Öster­reich 1981: Alles fad und leer

Dem Sän­ger wur­de auch wei­ter das Ver­trau­en aus­ge­spro­chen,” so skiz­ziert die Autorin Chris­ti­ne Ehr­hardt in dem sehr lesens­wer­ten Sam­mel­band Euro­vi­si­on Song Con­test: Eine klei­ne Geschich­te zwi­schen Kör­per, Geschlecht und Nati­on die Stim­mung in den öster­rei­chi­schen Medi­en im Vor­feld des aller­ers­ten zwei­ten öffent­li­chen Grand-Prix-Vor­ent­scheids unse­rer wun­der­ba­ren Nach­bar­na­ti­on im Früh­jahr 1981. Bei dem der­ge­stalt Ver­trau­ens­wür­di­gen han­del­te es sich um den dama­li­gen Twen Mar­ty (gebür­tig: Mar­tin) Brem, der im Vor­jahr beim Wett­be­werb in Den Haag als Teil der eigens für den Con­test zusam­men­ge­stell­ten Retor­ten­for­ma­ti­on Blue Danu­be (‘Du bist Musik’) gemein­sam mit Marc Ber­ry und wei­te­ren Mit­strei­te­rin­nen den ach­ten Rang ersun­gen hat­te: nicht das bis­lang bes­te öster­rei­chi­sche Ergeb­nis, aber auch nicht das schlech­tes­te. Eine “ehren­vol­le” Plat­zie­rung, wie das auf­la­gen­star­ke hei­mi­sche Schund­blatt Kro­nen-Zei­tung wohl­wol­lend urteil­te, und da sich das Quin­tett nach einer bei Ralph Sie­gels Plat­ten­la­bel Jupi­ter Records ver­öf­fent­lich­ten, kom­mer­zi­ell wenig ertrag­rei­chen Nach­fol­ge­sin­gle bereits wie­der auf­ge­löst hat­te, nomi­nier­te der ORF Brem solo als Reprä­sen­tan­ten der ehe­ma­li­gen Donau­mon­ar­chie. Über sei­nen Bei­trag jedoch durf­ten erst­mals die Zuschauer:innen ent­schei­den, was einer klei­nen Revo­lu­ti­on gleichkam.

Komm, wir sty­len ihn ein­fach noch ein biss­chen mehr auf John­ny Logan, dann ist der Sieg unser”: Mar­ty Brem im Videoclip.

Denn bis dato bestimm­te der seit 1957 mit klei­ne­ren Schmoll­pau­sen zwi­schen­drin mehr oder min­der regel­mä­ßig beim euro­päi­schen Bewerb teil­neh­men­de Sen­der sowohl Künstler:in als auch Song stets voll­kom­men allei­ne (bezie­hungs­wei­se, anno 1962, die Jury). Um das hei­mi­sche Publi­kum nicht gleich zu sehr zu über­for­dern, begrenz­te man die Aus­wahl auf ledig­lich drei Schla­ger­chen (von denen die bei­den unter­le­ge­nen mitt­ler­wei­le voll­stän­dig im Orkus des Ver­ges­sens ver­schol­len sind), unter wel­chen die Zuschauer:innen per Post­kar­te aus­wäh­len durf­ten. Und sie votier­ten mit abso­lu­ter Mehr­heit, näm­lich mit 51% der abge­ge­be­nen Stim­men, für das völ­lig kraft- und saft­lo­se Lied­lein ‘Wenn du da bist’, wel­ches eine sump­fig mäan­dern­de Fahr­stuhl­mu­sik mit einer lyrisch zwi­schen zag­haft-ver­ängs­tig­tem Froh­lo­cken und hoff­nungs­lo­ser Welt­un­ter­gangs­stim­mung manisch chan­gie­ren­den Melan­cho­lie ver­quick­te. Im offi­zi­el­len, sich selbst­ver­ständ­lich mit Auf­nah­men vom Rie­sen­rad im Wie­ner Pra­ter geo­gra­fisch klar ver­or­ten­den Video­clip prä­sen­tier­te sich der “John Tra­vol­ta Öster­reichs” (Kro­ne) stil­echt mit auf­ge­knüpf­tem Hemd und beein­dru­cken­der Brust­be­haa­rung, was der Num­mer aber auch kei­nen zusätz­li­chen Biss verlieh.

Gut abge­si­chert gegen den anti­zi­pier­ten Absturz: Mar­tys Begleit­sän­ge­rin bau­te klug vor.

In Dub­lin erziel­te der öster­rei­chi­sche Bei­trag Auf­merk­sam­keit haupt­säch­lich durch die bizar­ren Kos­tü­mie­run­gen und Tanz­dar­bie­tun­gen von Mar­tys Beglei­te­rin­nen. Man frag­te sich aller­dings weni­ger, was uns der Cho­reo­graf mit deren abstru­sen Ver­ren­kun­gen wohl sagen woll­te, son­dern eher, wel­che Kräu­ter die da in in der Alpen­re­pu­blik so rau­chen. Die Jurys zeig­ten sich wenig erbaut: Platz 17, bei zwan­zig Teil­neh­mer­län­dern. Das Ver­trau­en sei­ner Mitbürger:innen ver­lor der Sän­ger den­noch auch wei­ter­hin nicht: sei­ner­zeit begriff man Chris­ti­ne Ehr­hardt zufol­ge die “Ergeb­nis­se beim Song Con­test als Glücks­spiel”, als qua­si zufäl­lig aus­ge­wür­fel­te Zahl. Was ja ange­le­gent­lich durch­aus zutraf. Mar­ty wand­te sich dem New Wave und Punk zu, 1986 steu­er­te er drei Lie­der zum Sound­track der Film­kla­mot­te Mül­lers Büro bei. Mit Jobs als Musik­jour­na­list, im Mar­ke­ting ver­schie­de­ner Plat­ten­la­bels und zuletzt als Musik­chef im Medi­en­haus von Red Bull blieb er der Pro­fes­si­on ver­bun­den. 2011, drei­ßig Jah­re nach sei­nem Solo-Auf­tritt auf den Bret­tern, die die Welt bedeu­ten, sang er sei­ne Num­mer in einer Akus­tik­gi­tar­ren­va­ri­an­te noch ein­mal bei einem Fan­club­tref­fen des OGAE Deutsch­land in Mün­chen. Und sie­he da: befreit vom ziel­lo­sen musi­ka­li­schen Bom­bast der Ori­gi­nal­fas­sung klang die­se Fas­sung sogar ganz erträglich.

Weni­ger ist mehr: was für das Haupt­haar gilt, trifft auch auf das Musik­bett von ‘Wenn du da bist’ zu.

Vor­ent­scheid AT 1981

Don­ners­tag, 26. Febru­ar 1981, aus den ORF Stu­di­os in Wien. Ein Teil­neh­mer. Moderation: -.
#Inter­pre­tenSong­ti­telPost­kar­tenPlatz
01Mar­ty BremUnd ich singe14%03
02Mar­ty BremWenn du da bist51%01
03Mar­ty BremClown35%02

Zuletzt aktua­li­siert: 18.09.2023

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