Take me to your Hea­ven: Schwe­den über­nimmt den ESC

Schwe­di­sche Kom­po­nis­ten machen sich breit beim Euro­vi­si­on Song Con­test: bereits in vier Län­dern sind ihre Songs am Start. Schon seit jeher gehört das skan­di­na­vi­sche Land zu den füh­ren­den Euro­vi­si­ons­na­tio­nen, deren Bei­trä­ge meist her­vor­ra­gend abschnei­den. Kaum ein ande­res Land ist so euro­vi­si­ons­be­geis­tert. Die dor­ti­ge Vor­ent­schei­dung, das Melo­di­fes­ti­valen, erzielt regel­mä­ßig sen­sa­tio­nel­le Ein­schalt­quo­ten, sei­ne Teil­neh­mer domi­nie­ren mona­te­lang die schwe­di­schen Charts. Unter Grand-Prix-Fans gilt das MF als die wich­tigs­te Vor­ent­schei­dung von allen, regel­mä­ßig wer­den dort Acts und Songs für die hin­te­ren Plät­ze geop­fert, für die ande­re Natio­nen (unter ande­rem die deut­sche) töten wür­den. Die schwe­di­sche Musik­in­dus­trie pro­fi­tiert jedoch auch wie kaum in einem zwei­ten Land vom Euro­vi­si­on Song Con­test. Mit dem Sieg von Abba 1974 begann eine bei­spiel­lo­se inter­na­tio­na­le Kar­rie­re für die Band. Seit­her fin­den auch ande­re Pro­duk­tio­nen aus dem Land der Herings­häpp­chen brei­te Beach­tung, sei­en es Roxet­te, Red­nex (die­ses Jahr in der rumä­ni­schen Vor­ent­schei­dung dis­qua­li­fi­ziert), Ace of Base oder aktu­ell The Ark.


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Seit eini­gen Jah­ren ist eben­falls zu beob­ach­ten, dass sich schwe­di­sche Kom­po­nis­ten ver­stärkt dem Aus­land zuwen­den und bei inter­na­tio­na­len Vor­ent­schei­dun­gen mit­mi­schen – und zwar mit zuneh­men­dem Erfolg. Bes­tes Bei­spiel hier­für ist wohl Tho­mas G:son, der mit sei­nen immer­glei­chen Schwe­den­schla­gern regel­mä­ßig sämt­li­che skan­di­na­vi­schen Vor­ent­schei­dun­gen bestückt. In die­sem Jahr war er bereits in Nor­we­gen erfolg­reich, wo es ihm gelang, sowohl den ers­ten als auch den zwei­ten Platz im Melo­di Grand Prix zu bele­gen. Etwas, das bis­lang eher Ralph Sie­gel vor­be­hal­ten war. Neben Guri Schan­kes ‘Ven a bailar con­mi­go’ kom­po­nier­te er aber auch den spa­ni­schen Bei­trag ‘I love you mi Vida’, vor­ge­tra­gen von der Boy­band Nash. Womit wir bei einem wei­te­ren inter­es­san­ten Trend wären: latein­ame­ri­ka­ni­schen Klän­gen aus schwe­di­scher Feder.


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Bei­de Songs haben nicht nur zufäl­li­ger­wei­se spa­ni­sche Titel, sie sind auch dem in Euro­pa seit Jah­ren erfolg­rei­chen Ricky-Mar­tin-Sound nicht ganz abhold. Dies gilt um so mehr für den drit­ten dies­jäh­ri­gen Euro­vi­si­ons­bei­trag mit schwe­di­scher Betei­lung, ‘Yos­sou Maria’ des für Grie­chen­land star­ten­den gebür­ti­gen Bri­ten Sar­bel Micha­el. Sein nicht nur im Song­ti­tel deut­lich an Ricky Mar­tins ‘Maria (Un, dos, tres)’ ange­leg­tes Lied wur­de von dem Schwe­den Mar­cus Eng­lof mit­ge­schrie­ben, der auch schon Hele­na Papa­riz­ou mit Hits ver­sorg­te. Die in Schwe­den gebo­re­ne und auf­ge­wach­se­ne Sän­ge­rin war es auch, die das im alten Jahr­hun­dert äußerst erfolg­lo­se Land urplötz­lich auf die Sie­ger­stra­ße führ­te – zunächst noch mit einem drit­ten Platz 2001 mit dem fan­tas­ti­schen ‘(I would) Die for you’, vier Jah­re spä­ter als Gewin­ne­rin mit dem bezie­hungs­rei­chen Titel ‘My Num­ber One’. Das süd­ost­eu­ro­päi­sche Land hat damit eine der wich­tigs­ten Erfolgs­for­meln beim Grand Prix ent­deckt: der Bei­trag muss in ers­ter Linie sofort ins Ohr gehen und über­all ankom­men. Lan­des­ty­pi­sche Ele­men­te (hier: die Bouz­ou­ki) dür­fen hin­ge­gen nur als schmü­cken­des Bei­werk vor­kom­men, um den Titel zuord­nen zu können.


Eben­falls aus schwe­di­scher Feder: Hele­na mit einem typisch grie­chi­schen Tanz

Was auch erklärt, wie­so die Schwe­den so erfolg­reich bei die­sem Wett­be­werb sind. Sie haben es – und gera­de Abba ist dafür eines der bes­ten Bei­spie­le – schon immer ver­stan­den, inter­na­tio­na­le Sounds auf­zu­grei­fen und Hit­for­meln dar­aus abzu­lei­ten, die über­all funk­tio­nie­ren. Nicht umsonst stam­men eini­ge der erfolg­reichs­ten glo­ba­len Pop­ti­tel, so u.a. Hits von Brit­ney Spears, aus schwe­di­scher Pro­duk­ti­on. Auch der bis­lang vier­te Euro­vi­si­ons­bei­trag die­ses Jah­res mit schwe­di­scher Betei­li­gung geht eher unge­wöhn­li­che Wege: die let­ti­schen Bona­par­ti mit ihrem (schreck­li­chen) ita­lie­nisch gesun­ge­nen Jun­ge-Tenö­re-Sound. Das hem­mungs­lo­se Mischen von Musik­sti­len und Spra­chen über die Lan­des­gren­zen hin­weg scheint den Schwe­den zu lie­gen. Nun mag man das mit dem Hin­weis auf die Auf­lö­sung natio­na­ler kul­tu­rel­ler Eigen­hei­ten und dem Hin­füh­ren zu einem pan­eu­ro­päi­schen Ein­heits­sound kri­ti­sie­ren. Ich aber fin­de das gut: mei­ner Mei­nung nach geht es gera­de bei der Euro­vi­si­on genau dar­um. Das Schau­en über den eige­nen Tel­ler­rand, das Ver­mi­schen, das lust­vol­le Her­um­ex­pe­ri­men­tie­ren mit Ein­flüs­sen von anders­wo her.

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Ich glau­be auch nicht, dass das zu einem Ein­heits­brei füh­ren wird. Da ist das Tele­vo­ting vor. Spä­tes­tens, wenn zu vie­le Songs zu gleich klin­gen, wird sich das abstim­men­de Publi­kum wie­der für etwas ganz ande­res ent­schei­den. Denn es liebt, das haben die Ergeb­nis­se der letz­ten Jah­re ja deut­lich gezeigt, die Abwechs­lung. Wes­we­gen wir vor einem pan­eu­ro­päi­schen Tho­mas G:son genau so wenig Angst haben müs­sen wie vor Ralph Sie­gel, der es ja jah­re­lang genau so betrie­ben hat. Irgend­wann wird auch sei­ne Zeit abge­lau­fen sein.

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