Groß­bri­tan­ni­en 2007: Der Traum vom Fliegen

Groß­bri­tan­ni­en hat sich für den ulti­ma­tiv camps­ten Euro­vi­si­ons­bei­trag aller Zei­ten ent­schie­den. ‘Fly­ing the Flag’ von Scooch ist Grand Prix aus dem Lehr­buch. Es ist der ulti­ma­ti­ve Euro­vi­si­ons­bei­trag. Vier Saft­schub­sen (zwei Mädels, zwei wei­te­re Mädels bio­lo­gi­sche Jungs) mit vol­ler Aus­stat­tung (Uni­for­men, Ser­vier­wa­gen, Ein­park­kel­len und so wei­ter) neh­men uns mit an Bord von Air Euro­vi­si­on, der schwuls­ten Flug­li­nie der Welt.


Hier mit allen Gags, die in Hel­sin­ki dank der unfä­hi­gen Bild­re­gie untergingen

Weder musi­ka­lisch noch text­lich oder erst recht cho­reo­gra­fisch wird auch nur ein Kli­schee aus­ge­las­sen – wun­der­bar! Musi­ka­lisch ist ‘Fly­ing the Flag’ bil­ligs­ter Neun­zi­ger­jah­re-Euro­dance-Trash der Preis­klas­se E‑Rotic oder Ven­ga­boys – also schon mal etwas, das mei­ne Gehör­gän­ge ent­zückt. Die super­simp­le wie effek­ti­ve Lufthu­schen­cho­reo­gra­fie wirkt, als habe sie sich ein schwu­ler Prak­ti­kant beim KiKa aus­ge­dacht – das kön­nen auch noch Fünf­jäh­ri­ge vor dem Bild­schirm mit­tan­zen, oder Grand-Prix-Huschen im Euro­club zu Hel­sin­ki nach dem zehn­ten Wod­ka. Und natür­lich wird weder das Zei­gen der Not­aus­gän­ge (für alle, die sich noch einen Rest an Geschmack bewahrt haben und des­halb beim Grand Prix fehl am Platz sind) weg­ge­las­sen noch das Anle­gen der Ret­tungs­wes­ten (zu spät!).


Ste­war­des­sen der Lie­be: Sest­re (SI 2002)

Selbst­ver­ständ­lich war das alles schon mal da – die slo­we­ni­sche Tran­sen­trup­pe Sest­re hat das bereits 2002 the­ma­ti­siert. Doch mit dem Trash ist das so eine Sache: Drag­queens sind ja per se als Tra­ves­tie gedacht, also nicht ernst zu neh­men. Die beson­de­re Scha­den­freu­de ent­wi­ckelt sich aber erst dadurch, dass ein ehe­ma­li­ger Chart-Act wie Scooch – die zwar auch nie wirk­lich ernst zu neh­men waren, aber immer­hin als “ech­ter” Pop-Act ange­fan­gen haben, sich hier in den Nie­de­run­gen des Camp suh­len. Auf die Spit­ze treibt das die Sola­ri­ums­sch­wuch­tel der dun­kel­haa­ri­ge Ste­wart kurz vor Schluss, als er ernst­haft “Would you like some­thing to suck on for Landing, Sir?” fragt und dazu pro­vo­kant etwas in die Kame­ra hält, das zumin­dest in der schlech­ten you­tube-Auf­lö­sung so aus­sieht wie ein Dil­do. Ob das die EBU-Zen­sur pas­sie­ren wird? Gut, ich bin schon bestürzt, dass mein Lieb­ling Bri­an Har­vey es nicht geschafft hat (Bri­an, ich will immer noch ein Kind von Dir!). Aber die­se Num­mer ist zu gut, um sie der Welt vor­zu­ent­hal­ten. ‘Fly­ing the Flag’ bestä­tigt sämt­li­che Kli­schees und Vor­ur­tei­le gegen den Euro­vi­si­on Song Con­test. Das sind die Bei­trä­ge, für die wir Fans leben! Hurra!

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