Bei seiner allerersten Eurovisionsteilnahme hatte es Albanien im Vorjahr direkt bis ins Finale und dort auf den siebten Rang geschafft. Ein durchaus beeindruckender Einstand! Die gute Platzierung im Mai 2004 bedeutete, dass man sich heuer nicht durch die Qualifikationsrunde quälen musste: neben den Big Four erhielten auch die Top Ten aus Istanbul einen Fast Pass für das aktuelle ESC-Finale in Kiew. Der verantwortliche Sender RTSH konnte sich daher in seiner Entscheidung, das traditionsreiche Festivali i Këngës auch weiterhin als nationalen Grand-Prix-Vorentscheid zu nutzen, bestätigt sehen und behielt das Verfahren nahezu unverändert bei. Nur das ungeliebte Televoting sparte man sich. Womöglich auch aufgrund der Kritik, dass dieses – wie bereits im Vorjahr – nur den gnadenlosen Durchmarsch der jeweiligen Gewinner:in der populären neuen Castingshow Ethet e së Premtes Mbrëma (Freitagnachtfieber alias Albanien sucht den Superstar) begünstigen würde. Blöd gelaufen für den zwanzigjährigen Newcomer Luiz Ejlli, seines Zeichens aktueller Ethet-Sieger, der im reinen Jury-Ranking dieses FiK-Finales lediglich den zweiten Platz belegte. Schade, gehört sein kraftvoll intonierter, im Netz leider nicht mehr verfügbarer Ethno-Titel ‘Hëna dhe Yjet dashurojnë’ (‘Mond und Sterne lieben’) fraglos in die Top 20 der besten Festivali-Beiträge der Neuzeit. Ganz im Gegensatz zum Siegersong dieses Jahrgangs. Doch dazu später mehr.
Die Playlist des Festivali 43 enthält fast alle Beiträge, jedoch meist nur als Audio. Luiz Ejlli ist leider absent.
Insgesamt 32 Acts kämpften in den beiden FiK-Semis am 16. und 17. Dezember 2004 um einen der 18 Slots im FiK-Finale. Als einzige Nennenswerte der bereits im ersten Durchgang Ausgesiebten lud uns die Sängerin Soni Malaj in dem hübsch instrumentierten Ethno-Disco-Schlager ‘Eja në Ballkan’ (‘Komm auf den Balkon’) auf ihren Vorbau ein. Zu den Highlights des Finales zählte neben der technoiden Casual-Sex-Lobpreisung ‘Vetëm një Natë’ (‘Nur eine Nacht’) der Rückkehrerin Ingrid Jushi ein kosovarisches Mädchentrio, das mit dem uptemporären ‘Flakareshë’ (‘Starker Schlag’) einen wunderbar trashigen Banger ablieferte und in seiner Zusammenstellung optisch irgendwo zwischen Bananarama und Tic Tac Toe changierte. Den Mittelpunkt bildete die blonde Vesa Luma, ihr zur Seite standen die mit einem schief drapierten Deko-Hütchen und einem üppig dekolletierten Damenblazer wie die wildgewordene Tante auf einem Junggesellinnenabschied agierende Teuta Kurt sowie die aufgrund ihrer etwas ungepflegt wirkenden Dreadlocks und Ökoklamotten augenscheinlich für den Drogennachschub verantwortliche Rona Nishliu. Ja, genau, die Rona Nishliu. Die schrie sich heuer jedoch nicht die Lungen wund, sondern stimmte fröhlich ein in die beatstarke Wegwerfnummer, die ganz sicher nicht zu den bedeutendsten Werke der Popgeschichte zählte, aber dafür einfach unglaublich Spaß machte.
Spaß: hmmm, wie erkläre ich das nur meinen jüngeren Leser:innen? Denen scheint dieses Konzept ja eher unheimlich und fremd. Die Drei hier zeigen, wie’s geht!
Elektrisierende Westernstimmung verbreitete der mit insgesamt mindestens acht FiK-Teilnahmen irgendwie zur Grundausstattung des Wettbewerbs gehörende, dabei jedoch niemals auch nur in greifbare Nähe eines Sieges kommende Sajmir Braho mit seiner Countrynummer ‘Para se të vish në këtë Botë’ (‘Bevor du auf diese Welt kamst’). Leider fiel die anfängliche, unter anderem durch eingespielte Käuzchenrufe erzeugte musikalische Spannung im Verlaufe des Songs so rasch in sich zusammen wie ein Soufflé bei einer zu früh geöffneten Backofentür. Keine ernst zu nehmende Grand-Prix-Vorentscheidung kommt aus ohne das obligatorische heterosexuelle Anschmacht-Duett, üblicherweise stets ein sicherer Anwärter für den Sieg. Für das schamlos romantische ‘Pëshperitje Zemrash’ (‘Flüstern der Herzen’) holte sich die Vorjahresdritte Rosela Gjylbegu daher den Sänger Arbër Arapi zur Seite, der wie sie durch die erste Ethet-Staffel Bekanntheit erlangte. Das Problem: obschon laut Pass lediglich vier Jahre älter, wirkte das optisch mehrere Ligen unter ihr spielende John-Oliver-Double Arbër neben Rosela eher wie ihr Sugar Daddy, wodurch die Glaubwürdigkeit des Liebesgesülzes ziemlich litt. So landeten die Beiden außerhalb der Top Drei. Und damit im Verliererfeld, denn erneut gab RTSH keinerlei Punkte und Platzierungen bekannt, sondern rief lediglich das Siegertreppchen aus.
Immerhin weiß man dank des aggressiven Zähnefletschens von Rosela exakt, wer in dieser Beziehung die Hosen anhat. Und es ist nicht der, der sie auf der Bühne trägt.
Die Bronzemedaille ging an die spätere albanische Eurovisionsvertreterin Jonida Maliqi, die mit dem orientalisch instrumentierten Ethno-Schlager ‘Frikem se më pëlqen’ (‘Ich fürchte, ich mag es’) einen der überzeugendsten Gründe ablieferte, das FiK einzuschalten. Oh Mann, wie arg ich diese mittlerweile anscheinend komplett ausgestorbene Musikgattung beim Contest vermisse! Den Sieg machte das 27jährige Model Ledina Çelo, die im Vorjahr noch das FiK moderiert hatte und nun die Seiten wechselte, mit dem musikalisch recht aufdringlich daherkommenden ‘Nesër shkoj’ (‘Ich gehe morgen’) klar. Da ihr Liedtext einen Abschiedsgruß an ihre Mutter am Vorabend ihrer Hochzeit darstellte, muss man wohl annehmen, dass der weiße Fetzen, den sie trug, ihr Brautkleid darstellen sollte. In einem Stripschuppen wäre es allerdings ebenfalls nicht fehl am Platze gewesen. Gerüstet für alle Fälle! Dazu begleiteten sie neben einem muskulösen Trommler vier ebenfalls sehr langbeinige Chorsängerinnen, die unaufhörlich so taten, als spielten sie auf ihren mitgeführten Violinen. Und das, obwohl dieses Instrument im Track überhaupt nicht vorkam! Ein für schlichte, ewig pubertäre Gemüter wie den Autoren niemals nicht lustig seiendes “Titti da, titti da” als einprägsamer Refrain sowie eine hooohe, laaaaange, LAUTE Schlussnote als klassisches Jurybait vervollständigten das Erfolgsrezept.
Dass die auf ihren Stöckeln nicht auf dem Silberflitter ausrutschen: bewundernswert! Ledina und ihre Truppe bei der Siegerreprise.
Leider entscheid man sich, wie bereits im Vorjahr, den Song auf der internationalen Bühne der vermeintlich besseren Erfolgschancen wegen auf Englisch darzubieten. Und obschon Frau Çelo fraglos zu den linguistisch talentierteren skipetarischen Repräsentantinnen zählte und ihre Aussprache, wenn auch nicht gänzlich akzentfrei, ziemlich überzeugte, wirkte der Auftritt in Kiew insgesamt eher angestrengt. Lag es an der Auseinandersetzung zwischen Ledina und ihren eigenen Produzenten im Vorfeld des ESC? Die reichten, so wird kolportiert, eine Klage gegen ihre Interpretin ein, weil die eigensinnige Sängerin ohne vorherige Rücksprache einen Werbevertrag mit einem Telefonanbieter unterschrieb, nicht zu anberaumten Besprechungen erschien und angeblich nicht genug übte. Nach einer klärenden Aussprache zog das Team die juristische Drohung allerdings innerhalb weniger Tage wieder zurück. So oder so arbeitete sich die Künstlerin, wie so viele ihrer jungen Kolleginnen unbeirrbar in dem festen Glauben, vor allem durch Lautstärke überzeugen zu können und zu müssen, auf auf internationaler Bühne mit dem filigranen Feingefühl einer Dampfwalze durch die Gesangsparts von ‘Tomorrow I go’. Das kam außerhalb der benachbarten Balkanländer kaum an: Rang 16 von 24 und damit für 2006 wieder zurück in die Qualifikation.
Man kann natürlich in die eigentlich bereits fertige Choreografie noch ein paar Elemente aus ‘Every Way that I can’ einbauen, wie Ledina es in Kiew vor allem am Ende machte. Dann macht man allerdings die Erfahrung, dass das Publikum das Nachahmen von zwei Jahren alten Siegertiteln selten belohnt.
Vorentscheid AL 2005
Festivali i Këngës 43. Samstag, 18. Dezember 2004, aus dem Kongresspalast in Tirana, Albanien. 18 Teilnehmer:innen. Moderation: Hueyda El Sayed, Leon Menkshi. Juryvoting.# | Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
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01 | Kujtim Prodani | Jetën ndryshe e Shikoj | n.b. | n.b. |
02 | Redon Nakashi | Ndjej | n.b. | n.b. |
03 | Rovena Stefa | Kthehem prap | n.b. | n.b. |
04 | Saimir + Enkela Braho | Përpara se ti të vish në këtë Botë | n.b. | n.b. |
05 | Joe Artid Fejzo | Me ty | n.b. | n.b. |
06 | Tergita Gusta | Me ty, pa ty | n.b. | n.b. |
07 | Marsida Saraçi | Më duaj gjatë | n.b. | n.b. |
08 | Luiz Ejlli | Hëna dhe Yjet dashurojnë | n.b. | 02 |
09 | Julian Lekoçaj | Do të fal | n.b. | n.b. |
10 | Mariza Ikonomi | Kur dashuron | n.b. | n.b. |
11 | Samanta Karavello | Buzëqeshja | n.b. | n.b. |
12 | Ledina Çelo | Nesër shkoj | n.b. | 01 |
13 | Jonida Maliqi | Frikem se më pëlqen | n.b. | 03 |
14 | Klajdi Musabelliu | Puthjen nuk ta kam harruar | n.b. | n.b. |
15 | Monika Trungu | Ti më bën të pasur | n.b. | n.b. |
16 | Rosela Gjylbegu + Arbër Arapi | Pëshpëritje zemrash | n.b. | n.b. |
17 | Vesa Luma, Teuta Kurti, Rona Nishliu | Flakaresh | n.b. | n.b. |
18 | Ingrid Jushi | Vetëm një Natë | n.b. | n.b. |
Letzte Aktualisierung: 14.06.2022