Con­cours Euro­vi­si­on 2000: Ein Bal­kon ohne Applaus

Pünkt­lich zur Jahr­tau­send­wen­de sorg­te der (nun bereits ein paar Jah­re gül­ti­ge) Weg­fall des Lan­des­spra­chen­zwangs beim Euro­vi­si­on Song Con­test auch im Schwei­zer Vor­ent­scheid für eine Flut eng­lisch­spra­chi­ger Bei­trä­ge: drei von sechs, also die Hälf­te von ihnen, erklan­gen in der Lin­gua Fran­ca des Pop. Was in ihrem Fal­le aller­dings die bei allen sechs Lied­vor­schlä­gen fest­stell­ba­re, abso­lu­te Aus­tausch­bar­keit und Belie­big­keit nur noch ver­stärk­te. Das soll kein Plä­doy­er für die Rück­kehr zum Hei­ma­t­idi­om sein: auch die drei fran­ko­pho­nen, ita­lie­ni­schen und schwy­zer­düt­schen Bei­trä­ge erfüll­ten zwar die pop­mu­si­ka­li­schen Min­dest­nor­men, taug­ten aber den­noch allen­falls zu einer Ver­wen­dung als Alb­um­fül­ler. Für das Bestehen als Sin­gle-Aus­kop­pe­lung oder gar als inter­na­tio­na­ler Wett­be­werbs­bei­trag waren sie alle durch die Bank nicht ori­gi­nell und eigen­stän­dig genug. Das galt auch für den Sie­ger­ti­tel, die plät­sche­ri­ge Pop­bal­la­de ‘La Vita cos’è’ (‘Was ist das Leben’) von Jane Bogaert, die sich trotz ihres etwas holp­ri­gen Ita­lie­nischs sowohl im regio­na­len Tele­vo­ting als auch bei der in einem kon­ser­va­ti­ven Roll­back erst­mals in der lan­gen hel­ve­ti­schen Grand-Prix-Geschich­te dem Publi­kum nicht mehr unter­le­ge­nen, son­dern gleich­be­rech­tig­ten Jury an die Spit­ze set­zen konnte.

Die Play­list mit allen sechs Auf­trit­ten in Startreihenfolge.

Und das rest­li­che Feld? Nubya – der Künst­le­rin­nen­na­me lei­tet sich ab vom afri­ka­ni­schen Volk der Nubier:innen – ist die Toch­ter eines Nige­ria­ners und einer Schwei­ze­rin. Inter­es­san­ter­wei­se erwähnt ihre Wiki­pe­dia-Vita, die sich sonst über jedes Tref­fen mit ande­ren Musi­kern im Back­stage­be­reich von DJ-Bobo-Kon­zer­ten aus­lässt und auch pein­li­che Details wie ihre fünf­jäh­ri­ge Ehe mit Hart­mut Eng­ler von Pur nicht aus­spart, Nuby­as Con­cours-Teil­nah­me mit kei­nem ein­zi­gen Wort. Ihre sei­fi­ge Pop­bal­la­de ‘Just for you’ stamm­te aus der Feder des mit ihr auf der Büh­ne ste­hen­den Al Wal­ser, zur sel­ben Zeit Band­mit­glied in der Zweit­in­kar­na­ti­on der deut­schen Euro­dance-Retor­ten­for­ma­ti­on Fun Fac­to­ry, die sei­ner­zeit vor allem im asia­ti­schen Raum Erfol­ge fei­er­te. Zuletzt pro­du­zier­te Wal­ser ein geflopp­tes Come­back­al­bum für Rober­to Blan­co. Ent­ge­gen des euro­vi­sio­nä­ren Eng­lisch­trends hat­te sich die Band Out­side gera­de erst in Auts­eid umbe­nannt und ver­sah ihren “wuch­tig pro­du­zier­ten” (Plat­ten­kri­tik) Durch­schnitts­pop­rock nun mit schwy­zer­düt­schen Lyrics, um vom gegen­läu­fi­gen Mund­art­trend zu pro­fi­tie­ren. Inter­es­san­ter mach­te das ihren bemüht wir­ken­den Titel ‘Glücksträ­nä’ nicht. Die aus der Roman­die stam­men­de Künst­le­rin Lauranna brach­te es auf drei wenig beach­te­te Alben, über Eli­sa­beth White (ich wet­te: gebür­ti­ge Weiß?) und Char­lot­te Maho­ney gibt es rein gar nichts zu erzählen.

Ist es Ärger­nis oder Gna­de, dass man den Text von ‘Glücksträ­nä’ nicht ver­steht? Nichts von dem: es ist ein­fach nur egal.

Wid­men wir uns als wie­der Frau Bogaert, für die ‘La Vita cos’è’ der ein­zi­ge Chart­hit ihrer Kar­rie­re blei­ben soll­te, mit Platz 98 in den Schwei­zer Sin­gle­charts. Heu­te arbei­tet sie, wie so vie­le ihrer Grand-Prix-Kol­le­gin­nen, als Vocal Coach. In Stock­holm konn­te sie mit einem pro­mi­nen­ten Backing­s­in­ger auf­trump­fen: nie­mand Gerin­ge­res als die Italo­schla­ger­le­gen­de Al Bano stand bei ihr im Hin­ter­grund­chor! Half aber auch nichts: ein ent­täu­schen­der 20. Platz für ihren inzwi­schen auch gram­ma­ti­ka­lisch auf­po­lier­ten Song bedeu­te­te eine erneu­te Rele­ga­ti­on für die Eid­ge­nos­sen­schaft, die damit seit 1998 (und noch bis zur Ein­füh­rung der Semis im Jah­re 2004) nur noch im Zwei­jah­res­rhyth­mus am euro­päi­schen Wett­sin­gen teil­neh­men durf­te. Wie bereits 1999 wich das Schwei­zer Fern­se­hen daher auch 2001 auf die deut­sche Vor­ent­schei­dung Count­down Grand Prix aus, wo der NDR sehr ger­ne einen Start­platz frei­räum­te. Per Inter­net­ab­stim­mung cas­te­te man unter akti­ver Fan­be­tei­lung ein stimm­ge­wal­ti­ges weib­li­ches Trio für die Bal­la­de ‘Power of Trust’ zusam­men: neben der Mann­hei­mer Grand-Prix-Legen­de Joy Fle­ming und der in St. Gal­len gebo­re­nen Musi­cal­dar­stel­le­rin Bri­git­te Oel­ke kam pikan­ter­wei­se auch Janes jün­ge­re Schwes­ter Les­ley dar­in unter. Die Drei schaff­ten trotz eini­ger schie­fer Töne einen sehr knap­pen zwei­ten Platz hin­ter der Schla­ge­ret­te Michel­le.

Ohren auf: Janes Schwes­ter Les­ley eröff­ne­te den Rei­gen der drei Damen vom Grill.

Vor­ent­scheid CH 2000

Con­cours Euro­vi­si­on. Sams­tag, 29. Janu­ar 2000, aus der Dis­co­thek Prin­ce in Luga­no. Sechs Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Matteo Pel­li. Jury (50%), regio­na­les Tele­vo­ting (50%).
#Inter­pre­tenSong­ti­telJuryTele­vo­tePlatz
01Jane BogaertLa Vita cos’e?201501
02Nubya + Al WalserJust 4 you161402
03Auts­eidGlücksträ­nä051105
04Char­lot­te MahoneyGene­ra­ti­on121104
05Eli­sa­beth WhiteThank you for the Flowers141103
06LauranneVous051006

Letz­te Aktua­li­sie­rung: 28.05.2023

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