Con­cours Euro­vi­si­on 1992: Immer gewin­nen kannst du nicht

Man­che Men­schen tun wirk­lich alles, um trotz einer Teil­nah­me an einer natio­na­len Euro­vi­si­ons­vor­ent­schei­dung völ­lig anonym zu blei­ben und unter kei­nen Umstän­den spä­ter noch im Netz gefun­den zu wer­den. Dazu zähl­ten in die­sem Jahr­gang des Con­cours Euro­vi­si­on gleich meh­re­re der ins­ge­samt zehn Teil­neh­men­den. Wie man sich bei­spiels­wei­se als dre­ad­lock­tra­gen­de, schwar­ze Schwei­zer Sän­ge­rin den­sel­ben Künst­le­rin­nen­na­men aus­su­chen kann wie der deut­sche Damen­imi­ta­tor Georg Preu­ße ali­as Mary, will mir unbe­greif­lich erschei­nen. Außer, es soll sich wirk­lich nie­mand an das von besag­ter Dame mit einer beein­dru­cken­den stimm­li­chen Ran­ge, aber auch dem ein oder ande­ren schie­fen Ton into­nier­te, zähe Can­zo­ne ‘Ven­to da Nord’ erin­nern. Auch mit dem Namen Dani­el Stein und einem in kei­ner gän­gi­gen Musik­da­ten­bank ver­zeich­ne­ten Song wird man garan­tiert nie wie­der gefun­den. Da bleibt der Titel ‘Es geht uns alle an’ from­mes Wunsch­den­ken, zumal wenn es sich wie hier um eine Ansamm­lung abge­grif­fens­ter Betrof­fen­heits­kli­schees han­delt. Oder frau ver­schweigt gleich ihren Vor­na­men, so wie die in den hohen Tönen ziem­lich schmerz­haft krä­hen­de fran­ko­phi­le Bal­la­desse K. (ich ver­mu­te mal: Karen?) Loren. Auch über den optisch ent­fernt an den dies­jäh­ri­gen bri­ti­schen ESC-Ver­tre­ter Micha­el Ball erin­nern­den Michel Audray lässt sich ein­fach nichts finden.

Das war ja mal ein sehe­ri­scher Song­ti­tel: P. Rous­sel plus Play­list mit allen Bei­trä­gen zum Durchskippen.

Einer gewis­sen hei­mi­schen Bekannt­heit erfreut sich hin­ge­gen der Züri­cher Phil­ip­pe Rous­sel, wenn auch haupt­säch­lich als Schau­spie­ler. So war er unter ande­rem in der Schwei­zer Sit­com Man­ne­zim­mer zu sehen, aber auch in einer Fol­ge der vom Figu­ren­schöp­fer Ralf König als “grot­ten­schlecht und schwu­len­feind­lich” bezeich­ne­ten Seri­en­va­ri­an­te sei­nes Comics Der beweg­te Mann. Auch Wer­be­spots hat Rous­sel schon ein­ge­sun­gen, und exakt danach klingt sein Con­cours-Bei­trag. Gui­do Bug­mann, sei­ner­zeit ein für mei­nen Geschmack ganz fescher Dad­dy-Typ mit sexy Halb­glat­ze und Drei-Tage-Voll­bart, arbei­tet heu­te wohl als Musik­leh­rer, wie in Jah­res­ab­stän­den erschei­nen­de iro­ni­sche Bewun­de­rungs­kom­men­ta­re sei­ner Schü­ler unter dem You­tube-Video bele­gen. Sei­nen eher gespro­che­nen als gesun­ge­nen sowie von etli­chen durch­aus über­ra­schend kom­men­den Wech­seln der Stimm­la­ge durch­zo­ge­nen Bei­schlaf­schla­ger ‘Heut Nacht’ soll­te er jedoch bes­ser kei­ner sei­ner Elev:innen in die Ohren säu­seln, wenn er die­sen Job behal­ten will. Der Can­t­au­to­re Mario D’Az­zo, der hier mit ‘Apro le Mani’ ein ein­schlä­fernd lang­sa­mes Can­zo­ne dar­bot, ver­öf­fent­lich­te seit 1978 und zuletzt im Jah­re 2012 im Eigen­ver­lag Alben.

Komm, bit­te komm heut’ Nacht”: viel­leicht wenn du auf­hörst zu sin­gen, Guido!

Rena­to Mas­cet­ti, viel­fa­cher Con­cours-Teil­neh­mer und Kom­po­nist des Schwei­zer ESC-Bei­trags 1991, ver­such­te es dies­mal wie­der mit sich selbst am Mikro und schei­ter­te erneut. Dabei bot er mit einer optisch meh­re­re Ligen über ihm spie­len­den Tän­ze­rin sogar ein biss­chen Show. Half aber nichts: sein ‘Non sei più la mia Bam­bi­na’ klang ein­fach zu kin­der­lied­haft. Den ver­dien­ten Sieg errang statt­des­sen die gelern­te Sekre­tä­rin und heu­te im Volks­tüm­li­chen behei­ma­te­te Géral­di­ne Oli­vi­er mit dem zwar kom­plett belang­lo­sen und stel­len­wei­se ein biss­chen rup­pig vor­ge­tra­ge­nen, aber wenigs­tens sofort ein­gän­gi­gen Schla­ger ‘Sol­eil, Sol­eil’ (fran­zö­si­scher Titel, deut­scher Text), der von allen drei Publi­kums­ju­rys und der Pres­se die Höchst­punkt­zahl erhielt, so dass auch die absicht­li­che Straf­wer­tung der Sen­der­ju­ry dar­an nichts mehr ändern konn­te. Dach­te man jeden­falls. Denn wie sich erst im Anschluss an die Sen­dung her­aus­stell­te, hat­te die in der Roman­die gebür­ti­ge Oli­vi­er den Song zunächst beim fran­ko­pho­nen Sen­der ein­ge­reicht, wo man ihn aber zurück­wies. Dar­auf­hin bekam er rasch neue Lyrics über­ge­hol­fen und fand sei­nen Weg zur Vor­auswahl der Deutsch­schweiz, wo man einen bes­se­ren Geschmack bewies und zugriff. Für die gehäs­sig froh­lo­cken­de “Profi”-Juror:innen eine will­kom­me­ne Steil­vor­la­ge, das in der Eid­ge­nos­sen­schaft bei allen öffent­li­chen Wett­be­wer­ben tra­di­tio­nell min­des­tens vier­hun­dert­sei­ti­ge Regel­buch zu zücken und den unlieb­sa­men Schla­ger zu disqualifizieren.

Schaut schon so schuld­be­wusst in die Kame­ra, als ob sie befürch­tet, jede Sekun­de ent­tarnt zu wer­den: die Olivier.

Und so den Weg frei­zu­räu­men für den von näm­li­chen Juro­ren bevor­zug­ten und in der Gesamt­wer­tung mit deut­li­chem Abstand zweit­plat­zier­ten Bei­trag ‘Mis­ter Music Man’ (eng­li­scher Titel, fran­zö­si­scher Text) von Dai­sy Auvray. Einer saxo­fon­trie­fen­den, musi­ka­li­schen wie lyri­schen Gro­tes­ke für den Stan­gen­tanz­abend im Alters­heim, in wel­cher die mit einer fris­se­li­gen Perü­cke und in einem Gold­la­mé­jäck­chen aus der Kol­lek­ti­on für die wohl­ha­ben­de Wit­we kos­tü­mier­te Dai­sy in stel­len­wei­se unan­ge­mes­sen sug­ges­ti­vem Ton­fall einen DJ anheischt, ihre Lieb­lings­plat­te auf­zu­le­gen. Das Gan­ze wirk­te ein biss­chen so, als ob die sieb­zig­jäh­ri­ge Lys Assia im Mary­lin-Mon­roe-Duk­tus dem zeit­wei­li­gen ESC-Dad­dy Jan Ola Sand ein “Hap­py Bir­th­day, Mis­ter Pre­si­dent” ins Ohr hauch­te. Also in hohem Maße ver­stö­rend. Dass sie nun als Nach­rü­cke­rin für die geschass­te Géral­di­ne nach Mal­mö durf­te, von wo sie mit einem 15. Platz heim­kehr­te, hat­te zur Fol­ge, dass Dai­sys Wiki­pe­dia­ein­trag heu­te gera­de mal fünf Sät­ze umfasst, von denen sich drei (!) mit der “eigent­li­chen Sie­ge­rin” beschäf­ti­gen, und mit der tro­cke­nen Fest­stel­lung schließt: “Nach dem Con­test ist Dai­sy Auvray als Sän­ge­rin nicht mehr nen­nens­wert in Erschei­nung getre­ten”. Tja, nie­mand mag Kollaboratörinnen!

Le Jazz Hot’: wann immer der Gedan­ke an Mah­mood mich nicht schla­fen lässt, schaue ich die­sen Clip, und alle Ver­stei­fun­gen schwel­len ver­läss­lich ab.

Vor­ent­scheid CH 1992

Con­cours Euro­vi­si­on. Sonn­tag, 23. Febru­ar 1992, aus dem Kon­gress­pa­last in Luga­no. Zehn Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Ales­san­dra Mar­che­se. Drei regio­na­le Publi­kums­ju­rys (60%), Pres­se­ju­ry (20%), Sen­der­ju­ry (20%).
#Inter­pre­tenSong­ti­telPubli­kumPres­seJuryPunk­tePlatz
01Phil­ip­pe RousselImmer gewin­nen kannst du nicht2308043504
02K. LorenUn Mon­de sans Musique0506071807
03Gui­do BugmannHeut’ Nacht0601051209
04Rena­to MascettiNon sei più la mia Bambina1104021708
05Dai­sy AuvrayMis­ter Music Man2805124502
06Dani­el SteinEs geht uns alle an0802011110
07MaryVen­to da Nord1710063305
08Michel AudreyMarie-Blan­che2107103803
09Mario D’Az­zoApro le mani1903083006
10Géral­di­ne OlivierSol­eil, Soleil3612035101

Zuletzt aktua­li­siert: 28.05.2023

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