Con­cours Euro­vi­si­on 1987: Nichts mehr zu geben

Eine Neue­rung gab es beim ansons­ten wie immer ver­lau­fen­den und von der alt­be­kann­ten Mix­tur aus uner­müd­li­chen Wie­der­keh­ren­den und hoff­nungs­lo­sen Nach­wuchs­kräf­ten bestimm­ten, unspek­ta­ku­lä­ren Vor­ent­schei­dungs­jahr­gang 1987 in der Schweiz: die Punk­te­ver­ga­be erfolg­te erst­mals nicht in Auf­tritts­rei­hen­fol­ge, son­dern span­nungs­för­dernd vom am schlech­tes­ten zum am bes­ten bewer­te­ten Lied. Den­noch stand der Sie­ger­ti­tel schon früh fest: so ein­deu­tig fiel die über alle drei Lan­des­tei­le hin­weg ein­heit­li­che Publi­kums­zu­stim­mung für das von Carol Rich und ihrer fünf­köp­fi­gen Pos­se mit bei­na­he schon hys­te­ri­scher Ener­gie per­form­te ‘Moi­tié-moi­tié’ aus, dass selbst die bei­den “pro­fes­sio­nel­len” Jurys aus Pres­se­men­schen und Sen­der­ver­ant­wort­li­chen ihren Durch­marsch nicht mehr ver­hin­dern konn­ten. Wie ein mensch­li­cher Flum­mi hüpf­te die klas­sisch aus­ge­bil­de­te Schla­ge­ret­te unab­läs­sig durch den besin­nungs­los flot­ten Pop­song. Was aller­dings auch für einen kur­zen Schre­ckens­mo­ment sorg­te, als sie sich im letz­ten Refrain für eine inten­dier­te Soli­da­ri­täts­ges­te bei ihrer Back­ground­sän­ge­rin unter­hak­te: das sah eher aus, als näh­me sie die­se in den Schwitz­kas­ten. Den­noch lob­te der (ärger­li­cher­wei­se in alle Bei­trä­ge rein­la­bern­de, unter Sprech­durch­fall lei­den­de) Kom­men­ta­tor des DRS ihren Auf­tritt als “leben­dig und frisch”.

Auch der Video­clip birst vor schweiß­trei­ben­den Akti­vi­tä­ten: woher nur die­ser unab­läs­si­ge Bewe­gungs­drang, Carol?

In all der künst­li­chen Hek­tik ging die kapi­ta­lis­mus­kri­ti­sche Aus­sa­ge ihres Tex­tes ziem­lich unter, wel­cher – wenn­gleich schla­ger­ty­pisch so unbe­stimmt und über­zu­ckert wie nur mög­lich – das Ungleich­ge­wicht zwi­schen aus­ge­beu­te­tem Süden und über­kon­su­mie­ren­dem Nor­den the­ma­ti­sier­te und for­der­te, es müs­se “hal­be-hal­be” sein. Also für eine gerech­te­re glo­ba­le Ver­tei­lung des Reich­tums ein­trat. Kam bei den pri­vi­le­gier­ten Europäer:innen nicht so gut an: Platz 17 von 22 in Brüs­sel. Das rest­li­che Feld die­ses Vor­ent­scheids lohnt der Rede kaum: mit dem mitt­ler­wei­le ein wenig in die Brei­te gegan­ge­nen Marc Diet­rich ver­such­te sich nun auch der letz­te aus dem auf­ge­lös­ten Trio Peter, Sue & Marc an einer Solo­kar­rie­re. Der fol­li­kal stark her­aus­ge­for­der­te Pierre Alain sang, beglei­tet von einem ent­setz­lich dis­har­mo­ni­schen Chor, etwas von den ‘Pia­nos d l’At­lan­tique’: sind Kla­vie­re nicht etwas unprak­tisch als Boo­te? Die 65jährige Schwei­zer Band­lea­der- und Kom­po­nis­ten­le­gen­de Hazy Oster­wald (‘Kri­mi­nal­tan­go’) schick­te einen erbärm­lich schlech­ten Schla­ger und beauf­trag­te hier­für mit der gebür­ti­gen Polin Anet­ta Phil­ip eine Sän­ge­rin, die zwar alles übers Schmin­ken wuss­te, aber nichts über Aus­spra­che und Beto­nung. Das räto­ro­ma­ni­sche, “Musik nur als Hob­by” betrei­ben­de Sex­tett Fur­baz – fünf ent­setz­lich bra­ve Chor­kna­ben und ihre am Kla­vier sit­zen­de Eis­lauf­mut­ti – schlos­sen das Star­ter­feld schließ­lich mit einer zähen Mund­art­bal­la­de ab.

Kommt mir das nur so vor, oder sitzt bei vom Tes­si­ner Lan­des­sen­der orga­ni­sier­ten Schwei­zer Vor­ent­schei­dun­gen immer nur ein Drit­tel soviel Publi­kum im Stu­dio wie in der Deutsch­schweiz? (Gan­ze Show am Stück).

Vor­ent­scheid CH 1987

Con­cours Euro­vi­si­on. Sams­tag, 31. Janu­ar 1987, aus dem RTSI-Stu­dio in Luga­no. Neun Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Leti­zia Bru­na­ti. Drei regio­na­le Publi­kums­ju­rys, Pres­se­ju­ry, Sen­der­ju­ry (je 20%).
#Inter­pre­tenSong­ti­telDRSTSRTSIPres­seJuryPunk­tePlatz
01Rita Nes­si + I TeamDimen­ti­ca02030101061308
02Manue­la FeliceDie Lie­be ist eine Reise05070706012604
03Pao­lo MonteQues­ta Vita03020505021706
04Carol RichMoi­té, moité10101007084501
05Marc Diet­richNost­rad­amus08060810073902
06Gian­ni MaselliI gior­ni miei01010302051209
07Pierre Alain + AtlasLes Pia­nos de l’Atlantique06050604042505
08Anet­ta PhilipMit Musik bin ich nie­mals allein04040203031607
09Fur­bazDa Cum­pi­g­nia07080408103703

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 25.05.2023

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