34 Wettbewerbsbeiträge versammelten sich Mitte Dezember 2005 im Feld der mittlerweile 44. Ausgabe des traditionsreichen albanischen Festivali i Këngës, wo es an drei aufeinanderfolgenden Abenden in zwei Qualifikationsrunden und einem immerhin noch zwanzig Plätze umfassenden Finale um das Ticket zum Eurovision Song Contest 2006 in Athen ging. Das ist eine ganz schöne Menge an Songs, und wie eine Werkschau der heuer auf Youtube lediglich noch verfügbaren neun Titeln belegt, bestand diese größtenteils aus Verzichtbarem. Wie die Werkschau ebenfalls zeigt, setzten die Skipetaren bei der Präsentation dieses Verzichtbaren vor allem auf das Motto: viel hilft viel. Kaum ein Auftritt, bei dem die Bühne nicht schier barst unter der opulenten Masse an Tänzer:innen, die so gut wie jede Nummer mit stoisch exerzierten, hyperaktiven Zappeleien untermalten, ob es nun gerade zum Song passte oder nicht. Auch der Kostümwechsel erfreute sich reger Beliebtheit. Hauptsache irgendetwas, um von der zu allem entschlossenen Beliebigkeit der Lieder abzulenken. So wie beispielsweise bei der im Kosovo geborenen Albërie Hadërgjonaj, deren Beitrag ‘Ah, sikur kjo Jetë’ (‘Ah, wie dieses Leben’) zwar zu weitesten Teilen aus “ah”-, “oh-” und “mmh”-Rufen bestand, an die sie sich ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen jedoch nur unter größter Kraftanstrengung mühsam zu erinnern vermochte.
Vom “Popstar” zum Sternchen: die Playlist mit allen derzeit verfügbaren Liveauftritten vom 44. FiK, inklusive des Siegertitels.
Albërie fand sich in Begleitung einer ebenfalls hochkonzentriert agierenden Tanztruppe, die sich zur dramatisch verröchelten Songmitte hin eigens hinter einer Friedensflagge versammelte, nur um ihre Sakkos abzulegen und in T‑Shirts weiterzumachen: das war enttäuschend. Noch weniger Eindruck hinterließ die Schulabbrecherin Miriam Cani. Die gebürtige Albanierin, 1990 mit den Eltern nach Heidelberg ausgewandert, wurde 2003 als Teil der Girlgroup Preluders Zweite in der deutschen Castingshow Popstars. Nach dem raschen Abklingen ihrer medialen Halbwertszeit versuchte sie es nun mit einer halbgaren Nummer in der Heimat, vergebens. Heute lebt sie mit Ehemann Alban Skënderaj und gemeinsamer Tochter in München. Deutlich mehr Mühe gab sich Erinda Dhima, die mit sechs schwerkraftnegierend hochtoupierten Tänzerinnen und einem Trickkleid aufrauschte. Über ihren seidenschwarzen Negligés trugen nämlich alle sieben Damen einen an den Schleppen zusammengenähten Vokuhila-Überwurf, der natürlich nach anderthalb Minuten fiel. Das passte sehr gut zu Erindas herrlich trashigem Ethno-Disco-Klopfer ‘Për ju’ (‘Für dich’). Einen kleinen optischen Misston setzte lediglich das per Headset an der Sängerin befestigte Mundmikro, das – womöglich bedingt durch die Kameraführung – allerdings direkt unter dem Nasenloch zu schweben schien.
Brachten ihr eigenes Ozonloch mit: Erinda Dhima und die hochgesteckten Ziele.
Was vielleicht auch ein wenig die eher belfernden Töne von Miss Dhima erklärt. So oder so machte diese den Finalabend beschließende Nummer jedenfalls sehr viel Spaß! Vergeblich versuchte es die FiK-Siegerin und Eurovisionsvertreterin von 2004, Anjeza Shahini, ein zweites Mal. Sie musste sich in der reinen Juryabstimmung – wie fast immer gab man keine Punkte und nur die ersten drei Plätze bekannt – unter anderem einer ausgesprochen drögen Schreiballade einer gewissen Era Rusi geschlagen geben, die erst fünfzehn Jahre später beim FiK 59 zur Siegerin des Herzens zumindest des Blogbetreibers reüssieren sollte. Sowie ihrem Albanien-sucht-den-Superstar-Konkurrenten und ‑Sieger von 2004, Luiz Ejlli. Der seinerzeit zwanzigjährige Jüngling präsentierte mit ‘Zjarr e Ftohtë’ (‘Feuer und Kälte’) ein Musterbeispiel der Liedgattung, für welche ich den Balkan neben seinen herzergreifenden Balladen so sehr liebe: der pittoresk instrumentierten Ethno-Disco. Neben einem tanzbaren Beat und einem (belanglosen) Text in Landessprache offerierte der Beitrag nämlich auch die für westliche Ohren erst mal irritierend klingenden, aber zum geschützten kulturellen Erbe des Landes gehörenden klagenden Töne einer Gajde, dem albanischen Dudelsack.
Wirkt im Umfeld seiner Altherrentruppe noch milchbübchenhafter, als er war: der erst in den darauffolgenden Jahren selbst zu einem stattlichen Mann heranreifen sollende Luiz Ejlli.
Und ja, das Teil sieht aus wie eine Kreuzung aus einem aufgeplatzten Staubsaugerbeutel und einer Luftpumpe, aber das hier hinzuschreiben, wäre ebenso respektlos, wie sich über die traditionelle Kostümierung des Folklorestars und mannigfachen früheren FiK-Teilnehmers Petrit Lulo zu mokieren, der Luiz gemeinsam mit weiteren gesetzten Herren auf der Bühne begleitete. Weniger zimperlich zeigten sich die alleine abstimmungsberechtigten Zuschauer:innen im Semifinale des Eurovision Song Contest 2006. Zwar hatte man das Arrangement des Songs für die internationale Bühne eigens gefällig aufgebügelt, die Ethno-Anteile herunter- und den Beat deutlich heraufgeschraubt sowie gleich drei der fünf alten Herren durch junge, leger gekleidete Choristen ersetzt. Zudem verzichtete Ejlli auf seinen für sein Alter unpassenden blutroten Kummerbund. Nicht aber auf Lulo und den Dudelsackspieler, die auch in Athen Kondomhütchen, Herrenröcke und zipfelige Bommelschuhe trugen. Das fanden die Menschen an den TV-Geräten vermutlich vor allem irgendwie bizarr und lustig (zugegebenermaßen: ich auch), griffen aber nicht zum Telefonhörer, womit ausgerechnet der erste schmerzfrei genießbare albanische Eurovisionsbeitrag in der Geschichte als allererster in der Qualifikationsrunde ausschied. Ein Jammer!
Da konnte Luiz noch so engagiert “Hape, hape, hape, hape, Zemëro” (“Öffne Dich, mein Liebling”) ausrufen: Europa verschloss Ohren und Herzen.
Vorentscheid AL 2006
Festivali i Këngës 44. Sonntag, 18. Dezember 2005, aus dem Kongresspalast in Tirana, Albanien. 20 Teilnehmer:innen. Moderation: Soni Malaj, Drini Zeqo.# | Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
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01 | Kujtim Prodani | Theva kokën si pa Dashur | n.b. | n.b. |
02 | Manjola Nallbani | S’mjafton një Jetë | n.b. | n.b. |
03 | Edona Llalloshi | Vetëm një Puthje | n.b. | n.b. |
04 | Eri | Dumbade | n.b. | n.b. |
05 | Marsida Saraçi | Do të doja | n.b. | n.b. |
06 | Mateus Frroku | Ti ëngjëll unë Promethë | n.b. | n.b. |
07 | Mariza Ikonomi + Erion Korini | Edhe Fati qan | n.b. | n.b. |
08 | Kozman Dushi | Se nuk Plakën ëndrrat | n.b. | n.b. |
09 | Denisa Macaj + Entela Zhula | Kur Zemra pret një Dashuri | n.b. | n.b. |
10 | Sonila Mara | Vjeshtë me ty | n.b. | n.b. |
11 | Anjeza Shahini | Pse ndal | n.b. | n.b. |
12 | Albërie Hadergjonaj | Ah, sikur kjo Jetë | n.b. | n.b. |
13 | Saimir Çili | Hipokrizi | n.b. | n.b. |
14 | Evis Mula | E dua Këngën | n.b. | 03 |
15 | Luiz Ejlli | Zjarr e ftohtë | n.b. | 01 |
16 | Erti Hizmo + Flaka Krelani | Për ty | n.b. | n.b. |
17 | Miriam Cani | Shko | n.b. | n.b. |
18 | Era Rusi | Nuk je ëndërr | n.b. | 02 |
19 | Agim Poshka | Nostalgji | n.b. | n.b. |
20 | Erinda Dhima | Për ju | n.b. | n.b. |
Letzte Aktualisierung: 24.08.2022