Es ist ein gar nicht mal so unerklärliches Grand-Prix-Phänomen, dass Länder im Jahr nach ihrem Eurovisionssieg oft so schlecht abschneiden im Wettbewerb, und es hat viel mit dem immensen Erwartungsdruck des Publikums zu tun. Denn für dieses ist nun jedes andere Ergebnis als ein neuerlicher Sieg eine herbe Enttäuschung. Kein Wunder daher, dass sich etablierte Künstler:innen in solchen Grand-Prix-Kater-Jahren vom nationalen Vorentscheid gerne fernhalten, denn sie können im Grunde nur verlieren. Und so versammelten sich beim zu allem Überfluss auch noch von bislang neun auf zehn Startplätze aufgestockten Concours Eurovision 1989 weitestgehend unbekannte Interpret:innen mit unisono ziel- und kraftlos vor sich hin plätschernden Wegwerfliedchen, die allesamt noch nicht einmal zur Fahrstuhl- oder Telefonwarteschleifenbeschallung geeignet gewesen wären. Zehn mal uninspirierte musikalische Todeslangeweile, zehn mal Geschichten, die niemanden interessierten, zehn auf der viel zu großen Bühne völlig verloren wirkende Sänger:innen. Den einzigen Glanz in dieser Show verbreitete die Vorjahressiegerin Céline Dion, die zum Dank das Pausenprogramm im Vollplayback bestreiten und ausführlich Werbung für ihr kommendes neues Album sowie ihre anstehende Europatournee machen durfte.
Platz 3 im Céline-Dion-Ähnlichkeitswettbewerb: Nadia Goj (komplette Show am Stück).
Das Eingehen auf die einzelnen Stücke lohnt sich überhaupt nicht, zumal die Auftritte des unisono umgehend wieder in der Versenkung verschwundenen Sangespersonals heuer keinerlei wenigstens unfreiwillig lustige oder sonstwie unterhaltsame Momente hervorbrachten. Noch nicht einmal die wie immer hinter dem Flügel festbetonierte Marie-Louise Werth musste – wie noch im Vorjahr – mit einem obstinaten Mikrofon kämpfen. Warum ausgerechnet sie und ihr innerhalb von nur drei Jahren vom Quintett zum Trio geschrumpfter Knabenchor Furbaz (Lausbuben) die Abstimmung bei allen fünf Jurys gewannen, lässt sich allenfalls durch den Startplatz erklären: da sie als rätoromanische Repräsentanten als Letzte auf die Bühne durften, hatten die Zuschauer:innen und “Professionellen” ihren Song zum Zeitpunkt der Abstimmung halt noch nicht bereits wieder vergessen, im Gegensatz zu allen anderen Liedern. Anders beim Hauptwettbewerb in Lausanne: dort landete der außergewöhnlich altmodische Schnarchschlager des Drachens mit der Lady-Di-Frisur und ihrer drei entsetzlich braven Klosterschüler auf dem 13. Rang. Es sollte der bis dato einzige Eurovisionsbeitrag in rätoromanischer Sprache bleiben – gut so, denn für Nichtschweizer Ohren klang ‘Viver senza tei’ (#23 in der Schweizer Hitparade) einfach, als ob jemand die wunderschöne italienische Sprache vergewaltigt.
Seit 1987 mit Furbaz beim Concours dabei, ging Frau Werth jedes Jahr ein weiterer Knabe verloren. Kein Wunder, dass sich die Formation bald auflöste.
Vorentscheid CH 1989
Concours Eurovision. Samstag, 18. Februar 1989, aus dem Theater Casino in Zug. Zehn Teilnehmer:innen. Moderation: Raymond Fein. Drei regionale Publikumsjurys, Pressejury, Senderjury (je 20%).# | Interpreten | Songtitel | RTS | TSR | TSI | Presse | Jury | Punkte | Platz |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
01 | Michel Villa | Sur des Musiques qui balancent | 08 | 07 | 08 | 07 | 04 | 34 | 04 |
02 | Nadia Goj | Una Canzone per sognare | 07 | 06 | 05 | 08 | 10 | 36 | 03 |
03 | Carl Nicolas | Reisefieber | 05 | 05 | 07 | 04 | 07 | 28 | 06 |
04 | Alexandra | S’envoler pour Ailleurs | 01 | 03 | 01 | 03 | 03 | 11 | 09 |
05 | Chris Lorens | Mutter Erde | 10 | 10 | 10 | 10 | 06 | 46 | 02 |
06 | Pierrette Dufaux | Coup d’assommoir | 03 | 04 | 03 | 02 | 02 | 14 | 08 |
07 | Silvana Rezzonico | Déjà vu | 02 | 01 | 02 | 01 | 01 | 07 | 10 |
08 | Ann Lomar | Wege in der Nacht | 06 | 08 | 04 | 05 | 05 | 28 | 05 |
09 | Renato Mascetti | La Voce del Mare | 04 | 02 | 06 | 06 | 08 | 26 | 07 |
10 | Furbaz | Viver senza tei | 12 | 12 | 12 | 12 | 12 | 60 | 01 |
Letzte Aktualisierung: 27.05.2023