song.null.fünf 2005: Aus­tri­ans dance quite slow

Das Talent des ORF zum Erfin­den unnö­tig kom­pli­zier­ter Abstim­mungs­ver­fah­ren bei ihrer natio­na­len Euro­vi­si­ons­vor­ent­schei­dung wur­de in die­sem Blog ja bereits an ande­rer Stel­le erwähnt. 2005 kam es erneut zum Ein­satz. Die Abstim­mung, wer das Ticket nach Kiew erhal­ten soll, erfolg­te zwar erneut per Tele­vo­ting, doch dies­mal addier­te der expe­ri­men­tier­freu­di­ge Wie­ner Sen­der die (per Fest­netz) ein­ge­gan­ge­nen Anru­fe nicht ein­fach, son­dern split­te­te sie nach den neun Bun­des­län­dern Öster­reichs auf. Ver­mut­lich, um der Pro­vinz das Gefühl zu ver­mit­teln, auch mal gehört zu wer­den. Pro Regi­on wur­den die Stim­men dann in Punk­te umge­wan­delt, dabei zähl­te jedes Land gleich viel, unab­hän­gig von der jewei­li­gen Zahl der Einwohner:innen. Die per Han­dy abge­ge­be­nen Voten, und das war der deut­li­che Löwen­an­teil, fass­te mal als vir­tu­el­le zehn­te Regi­on zusam­men. Die­se absurd anmu­ten­de Arith­me­tik soll­te noch zu einer unschö­nen Kon­tro­ver­se füh­ren. Doch erst mal zum Teilnehmer:innenfeld: der ewi­gen Nach­wuchs­hoff­nun­gen über­drüs­sig, wähl­te der ORF fünf mehr oder min­der eta­blier­te Stars für den song.null.fünf aus, die alle jeweils zwei Songs mit­brin­gen muss­ten. Auch das kam nicht bei allen Betei­lig­ten glei­cher­ma­ßen gut an.

This Trumpet makes you my Girl: sexy Sebas­ti­an Fuchs­ber­ger bläst der tol­len Sabi­ne Stie­ger einen vor (plus Play­list mit neun der zehn Vor­ent­schei­dungs­bei­trä­ge, lei­der größ­ten­teils als Audio).

Mar­cus Nigsch ali­as Mar­que hat­te im Jahr 2000 einen Hit im gesam­ten deutsch­spra­chi­gen Raum mit dem Titel ‘One to make her hap­py’. Zu Hau­se gab es für die Sin­gle sogar Gold. Pikant: sei­ne sei­ner­zei­ti­ge Lebens­ge­fähr­tin Mir­jam Wech­sel­baum mode­rier­te den Vor­ent­scheid. Die Sän­ge­rin Jade Davis konn­te sogar einen Num­mer-Eins-Hit vor­wei­sen: die Tech­no-Cover­ver­si­on von ‘Break my Stri­de’, mit der sie 1996 als Teil des Euro­dance-Pro­jek­tes Uni­que II nicht nur die hei­mi­schen Charts auf­roll­te. Der Kom­po­nist Fred­dy Jak­lit­sch, Front­mann der Neue-Volks­mu­sik-Band Die Seer, war der Mas­ter­mind hin­ter der Kapel­le Mys­tic Alpin, die eben­falls Alpen­folk­lo­re mit Pop misch­te, aller­dings mit eng­li­schen Tex­ten. In das sel­be Gen­re lässt sich auch die For­ma­ti­on Global.Kryner ein­ord­nen, deren im Vor­jahr erschie­ne­nes, eigen­be­ti­tel­tes Debüt­al­bum inter­na­tio­na­le Pop-Stan­dards wie z.B. ‘Like a Vir­gin’ im Krai­ner­sound ent­hält und mit Gold ver­edelt wur­de. Mit dem vom Band­grün­der Chris­toph Spörk geschrie­be­nen Cross­over-Kra­cher ‘Y así’, der infek­tiö­se Latino­rhyth­men mit fet­ten Blech­blä­ser­sounds und dem vom damals aus­ge­spro­chen attrak­ti­ven Bass­po­sau­nis­ten Sebas­ti­an Fuchs­ber­ger bei­gesteu­er­ten Jodeln ver­knüpf­te, gewan­nen sie die Kon­kur­renz. Und damit sind wir bei der ver­spro­che­nen Kontroverse.

Bit­te wählt das nicht”: Alf Poier mit sei­nem Weg­werf­bei­trag ‘Hotel, Hotel’.

Als fünf­ten Kom­bat­tan­ten hat­te der ORF im Jahr Zwei n.P. (nach Poier) näm­lich eben jenen Alf aus­ge­wählt. Der ent­wi­ckel­te sich jedoch zum Enfant ter­ri­ble: pis­sig über die Auf­la­ge, zwei Lie­der ein­rei­chen zu müs­sen, schrieb er mit ‘Hotel, Hotel’ ein Eigen­pla­gi­at von ‘Weil der Mensch zählt’, das er selbst im Ein­spie­ler vor sei­nem Live-Auf­tritt als “Mist” bezeich­ne­te und die Zuschauer:innen bat, bloß nicht dafür anzu­ru­fen. Denn ihm brann­te eine frag­wür­di­ge poli­ti­sche Bot­schaft auf der See­le, die er in sei­nem zwei­ten Titel ver­brei­te­te: ‘Good old Euro­pe is dying’. In die­ser aus­ge­spro­chen mar­tia­lisch-düs­te­ren Num­mer, in der er sich zum “letz­ten Rit­ter” sti­li­sier­te, mach­te er den Islam als Bedro­hung für das Abend­land aus: “Es zogen einst die Chris­ten mit dem Schwer­te / es fie­len einst die Bom­ben auf Ber­lin” reim­te er his­to­risch kor­rekt, “und weil sich Moham­med so gut ver­mehr­te / singt schon bald in Rom der Muez­zin”. Nach har­scher öffent­li­cher Kri­tik an die­sem offen­sicht­lich xeno­phob-ras­sis­ti­schen Text ent­fern­te er den anstö­ßi­gen zwei­ten Teil aus dem Song. Den­noch traf er mit die­sem durch­aus auf der Linie der rechts­kon­ser­va­ti­ven Par­tei­en lie­gen­den Lamen­to wohl die See­le vie­ler Lands­leu­te: er konn­te hier­für rund 106.000 Anru­fe ein­sam­meln, mehr als das Dop­pel­te der Global.Kryner.

Die häss­li­che Frat­ze Öster­reichs: Alf Poier (hier in der “zen­sier­ten” Fassung).

Das nutz­te ihm nichts: auf­grund des erst weni­ge Tage vor der Sen­dung ein­ge­führ­ten, oben beschrie­be­nen Aus­zäh­lungs­sys­tems lag er in der Schluss­wer­tung vier Zäh­ler hin­ter den Latein­ame­ri­ka-Krai­nern. Es drängt sich die Ver­mu­tung auf, dass der um die Repu­ta­ti­on Öster­reichs fürch­ten­de ORF das Regio­nen­vo­ting eigens als Schutz­schild gegen den rechts­dre­hen­den Künst­ler instal­lier­te, wel­cher im Jah­re 2014 mit schwu­len­feind­li­chen Äuße­run­gen gegen­über Con­chi­ta Wurst end­gül­tig offen­bar­te, wes Geis­tes Kind er ist. Die Global.Kryner, die mit ‘Y así’ Rang 23 in den hei­mi­schen Charts klar­mach­ten, schie­den beim Haupt­wett­be­werb in Kiew aller­dings im Halb­fi­na­le aus, nach­dem sie den dem Song in der Stu­dio­fas­sung inne­woh­nen­den Dri­ve live nicht ganz so über­zeu­gend über die Bild­schir­me trans­por­tie­ren konn­ten. Die Ver­ant­wort­li­chen auf dem Künigl­berg traf es hart, dass ihre gan­zen Mühen nichts fruch­te­ten: 2006 setz­te die Alpen­na­ti­on frei­wil­lig aus, da man glaub­te, die “öster­rei­chi­sche Musik [sei] unver­ein­bar mit dem ESC,” wie die Autorin Cait­lin Gura im Sam­mel­band Euro­vi­si­on Song Con­test – Eine klei­ne Geschich­te zwi­schen Kör­per, Geschlecht und Nati­on aus einer Sen­der­ver­laut­ba­rung in der Net­zei­tung zitiert.

A litt­le too much”: gigan­ti­sche Aids­schlei­fen, Bling-Bling-Out­fits und lah­mer Hete­n­rock pas­sen ein­fach nicht zusammen.

Im Jahr dar­auf schick­te man dann wie­der einen intern bestimm­ten Ver­tre­ter. Mit dem von Eric Papi­la­ya gesun­ge­nen, offi­zi­el­len Lied der Wie­ner HIV-Gala Life­ball woll­te man sich in Hel­sin­ki als welt­of­fe­nes, tole­ran­tes Land prä­sen­tie­ren. Nach­dem die­se Bot­schaft noch schlech­ter abschnitt, zog sich Öster­reich gleich für drei Jah­re belei­digt ins Schne­cken­haus zurück.

Vor­ent­scheid AT 2005

Song.Null.Fünf. Frei­tag, 25. Febru­ar 2005, aus den ORF-Stu­di­os in Wien. Fünf Teilnehmer:innen. Mode­ra­ti­on: Mir­jam Weich­sel­braun, Chris­ti­an Cle­ri­ci. Regio­na­les Televoting.
#Inter­pre­tenSong­ti­telTele­vo­tePlatz
01Global.KrynerY así10201
02Jade DavisJust like that02209
03Alf PoierHotel, Hotel05107
04Mys­tic AlpinBack Home07304
05Mar­queWho you are05306
06Global.KrynerDre­a­ming05405
07Jade DavisPer­fect World01910
08Alf PoierGood old Euro­pe is dying09802
09Mys­tic AlpinOne World07403
10Mar­queIn the Universe03408

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Guten Mor­gen, Düs­sel­dorf 2011 >

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