Während in den meisten Ländern die Teilrückkehr der Jurys für einen Rückfall in die schlimmsten Niederungen der Neunzigerjahre mit sterbenslangweiligen Schnarchballaden sorgte, entschied sich die ehemalige Eurovisionssupermacht Kroatien gleich für die schlimmsten Niederungen der Sechzigerjahre: es schickt ein unglaublich bieder aussehendes Bübchen namens Igor Cukrov (selbstredend ein Castingshowteilnehmer, wie geschätzt 130% aller derzeit im Musikbusiness Tätigen) mit einer schnulzig-abgestandenen Liebeserklärung aus dem Hause Huljić an ein Produkt des täglichen Bedarfs. Jedenfalls für die Generation, welche die Sechzigerjahre noch live miterleben durfte: ‘Ljepa Tena’.
Er knödelt und kreischt, dass man inkontinent davon werden könnte!
Cukrovs Sieg führt einmal mehr die Absurdität des Jury-Televoting-Mixes vor Augen (aber auf diesem Auge und Ohr sind die Juryfans leider blind und taub, da kann man sich Fusseln an den Mund reden!). Der eigentliche Dora-Sieger heißt nämlich Tomislav Bralić. Er gewann das Televoting mit einer Schlagerschnulze, für die selbst ein Hansi Hinterseer sich schämen würde. Die Jury hingegen setzte das schreckliche bosnische Damentrio Femminem (Sie erinnern sich vielleicht: ‘Call me’) an die Spitze. Profiteur dieser Uneinigkeit war der gute Igor, der in beiden Rankings an zweiter Stelle lag. Mit anderen Worten: Kroatien schickt sein zweitbestes Lied nach Moskau. Na bravo! Immerhin ist sein Beitrag konsequent: nicht nur unglaublich altbacken und dröge, sondern auch so katastrophal schief gesungen, dass man vor Pein unter sich lässt. Und was braucht man dann? Eben, die Tena!
Soll noch mal einer sagen, nur in Deutschland gäbe es schlimmen Schlager!
So langsam rückt eine Top-Ten-Platzierung für Alex swings, Oscar sings doch noch in greifbare Nähe!
Wetten richtig gesungen, etwas leidender und mit einem Joksimovic-Arrangement versehen und du würdest den Song lieben? 😉 Allerdings drängts ich auch mir so langsam der Verdacht auf, dass sich der diesjährige Jahrgang konsequent zurückentwickelt und Alt- oder Uraltkonzepte wieder aufgetragen werden. Dabei sollte man doch meinen, dass nach einem Timbaland-Sieg letztes Jahr ein bißchen mehr Moderne in den Contest einziehen würde. Doch irgendwie scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Viele Songs klingen als hätten sie schon vor Jahren genauso dabei sein können… 🙄
Absolut! 😀 Und was die Rückschrittlichkeit der Beiträge angeht, habe ich nur ein Wort: Jury! Wenn man den Muff der Fünfziger wieder einführt, bekommt man halt auch muffige Songs! Ganz einfach!
*Urgh… Also, mal ehrlich. Da wären auch Tomislav Bralic oder Feminem nicht besser gewesen… Ein absolut schwacher Jahrgang… Aber vielleicht lernt Igor ja die gute Metaxa kennen und wer weiß uns dann nächstes Jahr bevorsteht… 😉
Igor und Metaxa In 16 – 17 Jahren ein wahres Stimmwunder. Minus mal Minus ergibt schließlich Plus. 😉
Ach du lieber Himmel. Ich kann dem Kommentar hier nur vorbehaltlos zustimmen – allerdings finde ich, das ist nicht San Remo 1963, sondern eher – na, sagen wir, Madrid 1962. Noch rückwärtsgewandter, aber mit einer typisch iberischen Jammergitarre. Dagegen war ja der schimpfende alte Mann die Krone der Innovation…
Jury als Retter? Diesmal wohl tatsächlich Über den Sinn und Unsinn von Juries kann man ja sehr geteilter Meinung sein (und ich bin selbst noch nicht zu einem eindeutigen Urteil gekommen), aber bei der diesjährigen Dora muss ich sagen, dass ich sehr dankbar über das Vorhandensein einer solchen war! Natürlich gibt es das beschriebene Phänomen, dass bei Uneinigkeit dann der Zweite gewinnt, den eigentlich niemand an erster Stelle haben wollte, aber so ist das nun mal, auch bei Demokratie im Großen (oder glaubt ernsthaft jemand, dass sehr viele Wähler in D eine große Koalition hätten haben wollen?): es geht um Schadensbegrenzung. Und die war hier auf jeden Fall nötig! Der ‘eigentliche Dora-Sieger’ Tomislav Bralic hatte ja wohl die mit Abstand übelste Schnulze des Abends. Das der hier Unterstützung findet, wundert mich schon sehr! Was nicht heißen soll, das er nicht singen kann. Aber das Lied trifft zwar sicherlich die kroatische Seele (sonst wäre er nicht auch bei der Jury ziemlich weit oben gewesen), aber schläfert ansonsten eher ein. Zugegeben, der nun ausgewählte Beitrag entspricht in keiner Weise meinem persönlichen Geschmack, und er ist auch sicherlich kein Siegertitel. Aber das kann man so ziemlich von allen diesjährigen Dora-Beiträgen sagen. Da stach er in gewisser Weise sogar positiv heraus, immerhin hat das Stück eine gewisse Dramatik, und – obwohl der Sänger in den Höhen etwas schwächelte – der Gesang und auch die Stimme sind eigentlich ganz in Ordnung. Im Duett mit der weiblichen Begleitung war es sogar richtig gut. Das ist zwar noch verbesserungswürdig, aber nicht hoffnungslos. Wenn man sieht, was das Publikum ansonsten so favorisiert hat, könnte einem das ganz große Grauen kommen: die Hupfdohle Ana Bebic gehörte zu den wenigen, die wirklich überhaupt nicht singen können, und der Beitrag der ebenfalls favorisierten Franka war zwar mit den lustigen purzelbaum-schlagenden Männchen in ihren bunten Jogginganzügen wahrscheinlich ESC-tauglich, aber der Gesang absolut schwach und die Performance ebenfalls mies (es sah aus, als wenn Franka jeden Moment aus ihren Pantinen kippen würde). Da ist der Jury-Favorit Feminnem tatsächlich der einzige Lichtblick gewesen. Von denen hat man zwar auch schon Besseres gesehen, aber das war wenigstens professionell dargeboten. Und die Leute mit den richtig guten Stimmen (etwa Kvartet Bravo oder Mijo Lesina) hatten absolut langweilige Songs. Von daher: mit dem Sieger kann man tatsächlich leben. Er muss noch etwas an sich arbeiten, aber der Beitrag hat Potential. Ein Dank an die Schadensbegrenzung durch die Jury!
re: Jury als Retter? Diesmal wohl tatsächlich
Ja, das glaube ich. Ernsthaft. Sonst wäre nicht dieses Wahlergebnis herausgekommen. Ich wollte sie nicht, um das klar zu stellen, ich finde große Koalitionen sind das schlimmste, was einem Land passieren kann, weil dann eben vier Jahre lang gar nichts passiert. Aber genau das war es, was die meisten Wähler wollten, ebenfalls im Sinne einer Schadensbegrenzung (nach dem Motto: Politik richtet eh nur Schaden an, am besten machen sie gar nichts). Ich persönlich bin aber gegen Kompromisse allergisch, mir ist es lieber, der Falsche gewinnt, als ein Kompromißkandidat. Gilt für die Politik wie für den Grand Prix.
re: re: Jury als Retter? Diesmal wohl tatsächlich [quote]mir ist es lieber, der Falsche gewinnt, als ein Kompromißkandidat[/quote] Ein Standpunkt, der zwar nicht meiner ist, der mir aber – konsequent gelebt – durchaus einen gewissen Respekt abnötigt. Auf diesem Hintergrund ist das Eintreten für Tomislav Bralic verständlich. [quote]große Koalitionen sind das schlimmste, was einem Land passieren kann, weil dann eben vier Jahre lang gar nichts passiert.[/quote] Da muss ich zustimmen. Allerdings glaube ich, dass der Grund dafür ist, dass sie eigentlich kaum jemand haben wollte. Wenn nämlich Kompromissbereitschaft der Grund für eine Wahlentscheidung ist, wäre wenigstens die Chance für tragfähige Kompromisse gegeben. Da aber die Mehrheit (ich sage nicht: alle) der Wähler aber eine der beiden Parteien hätte wählen wollen (und nur rechnerisch ein Patt herauskam), kommt es viel schlimmer: es passiert nämlich tatsächlich [b]nichts[/b], weil niemand seine Wählerschaft vergrätzen will. Aber jetzt sind wir natürlich doch recht weit vom Grand Prix abgekommen … … oder doch nicht? PS: auch wenn ich geschmacklich in vielen Punkten ganz anderer Meinung bin, schätze ich diese Website sehr und lese sogar Verrisse meiner Favoriten mit einem gewissen Genuss.
Ach, das war schief gesungen? Und ich hab geglaubt, auf dem Balkan muss das so sein, damit man Lied und Sänger abnimmt, wie dramatisch traurig das alles doch ist.… Nä, nä, nä, ich kann diesem in dieser Gegend garantiert megabeliebten und ‑erfolgreichen Musikstil einfach selten mal was abgewinnen. Kann auch nicht beurteilen, ob das nun besonders altbacken ist, es ist halt.…Hardcore-Balkan-Herzschmerz
Wo du gerade Kompromisskandidat erwähnst und um deine eigenen Worte zu zitieren. [quote]Mit anderen Worten: Kroatien schickt sein zweitbestes Lied nach Moskau. Na bravo![/quote] Das ist doch eigentlich genau das wovor man bei dem diesjährigen ESC ebenfalls Angst haben muss. Es gewinnt nur das zweitbeste Lied weil keine Einigkeit herrscht. Empfinde ich auch als Sauerei. 😡 Na gut, es sei denn mein Favorit würde davon profitieren. 😉
so müsste sich das ganze eigentlich anhören wenn´s ned schief gesungen wird, ab 1:45min … http://www.youtube.com/watch?v=F15rlTZBKI4 hört sich garned so schlecht an …