er zuge­gen: als ein Vier­tel der Ein­weg-Retor­ten­band Swiss Uni­on. Die hat­te der Kom­po­nist Peter Reber eigens als Vehi­kel für sei­nen pos­sier­li­chen Ban­jo-Schla­ger ‘San Got­tar­do’ gegrün­det, dem wohl mit wei­tem Abstand kul­tigs­ten Vor­ent­schei­dungs-Kult­kra­cher aller Zei­ten und Natio­nen. Das unfass­bar süf­fi­ge und selbst­ver­ständ­lich mit einer Rückung bestück­te Werk sang das stolz­ge­schwell­te Lob­lied auf den 1882 eröff­ne­ten, 15 Kilo­me­ter lan­gen Gott­hard­tun­nel, einem für die Schweizer:innen augen­schein­lich Natio­nal­ge­fühl stif­ten­den Bau­werk, das der­einst als ers­tes sei­ner Art “die Ver­bin­dung” aus dem “hohen Nor­den in den Süden an das Meer” her­stell­te. Unter exor­bi­tan­tem Blut­zoll, wie ihn auch das 2016 gedreh­te, drei­stün­di­ge His­to­ri­en­dra­ma Gott­hard, eine 11 Mil­lio­nen Fran­ken teu­re und abso­lut sehens­wer­te Gemein­schafts­pro­duk­ti­on von SRF, ZDF und ORF, the­ma­ti­sier­te: knapp 200 Arbei­ter lie­ßen wäh­rend der neun­jäh­ri­gen Bau­zeit ihr Leben. Ein bit­te­rer Bei­geschmack, den die Swiss Uni­on als “doch der Preis war hoch” schla­ger­ge­recht über­zu­ckert eben­falls wür­digt. Was im star­ken ästhe­ti­schen Kon­trast zur mun­te­ren Auf­ge­trie­delt­heit und dem über­bor­den­den Dur-Opti­mis­mus der Musik erst den abso­lut unschlag­ba­ren Camp-Fak­tor von ‘San Got­tar­do’ erzeugt.

Gun­ter Gabri­el trifft Abba: wenn jemals ein Lied die Bezeich­nung “Kult­schla­ger” ver­dien­te, dann das Tun­nel­bau­dra­ma ‘San Gottardo’.

In der Publi­kums­ab­stim­mung unter den jeweils 500 hand­ver­le­se­nen Zuschauer:innen der Deutsch­schweiz und der Roman­die führ­te das von an die­sem Abend gleich zwei­fach im Ein­satz befind­li­chen Schnauz­bart­trä­ger Marc Diet­rich gesang­lich eben­falls mit betreu­te Mach­werk, und zwar natür­lich völ­lig zu Recht. Doch die Spaß­brem­sen der Sen­der­ju­ry, wel­che es vor­sätz­lich her­un­ter vote­ten, lie­ßen in Gemein­schafts­ar­beit mit der Pres­se und den Anrufer:innen aus dem Tes­sin den Tun­nel ein­stür­zen: sie votier­ten statt­des­sen für den zwei­ten Reber­schen Bei­trag, näm­lich den zuge­ge­be­ner­ma­ßen sehr sämi­gen Italo­schla­ger ‘Io sen­za te’, vom Peter­le gemein­sam mit Sue Schell und dem meist­be­schäf­tig­ten Marc mit viel Hin­ga­be prä­sen­tiert. Nun waren die frü­hen Acht­zi­ger ohne­hin die Hoch­pha­se für Musik aus dem Stie­fel­land: 1981 soll­ten sowohl Ali­ces ‘Per Eli­sa’ als auch das fan­tas­ti­sche ‘Male­det­ta Pri­ma­ve­ra’ von Loret­ta Gog­gi die Charts im deutsch­spra­chi­gen Raum auf­rol­len, um nur zwei Bei­spie­le zu nen­nen. Da mach­te die­ser Sieg durch­aus Sinn, der dem nur kur­ze Zeit spä­ter auf­ge­lös­ten Schwei­zer ESC-Trio sei­ne vier­te und letz­te Grand-Prix-Teil­nah­me bescher­te und für die meis­ten Fans wohl ihr schöns­tes Lied dar­stellt. Ein erneu­ter vier­ter Platz in Dub­lin bestä­tig­te letz­ten Endes die Wahl. Die ich natür­lich den­noch anders getrof­fen hätte.

Viel Platz zwi­schen den Zäh­nen des uner­müd­li­chen Marc Diet­rich, hier in einem beson­ders scheuß­li­chen Blou­son in horn­haut-umbra im Ein­satz für den schmal­zi­gen, aber wun­der­schö­nen Schmachtrie­men ‘Io sen­za te’. Und irgend­wie hab ich jetzt Bock auf Farfalle-Nudeln.

Vor­ent­scheid CH 1981

Con­cours Euro­vi­si­on. Sams­tag, 21. Febru­ar 1981, aus dem Pal­la­di­um in Genf. Sechs Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Jean-Pierre Pas­to­ri. Drei regio­na­le Publi­kums­ju­rys, Pres­se­ju­ry, Sen­der­ju­ry (je 20%).
#Inter­pre­tenSong­ti­telDRSTSRTSIPres­seJuryPunk­tePlatz
01Peter, Sue & MarcIo sen­za te04050707073001
02Rose BrownDu fehlst mir03020301041305
03Pas­cal AubersonCom­me l’Eau de la Mer02040203051604
04Ire­en IndraIo05040504032103
05Swiss Uni­onSan Got­tar­do07070405022502
06Mari­el­la FarréUna Cosa meravigliosa01010102010606

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 20.05.2023

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