ESC-Fina­le 1982: Mei­ne Lie­der, die ändern nicht viel

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Das Jahr des Bruchs

1982: eine magi­sche Zahl für Deutsch­land, ein natio­na­les Trau­ma. Nicht nur, weil sich damals ein bir­nen­för­mi­ger Oggers­hei­mer anschick­te, das Land mit einer sech­zehn Jah­re wäh­ren­den Schre­ckens­herr­schaft zu über­zie­hen. Viel wich­ti­ger: wir gewan­nen den Grand Prix! Zum ers­ten – und, wie ich bis zum 29. Mai 2010, als Lena Mey­er-Land­rut die Wach­ab­lö­sung voll­zog und die Ära Sie­gel been­de­te, fest glaub­te, auch zum letz­ten – Mal. Der Con­test zog von den bis­her meist als Aus­tra­gungs­ort aus­ge­wähl­ten Haupt­städ­ten in die tiefs­te bri­ti­sche Pro­vinz nach Horr­or­ga­te Har­ro­ga­te. Wie pas­send, denn pro­vin­zi­ell mute­te auch das musi­ka­li­sche Auf­ge­bot an.

https://youtu.be/KhA1VMHB0HQ

Alber­ne Rin­gel­rei­hen vor Neon-Kulis­se: der ESC 1982

Den Auf­takt mach­te der wohl flot­tes­te und tanz­bars­te por­tu­gie­si­sche Bei­trag der Con­test­ge­schich­te. Das laut­ma­le­ri­sche ‘Bem Bom’, von der BBC für die eng­lisch­spra­chi­gen Zuschau­er hilf­reich in ‘Bim Bom’ über­setzt, dient noch heu­te bei jeder Euro­vi­si­ons­dis­co als unfehl­ba­rer Tanz­flä­chen­fül­ler. Die schlech­te Plat­zie­rung (#13) ist womög­lich der kar­ne­val­esken Kos­tü­mie­rung des Damen­quar­tetts Doce (und ihres Diri­gen­ten!) zu ver­dan­ken, die wohl beim Aus­ver­kauf im Thea­ter­fun­dus zuschlu­gen – nach der Abset­zung des Stücks Der gestie­fel­te Kater. Oder lag es an der vom BBC-Orches­ter errich­te­ten “gigan­ti­schen Mau­er aus Käse” (Tim Moo­re), gegen wel­che es sämt­li­che Teilnehmer/innen die­ses Abends schwer hat­ten, anzu­sin­gen? Immer­hin: gegen­über 1978, wo die Hälf­te der Doce-Mit­glie­de­rin­nen noch unter dem Namen Gemi­ni (‘Da-li-dou’) antra­ten, ver­bes­ser­te sich das Land um vier Ränge.

Wie lan­ge die BBC wohl an der Titel­über­set­zung arbei­te­te? (PT)

https://youtu.be/9w6wvKUI49Q

Noch im sel­ben Jahr ver­öf­fent­lich­ten Doce eine sehe­ri­sche, vor­ge­zo­ge­ne Hom­mage an die öster­rei­chi­sche ESC-Kai­se­rin von 2014, Con­chi­ta Wurst

Wo wir gera­de in 1978 sind: der berüch­tig­te nor­we­gi­sche Nil­poin­ter Jahn Tei­gen gab heu­er gemein­sam mit Ehe­frau Ani­ta Skor­gan (ESC 1979) mit ‘Adieu’ sei­ne Abschieds­vor­stel­lung. Ist geflun­kert: Jahn kam im nächs­ten Jahr noch­mal zurück, mit sei­nem Gespons als Back­ing. Erst die Ben­diks, dann die Tei­gens: in Nor­we­gen bleibt der Grand Prix in der Fami­lie! Auf nur einen Euro­vi­si­ons­auf­tritt für sein Hei­mat­land brach­te es hin­ge­gen der Tür­ke Neço. Eigent­lich scha­de, denn der Musi­cal­sän­ger (‘Hair’) leg­te hier einen der schwuls­ten Auf­trit­te der Grand-Prix-Geschich­te hin! Auch wenn man sein Out­fit, ein wei­ßes Sak­ko mit auf­lie­gen­dem gol­de­nen Hüft­gür­tel, sowie sei­nen schlim­men Mit­tel­schei­tel der dama­li­gen Mode zurech­net: so ver­rä­te­risch, wie Neço zu sei­nem besin­nungs­los bil­li­gen Syn­thie-Stück ‘Hani?’ (‘Wo?’) über die Büh­ne zuck­te und tuck­te, blie­ben kei­ne Fra­gen offen! Schön auch die eins zu eins bei den Vor­jah­res­sie­gern Bucks Fizz abge­schau­te Han­do­gra­phy sei­ner Backgroundsängerinnen.

Eine Zehn auf der Hal­dor-Læg­reid-Ska­la: Neço (TR)

Das Ver­ei­nig­te König­reich schick­te ein wei­te­res (deut­lich kurz­le­bi­ge­res) Retor­ten­pro­jekt unter Mit­wir­kung von Sal­ly Ann Tri­plet (Pri­ma­don­na, UK 1980). Bar­do nah­men sich eben­falls die mit sexu­el­len Kon­no­ta­tio­nen auf­ge­la­de­ne Show ihrer Vor­gän­ger zum Vor­bild, über­bo­ten die­se in Sachen Vul­ga­ri­tät aber um ein Viel­fa­ches. Zwar fie­len hier kei­ne Röcke, dafür prob­te das geklont aus­se­hen­de Mann-Frau-Duo der­ma­ßen vie­le Dry-Hum­ping-Posen, dass man nur dar­auf war­te­te, wann sie end­lich über­ein­an­der her­fie­len. ‘One Step fur­ther’ führ­te uns das in der Tat: an den kul­tu­rel­len Abgrund! Mit dem kif­fen­den Fin­nen Timo Kojo trat ein wei­te­rer sin­gen­der Pazi­fist an. Doch sei­ne musi­ka­lisch chao­ti­sche, flam­men­de Ankla­ge mit dem Titel ‘Nuku Pom­mi­in’ erwies sich als viel zu poli­tisch und direkt. Dazu noch wirk­te der grim­mi­ge Fin­ne am Bild­schirm eher wie jemand, dem man zutrau­te, die Bom­be zu zün­den, anstatt sie wie Nico­le mit der rei­nen Kraft ihres unschul­di­gen Her­zens und ihrer Zau­ber­gi­tar­re wegzusingen.

Da zuckt der Unter­leib ohne Unter­lass: Bri­git­te Bar­do (UK)

Der blon­de Hüne, der sich wäh­rend sei­nes Gesangs­vor­trags mehr­fach an den Schä­del klopf­te und die­sen mit einem Schnar­chen been­de­te, ern­te­te null Punk­te. Was er aber, wie Tim Moo­re erleich­tert berich­ten konn­te, deut­lich gelas­se­ner auf­nahm als der nor­we­gi­sche Vor­jah­res-Nil­poin­ter Finn Kal­vik. Immer­hin wird noch heu­te in Finn­land ein 0:0 bei einem Eis­ho­ckey­spiel als “Kojo-Kojo” ange­sagt: auch ein Weg zum Ruhm! Bes­ser schnitt die Eid­ge­nos­sin Arlet­te Zola (ein Name wie ein Hüt­ten­kä­se) ab, wobei mir nicht klar ist, war­um. An ihrem Koch­topf­schnitt kann es nicht gele­gen haben, und ihr Lied, das bereits 1979 am Schwei­zer Vor­ent­scheid teil­neh­men soll­te (was aber nicht ging, weil dem dama­li­gen Inter­pre­ten Alain Mori­sod kurz­fris­tig die Backings abhan­den kamen) und das dann drei Jah­re auf Hal­de lag, war ein­fach nur ster­bens­öde. Zum zwei­ten Mal star­te­te die groß­ar­ti­ge Anna Vis­si (GR 1980, 2006), dies­mal aller­dings für ihre Hei­mat Zypern.

Das Kleid ist schwarz-weiß (ach was!): Anna Vis­si (CY)

Denn Grie­chen­land zog sei­nen bereits aus­ge­wähl­ten Bei­trag ‘Saran­ta­pen­te Kope­lies’ auf Wei­sung sei­ner dama­li­gen Kul­tus­mi­nis­te­rin, der ehe­ma­li­gen Schau­spie­le­rin (‘Sonn­tags… nie!’) und Sän­ge­rin (‘Ein Schiff wird kom­men’) Melina Mer­cou­ri, zurück. Über das War­um gehen die Anga­ben aus­ein­an­der: die einen sagen, weil der Titel kei­ne Neu­schöp­fung, son­dern an ein grie­chi­sches Volks­lied ange­lehnt sei, ande­re Quel­len spre­chen davon, dass Mer­cou­ri den Euro­vi­si­on Song Con­test als “schreck­lich” emp­fun­den habe und die Hel­le­nen dort gene­rell nicht mit­tun soll­ten. Tat­säch­lich ver­zich­te­te das Land auch 1984 und 1986 auf die Teil­nah­me. Neben Grie­chen­land glänz­ten auch Ita­li­en und Frank­reich mit Abwe­sen­heit – letz­te­res ganz ohne Toter-Prä­si­dent-Aus­re­de, son­dern aus purer Unlust: der Con­test sei ein “Monu­ment des Schwach­sinns”, so der gal­li­sche Euro­vi­si­ons­ver­ant­wort­li­che. Annas Vis­sys Hym­ne an die Lie­be, ‘Mono i Aga­pi’, mag getrost als (wenn auch etwas sprö­de) Reve­renz an das text­lich wie musi­ka­lisch ähn­li­che deut­sche ‘Nur die Lie­be lässt uns leben’ von 1972 durchgehen.

What a Mess! (AT)

Kör­per­zel­len-Rock für Nicht­sän­ge­rin­nen und ‑sän­ger von Micha­el Scheikl (Mess)

Völ­lig abstrus hin­ge­gen die eng­li­sche Über­set­zung ihres Lie­des, ‘Love is a lonely Weekend’. Lie­be ist also wie zwei freie Tage vol­ler Ein­sam­keit? Wenn Du da eben noch mal drü­ber­ge­hen möch­test, Anna? Unter dem hoch ori­gi­nel­len Grup­pen­na­men Chips tra­ten die von Con­nais­seu­ren des gepfleg­ten Schwe­den­schla­gers hoch­ver­ehr­ten Bet­tan (Eli­sa­beth Andre­as­sen) & Kikki (Dani­els­son) an, die bei­de auch 1985 wie­der auf der Grand-Prix-Büh­ne ste­hen soll­ten – Bet­tan (NO 1994, 1996) dann als Teil des sieg­rei­chen nor­we­gi­schen Duos Bob­by­socks. Ihr dies­jäh­ri­ger Rock’n’Roll-Schlager ‘Dag efter Dag’ woll­te zwei Din­ge auf ein­mal sein: abbaesk und bucks­fiz­zig. Und blieb dabei doch schal und farb­los, auch wenn Kikki & Bet­tan in kräf­ti­gem Baby­blau und Baby­ro­sa per­form­ten. Es folg­te ein Kult­knal­ler des schlech­ten Geschmacks: das öster­rei­chi­sche Duo Mess (welch spre­chen­der Name, vor allem in Har­ro­ga­te!), optisch ein wei­te­res schief­ge­gan­ge­nes Expe­ri­ment aus dem Klon­la­bor, tanz­te zu sei­nem besin­nungs­los bil­li­gen Syn­thie­schla­ger ‘Sonn­tag’ eine aero­bicin­spi­rier­te Hochleistungschoreografie.

Tag auf Tag nur Chips, das macht fett! (SE)

Und das, ohne hör­bar außer Pus­te zu gera­ten! Micha­el Scheikl, der männ­li­che Teil des Duos, das beim Vor­ent­scheid neben dem gemein­sa­men Song auch jeweils mit einem Solo-Titel ange­tre­ten war, grins­te sogar die gan­ze Zeit über wie ein Honig­ku­chen­pferd. Und das trotz des text­li­chen Dünn­pfiffs, den er da sin­gen muss­te. Das debi­le Grin­sen hat er bis heu­te nicht ver­lernt: ihm ver­dan­ken wir den noch kul­ti­ge­ren Eso­te­rik-Knal­ler ‘Jede Zel­le mei­nes Kör­pers ist glück­lich’. Mit dem von ihm ver­fass­ten Selbst­hei­lungs-Man­tra und der dazu­ge­hö­ri­gen, “ener­gie­mo­bi­li­sie­ren­den” Mit­mach-Cho­reo­gra­fie zieht Scheikl die­ser Tage durch die Lan­de und leicht­gläu­bi­gen Men­schen das Geld aus der Tasche. Mei­nen Respekt! Die bel­gi­sche Ver­tre­te­rin Stel­la Maes­sen, mit ihren bei­den Schwes­tern bereits 1970 als hol­län­di­sches Quar­tett Hearts of Soul und 1977 als bel­gi­sche Dis­co-Com­bo Dream Express am Start, hat­te end­lich ihren Solo­auf­tritt und sich dafür eine hüb­sche Löwen­mäh­ne zuge­legt, die sie mit einem Sträuß­chen Schlei­er­kraut noch frisch und fein deko­rier­te (fie­ser Kom­men­tar von Ter­ry Wogan: “Das ist der schlimms­te Fall von Schup­pen, den ich jemals gese­hen habe”).

Vom Flo­ris­ten fri­siert: Stel­la (BE)

Bei ihrem lei­der fünf Jah­re zu spät kom­men­den, dis­co­tas­ti­schen ‘Si tu aimes ma Musi­que’ bedien­te sie sich zwar eines eher pho­ne­tisch antrai­nier­ten Fran­zö­sischs, das jedoch bei wei­tem nicht so grot­tig klang wie wei­land bei Bac­ca­ra (LU 1978) mit ihrem eher iro­nisch beti­tel­ten ‘Par­lez-vous Fran­çais?’. Trotz des sprach­li­chen Han­di­caps trug also Stel­la ihren pos­sier­li­chen Dis­co­schla­ger sehr über­zeu­gend vor. Ihren vier­ten Rang emp­fand sie womög­lich nicht als ange­mes­se­ne Ent­loh­nung ihrer Mühen, und so lau­te­te die deut­sche Fas­sung ihres Bei­trags dann auch ‘Tut mir leid, dass ich wei­ne’. Och, Armes! Wie schon Por­tu­gal ver­such­ten es auch Däne­mark (Brixx, ‘Video Video’) und Jugo­sla­wi­en (Aska, ‘Halo, halo’) mit kur­zen Grup­pen­na­men, inter­na­tio­nal ver­ständ­li­chen Laut­ma­le­rei­en und Syn­chront­anz, füg­ten damit dem Abend aber nichts Sub­stan­zi­el­les hin­zu. Außer der ban­gen Fra­ge, ob es sich bei den doch extrem herb wir­ken­den Ser­bin­nen (eine von ihnen, Izol­da Baru­dži­ja, ver­trat Jugo­sla­wi­en erneut 1984 mit dem Italo­schla­ger ‘Ciao, Amo­re’) gar um Tran­sen handelte?

https://youtu.be/HiAKxYx4Yqo

Die Vor­bil­der für Sest­re (SI 2002): Aska (YU)

Die im Gegen­satz hier­zu hin­rei­ßend schö­ne Spa­nie­rin Lucía tat (in Beglei­tung eines hin­rei­ßend schö­nen Tän­zers) in Har­ro­ga­te Uner­hör­tes: sie trat mit einem Tan­go an, bekannt­lich der Natio­nal­tanz Argen­ti­ni­ens, mit dem sich Groß­bri­tan­ni­en gera­de im Krieg um die Falk­land-Inseln befand. Ges­te der Soli­da­ri­tät mit den latein­ame­ri­ka­ni­schen Brü­dern und Schwes­tern oder geziel­te Pro­vo­ka­ti­on? ‘Él’ lan­de­te auf Platz 10. Auf den berech­tig­ten zwei­ten Rang schaff­te es hin­ge­gen der wie ein sin­gen­der Buch­hal­ter aus­se­hen­de Avi Toled­a­no mit der schwung­vol­len Kib­buz-Dis­co-Num­mer ‘Hora’, eben­falls ein Grand-Prix-Klas­si­ker und unfehl­ba­rer Tanz­flä­chen­fül­ler bei der Euro­vi­si­ons­dis­co. Und auch, wenn der Song­ti­tel nicht das bedeu­tet, was Sie jetzt gera­de wie­der den­ken (Sie altes Fer­kel!): etwas Anzüg­li­ches hat­te es schon, wie Avi zum Auf­takt erst mal “Hora! Hora! Hora!” in die Men­ge schrie. Erstaun­lich übri­gens, dass man die Stim­men der wirk­lich extrem enthu­si­as­tisch tan­zen­den Backings im Refrain so gut ver­stand, obwohl ihre Mikros so weit ent­fernt am Büh­nen­rand stan­den – und sie eines davon auch noch umstießen!

Paten­tier­ter israe­li­scher For­ma­ti­ons­tanz™ at its best! (IL)

Und dann kam sie. Als letz­te Teil­neh­me­rin des Abends (wie schon beim Vor­ent­scheid in Mün­chen) setz­te Nico­le einen opti­schen wie musi­ka­li­schen Kon­tra­punkt zu all dem vor­an­ge­gan­ge­nen Flit­ter, den pas­tell­far­be­nen Aero­bic-Kla­mot­ten (selbst die bri­ti­sche Mode­ra­to­rin Jan Lee­ming trug ein Glit­zer­stirn­band!), Syn­chrontän­zen und plas­tik­ar­ti­gen Syn­thie-Melo­dien. Als “block­flö­ten­haft” und “katho­lisch” beschrieb die Pres­se ihren Auf­tritt, und das ist wahr. Bom­ben­fest auf dem Bar­ho­cker instal­liert, fast hin­ter ihrer gigan­ti­schen, unschulds­wei­ßen Lager­feu­er­gi­tar­re ver­schwin­dend, pieps­te sie ihr naiv unpo­li­ti­sches, gera­de des­we­gen aber von der schwei­gen­den Mehr­heit unein­ge­schränkt geteil­tes Gebet für ‘Ein biss­chen Frie­den’ her­aus. Weni­ger als vier­zig Jah­re nach dem Ende des von Deutsch­land ange­zet­tel­ten bar­ba­ri­schen Ver­nich­tungs­krie­ges, der in ganz Euro­pa rund 60 Mil­lio­nen Men­schen­le­ben for­der­te, signa­li­sier­te unser bra­ver saar­län­di­scher Frie­dens­en­gel augen­schein­lich glaub­haft, dass von den Deut­schen kei­ne Gefahr mehr aus­gin­ge. Und erober­te so die Her­zen der Zuschauer/innen (und, wich­ti­ger noch, der Juro­ren) im Sturm.

Ver­än­der­te die Wahr­neh­mung Deutsch­lands in Euro­pa: Nico­le (DE)

Die Dou­ze-Points-Wer­tun­gen flo­gen nur so her­ein – wes­we­gen es um so nega­ti­ver auf­fiel, dass wir aus Öster­reich nur einen ein­zi­gen Zäh­ler erhiel­ten. Ein his­to­ri­scher Umstand, den eiser­ne Grand-Prix-Fans den Schluch­ten­ka­ckern bis heu­te nicht ver­zie­hen haben. Doch egal, Nico­le gewann letzt­end­lich mit dem bis dahin größ­ten Punk­te­vor­sprung – ein Rekord, den erst Alex­an­der Rybak 2009 ein­stel­len konn­te. Nicht unbe­dingt ein Wun­der ange­sichts der mehr als dürf­ti­gen Kon­kur­renz – den­noch: ein über­wäl­ti­gen­der Erfolg. Dass sie bei der Sie­ger­re­pri­se ihr Lied auch noch (angeb­lich “spon­tan”) stro­phen­wei­se in Hol­län­disch, Eng­lisch und Fran­zö­sisch sang, trug ihr aner­ken­nen­den Sze­nen­ap­plaus ein und erwei­ter­te den neu­en Sym­pa­thie­bo­nus für die Deut­schen von fried­voll auf poly­glott. Zudem erwies sich die­ser Kniff für den Abver­kauf der bereits pro­du­zier­ten fremd­spra­chi­gen Fas­sun­gen ihrer Sin­gle, die es sogar – sonst für Deut­sche undenk­bar! – bis an die Spit­ze der bri­ti­schen Hit­pa­ra­de schaff­te, nicht gera­de als hinderlich.

Spon­ta­ner Ein­fall oder cle­ve­res Mar­ke­ting? Nico­le bei der Siegerreprise

Sie erreich­te die #1 eben­falls in Öster­reich, der Schweiz, Irland, den Nie­der­lan­den, Schwe­den und Nor­we­gen. Ins­ge­samt ver­kauf­te sie über 5 Mil­lio­nen Ein­hei­ten und lie­fer­te damit einen der erfolg­reichs­ten Euro­vi­si­ons­ti­tel aller Zei­ten ab. Auch zu Hau­se in Deutsch­land blo­ckier­te die Saar­län­de­rin wochen­lang gewalt­frei die Num­mer Eins der Charts. ‘Ein biss­chen Frie­den’, in sei­ner Außen­wir­kung ein kaum zu unter­schät­zen­der kul­tu­rel­ler Mei­len­stein für unser Land und der unbe­streit­bar größ­te künst­le­ri­sche Erfolg des Grand-Prix-Abhän­gi­gen Ralph Sie­gel, mar­kiert zugleich des­sen schöp­fe­ri­schen Zenit. Sowie den nicht mehr zu kit­ten­den Bruch der Gene­ra­tio­nen bei Euro­pas größ­tem Musik­fes­ti­val: freu­ten sich die älte­ren und kon­ser­va­ti­ve­ren Deut­schen unein­ge­schränkt über den über­ra­gen­den Tri­umph, so ergoss sich aus den Rei­hen der pro­gres­si­ve­ren Jugend Häme und Ableh­nung über Nico­les Lied, wel­ches als geziel­te Pro­vo­ka­ti­on der links­al­ter­na­ti­ven Frie­dens­be­we­gung begrif­fen wur­de. Damit stell­te sich der Grand Prix bei den Jün­ge­ren end­gül­tig ins gesell­schaft­li­che Abseits. Woll­te man nicht als gest­rig gel­ten, durf­te man ihn für die nächs­ten 15 Jah­re nur noch heim­lich schauen.

Wer war die wür­di­ge­re deut­sche Sie­ge­rin? Den­nis & Jes­ko bat­teln es aus

Euro­vi­si­on Song Con­test 1982

Euro­vi­si­on Song Con­test. Sams­tag, 24. April 1982 aus dem Con­fe­rence Cen­ter in Har­ro­ga­te, Groß­bri­tan­ni­en. 18 Teil­neh­mer­län­der, Mode­ra­ti­on: Jan Leeming.
#LandInter­pretTitelPunk­tePlatz
01PTDoceBem Bom03213
02LUSvet­la­naCours après le Temps07806
03NOJahn Tei­gen + Ani­ta SkorganAdieu04012
04UKBar­doOne Step further07607
05TRNeçoHani?02015
06FIKojoNuku pom­mi­in00018
07CHArlet­te ZolaAmour on t’aime09703
08CYAnna Vis­siMono i Agapi08505
09SEChipsDag efter Dag06708
10ATMessSonn­tag05709
11BEStel­la MaessenSi tu aimes ma Musique09604
12ESLucíaÉl05210
13DKBrixxVideo Video00517
14YUAskaHalo, halo02114
15ILAvi Toled­a­noHora10002
16NLBill van DijkJij en ik00816
17IEDus­keysHere today, gone tomorrow04911
18DENico­le HohlochEin biss­chen Frieden16101

4 Comments

  • War­um nur, war­um? War­um haben eigent­lich die­sen Con­test gewon­nen? Die Per­len aus Spa­ni­en, Zypern und Isra­el hät­ten es tau­send mal mehr ver­dient gehabt. Und wir hät­ten eigent­lich 1981 mit John­ny Blue schon gewin­nen sol­len. Aber war­um soll­te sich der Con­test auch jemals nach mei­nem Geschmack rich­ten? Ansons­ten ein ganz net­ter Jahr­gang, aber nicht der Bes­te der Acht­zi­ger, doch um wei­ten hoch­klas­si­ger als alles was ab 1984 kom­men sollte.

  • Ein biss­chen Wie­der­gut­ma­chung Nach den knap­pen zwei­ten Plät­zen 80 und 81 (wer hat für John­ny Logan gestimmt? Umbrin­gen wäre noch zu freund­lich!) hat­ten wohl die meis­ten Juro­ren das Gefühl, die Deut­schen dürf­ten sich auch mal als Aus­rich­ter lächer­lich machen (das hat ja auch geklappt). Und ein Lied, das auf der­ma­ßen scham­lo­se Wei­se Kli­schees bedien­te, hat es selbst beim Con­test nur sel­ten gege­ben. Trotz­dem emp­fin­de ich Nico­le als eine ver­dien­te Sie­ge­rin – mit dem zweit­höchs­ten Vor­sprung aller Zei­ten (in abso­lu­ten Zah­len) und dem legen­dä­ren EINEN PUNKT aus Öster­reich (neben­bei beruht das ‘war­um geben die uns kei­ne Punk­te?’ auf Gegen­sei­tig­keit, wie ich in diver­sen You­tube-Vide­os von Punk­te­ver­ga­ben mit öster­rei­chi­schem Kom­men­tar erfah­ren durf­te). Isra­el war sehr gut, Zypern auch. Aber das war 1982 – Falk­land­krieg, Nach­rüs­tung, der Kal­te Krieg auf sei­nem letz­ten Höhe­punkt (oder Tiefst­stand?) – und dann kommt da ein deut­sches (!) Mäd­chen daher und klampft sich was ab von wegen Frie­den! Wie bit­te hät­te das nicht klap­pen kön­nen? Okay, wie man mit einem frie­dens­be­weg­ten Song schei­tert, und zwar erbar­mungs­los, hat man an Finn­lands Bei­trag aus dem glei­chen Jahr sehr schön sehen kön­nen. Aber was für eine coo­le Sau war denn das? Ich rate jedem, der mal gut lachen will, sich die Punk­te­ver­ga­be von 1982 anzu­se­hen und auf das Bild von Kojo aus dem Green Room zu ach­ten (der rote Anzug ist nicht zu über­se­hen). Hihihi.

  • Es wird immer wie­der ver­ges­sen, dass Nico­le aus Öster­reich immer­hin einen Punkt mehr bekam als aus Luxem­burg. Sogar auf die­ser her­aus­ra­gen­den ESC-Web­site kein Wort dar­über – das wun­dert mich wirklich!

  • Luxem­bourg? Qui est-ce? Das war in mei­ner Grand-Prix-Wahr­neh­mung immer Frank­reich II (so, wie Mona­co Frank­reich III ist). Und von den Fran­zo­sen erwar­te ich nicht unbe­dingt Punk­te. Öster­reich und die Schweiz zäh­le ich aber zum deutsch(sprachig)en Kul­tur­kreis – da schmerzt die Ableh­nung. Auch wenn die rein der dum­men Jury geschul­det war.

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