Großbritannien hat sich für den ultimativ campsten Eurovisionsbeitrag aller Zeiten entschieden. ‘Flying the Flag’ von Scooch ist Grand Prix aus dem Lehrbuch. Es ist der ultimative Eurovisionsbeitrag. Vier Saftschubsen (zwei Mädels, zwei weitere Mädels biologische Jungs) mit voller Ausstattung (Uniformen, Servierwagen, Einparkkellen und so weiter) nehmen uns mit an Bord von Air Eurovision, der schwulsten Fluglinie der Welt.
Hier mit allen Gags, die in Helsinki dank der unfähigen Bildregie untergingen
Weder musikalisch noch textlich oder erst recht choreografisch wird auch nur ein Klischee ausgelassen – wunderbar! Musikalisch ist ‘Flying the Flag’ billigster Neunzigerjahre-Eurodance-Trash der Preisklasse E‑Rotic oder Vengaboys – also schon mal etwas, das meine Gehörgänge entzückt. Die supersimple wie effektive Lufthuschenchoreografie wirkt, als habe sie sich ein schwuler Praktikant beim KiKa ausgedacht – das können auch noch Fünfjährige vor dem Bildschirm mittanzen, oder Grand-Prix-Huschen im Euroclub zu Helsinki nach dem zehnten Wodka. Und natürlich wird weder das Zeigen der Notausgänge (für alle, die sich noch einen Rest an Geschmack bewahrt haben und deshalb beim Grand Prix fehl am Platz sind) weggelassen noch das Anlegen der Rettungswesten (zu spät!).
Stewardessen der Liebe: Sestre (SI 2002)
Selbstverständlich war das alles schon mal da – die slowenische Transentruppe Sestre hat das bereits 2002 thematisiert. Doch mit dem Trash ist das so eine Sache: Dragqueens sind ja per se als Travestie gedacht, also nicht ernst zu nehmen. Die besondere Schadenfreude entwickelt sich aber erst dadurch, dass ein ehemaliger Chart-Act wie Scooch – die zwar auch nie wirklich ernst zu nehmen waren, aber immerhin als “echter” Pop-Act angefangen haben, sich hier in den Niederungen des Camp suhlen. Auf die Spitze treibt das die Solariumsschwuchtel der dunkelhaarige Stewart kurz vor Schluss, als er ernsthaft “Would you like something to suck on for Landing, Sir?” fragt und dazu provokant etwas in die Kamera hält, das zumindest in der schlechten youtube-Auflösung so aussieht wie ein Dildo. Ob das die EBU-Zensur passieren wird? Gut, ich bin schon bestürzt, dass mein Liebling Brian Harvey es nicht geschafft hat (Brian, ich will immer noch ein Kind von Dir!). Aber diese Nummer ist zu gut, um sie der Welt vorzuenthalten. ‘Flying the Flag’ bestätigt sämtliche Klischees und Vorurteile gegen den Eurovision Song Contest. Das sind die Beiträge, für die wir Fans leben! Hurra!