Als haushoher Favorit ging er ins Rennen, als wolkenkratzerhoher Sieger ging er daraus hervor: der norwegische Knuffel Alexander Rybak. Punkte aus allen 42 abstimmenden Ländern, darunter sechzehn Mal die Höchstwertung; hundert Punkte Abstand zur Zweitplatzierten: das Abschneiden des nordischen Eurovisionsmärchens geriet zum erwartbarsten Sieg seit 1976. Und stand somit leider auch am Ende der wohl langweiligsten Punkteauszählung seit Menschengedenken. Die auch durch den neu eingeführten 50/50-Jury-Televoting-Mix nicht spannender wurde. Im Gegenteil: auch die Juror:innen setzten den norwegischen Geigentroll mit astronomischem Abstand an die Spitze.
Alex und die Manamana-Singerettes (NO).
Meine Vermutung, zubrotfreudige Juror:innen könnten gar die Verantwortung für das überraschend gute Abschneiden des für seine Korruption berüchtigten Ölförderstaates Aserbaidschan auf Rang 4 tragen, bewahrheitete sich indes nicht. Im Gegenteil: die alliterative Eingängigkeit seines Ethnopopsongs (Aserbaidschan: AySel & Arash – ‘Always’ / das, liebe Kinder, war der Buchstabe “A”!) schnitt bei den Televoter:innen (Rang 2) besser ab als bei den Juror:innen (Rang 8). Nun dürfte das Herabdrücken des Little-Four-Landes um zwei Plätze kaum als Beweis für die Tauglichkeit des Juryeinflusses zur Neutralisierung des Diasporavotings (so eines der Pro-Argumente seiner Befürworter:innen) ausreichen. Aber auch die versprochene Förderung qualitativ anspruchsvoller Musik (das beliebteste Argument der Bevormundungsanhänger:innen) scheiterte spektakulär, wie das monumentale und unentschuldbare Versagen der Jury im Falle Frankreichs belegt.
S’il fallait le fairrre, j’arrrrrêterais la terrrrre: Frau Kaas hält die Welt an (FR).
Denn das kriminell schlechte Abschneiden der Grande Nation ist schlichtweg inakzeptabel. Im Gegensatz zum sonstigen stetig lästernden Geschnatter auf der Grand-Prix-Party meiner Freunde war es während Patricia Kaas’ Auftritt mucksmäuschenstill – wie hätte man vor lauter wohliger Gänsehaut auch sprechen sollen? Ich bin zugegebenermaßen üblicherweise kein Fan der Kaas und ihrer düsteren Chansons, aber bei ‘S’il fallait le faîre’ stockte mir angesichts der Hochklassigkeit ihrer Darbietung schier der Atem. Das Akkordeon verlieh der fantastischen Ballade französischen Charme und Schwung, und die Bühnenpräsenz von Mademoiselle vermögen schnöde Worte nicht einmal ansatzweise adäquat zu beschreiben. Um es kurz zu machen: zum Niederknien! Dass die Juror:innen das lebende französische Nationalheiligtum, fraglos die größte Künstlerin, die jemals ihren Fuß auf eine Eurovisionsbühne setzte, nicht an die Spitze katapultierten, wie es ihre Aufgabe gewesen wäre, sondern nur auf ihren vierten Platz wählten (Rang 8 im Gesamtklassement), disqualifiziert sie als Gralshüter:innen der Qualität. Auf ewig.
Schau ins Licht, Carol-Anne! (SE)
Der moralische Sieger dieses Jahrgangs heißt aber ohnehin Schweden. Als einziges Teilnehmerland zeigte es hinsichtlich des unglaublichen Verhaltens der russischen Staatsführung im Zusammenhang mit der gewaltsam aufgelösten Schwulendemo Slavic Pride am Finaltag Flagge. Und zwar wörtlich: Schwedens Punkteansagerin Sarah Dawn Finer (aka Lynda Woodruff) trug das Regenbogensymbol als Anhänger an der Halskette. Die singende Vertreterin des Landes, Malena Ernman, erklärte sich bereits im Vorfeld zur Solidaritätslesbe. Der völlig unverdiente 21. Platz für das camptastische ‘La Voix’ macht mich daher noch heute unsagbar wütend. Zumal auch hier die Jurys ihre Chance zum Flaggezeigen versäumten: Rang 22 gar bei den Geschmacksgestörten. Schande über Euch! Patricia und Malena waren die beiden einzigen Lichtblicke in einer fast durchgängigen Balladenstrecke während der ersten halben Stunde des diesjährigen Finales, mit welcher meine diesbezügliche Leidensbereitschaft weit über die Grenzen des Zumutbaren hinaus auf eine harte Probe gestellt wurde. Nun ja: wer Jurys sät, wird Balladen ernten. Gegen die ich übrigens nicht grundsätzlich etwas habe. Außer, sie sind langweilig, was leider auf die deutliche Mehrheit der ersten sieben Titel zutraf.
Lass mich Deine Tena sein, Igor! (HR)
Wie beispielsweise auf den Litauer Sascha Son (mittlerweile: Sascha Song) und seine zu Tode anglifizierte Ballade ‘Love’. Oder das israelisch-palästinensische Frauenduo Noa & Mira Awad mit ihrem inhaltlich so unterstützungswürdigen, musikalisch leider arg drögen Angebot zur Aussöhnung und zur Verständigung. ‘There must be another Way’ galt hier in beiderlei Hinsicht. Dessen ungeachtet verfolgt die beiden Frauen für ihre nach meinem Empfinden aufrichtigen und vorbildlichen Friedenshymne natürlich meine volle Sympathie. “Rrrrrrrrrrrrrrrrrr!” tönte es aus unserer Hetera-Frauen-Ecke, kaum dass der niedliche Igor Cukrov seinen ersten Schlafzimmerblick in die Kameras schickte. Und auch ich würde ihn keinesfalls von der Bettkante stoßen, notfalls unter Inkaufnahme seines knödelnd gesungenen Schmachtfetzens über Inkontinenzprodukte, ‘Lijepa Tena’. Um so störender das trampelige Hereinplatzen Andrea Šušnjaras: die Blondine hielt sich weder an den kroatischen Dresscode (schwarz), noch traf sie die Töne. Es klang, als ob eine Straßenkatze gefoltert würde. Dafür und für den verpatzten Flirt mit unserem Igor gilt ihr unser geballtes Missfallen.
Einfach süß: die dicke Frau aus Portugal und ihre Instrumentalisten.
Unsere Herzen im Sturm eroberten die Portugiesen Flor-de-Lis, die wirkten wie die Kelly Family in sympathisch: beinahe naiv fröhlich, unverstellt und offensichtlich ohne Modeberater. Ihr mit Akkordeon, Querflöte und Djembé liebreizend instrumentierter, schwungvoll-verspielter und völlig undepressiver Folkpopsong ‘Todas as Ruas do Amor’ verschmolz mit dem stimmigen, prilblumenbunten Bühnenhintergrund zu einer audiovisuellen Wohltat, einer Art mentalem Kurzurlaub vom kaltherzigen Geprotze des Moskauer Wettbewerbs. Bei Island hingegen riss mir endgültig der bereits bis aufs Äußerste gespannte balladeske Geduldsfaden. Um so mehr erstaunt mich Yohannas überragendes Abschneiden. Okay, stimmlich konnte sie und ihr mit Hera Björk und Friðrik Ómar (Euroband) prominent besetzter Begleitchor überzeugen. Und ‘Is it true?’ verfügt über eine starke Melodie. Aber dieses schlimme bommelige Omakleid! Und, viel wichtiger, die fehlende Dramatik. ‘Is it true?’ handelt vom bevorstehenden Ende einer Beziehung. Ich konnte aber Yohannas Schmerz, ihre Angst und Verzweiflung in dem Lied nicht spüren. Die gesamte Darbietung kam daher, als ginge es um einen abgelaufenen Becher Joghurt, den sie wegwerfen musste (“did I throw it away?”). Das rührte mich nicht an.
Mein Barbara-Dex-Award 2009: Yohannas entsetzlicher Fümmel (IS).
Hysterisches Gelächter diesmal aus der Frauenecke, als unser (wie ich nicht ohne Trauer in der Stimme verkünden muss: heterosexuell verheirateter) griechischer Turnergott Sakis Rouvas zum Auftakt in rhythmische Zuckungen mit dem Oberkörper verfiel, um damit wie zufällig sein äußerst knappes Shirt zu lüpfen und seine trainierten Bauchmuskeln zu präsentieren. Leider ging sein Eurodance-Klopfer ‘This is our Night’ in dem ganzen optischen Spektakel etwas unter, das er mit seinem Multifunktions-Fitnessgerät (Laufband, Skiabfahrtstrainer, Balancelift, Sonnenbank, Raketenabschussrampe, Tacker: mehr Anwendungen in nur einem Großgerät gehen nun wirklich nicht mehr!) und seinen hektischen Verrenkungen entfachte. Auch das dimabilaneske Zerreißen seines T‑Shirts wirkte eher OTT als sexy. Dass bei all dem anstrengenden Gehüpfe nicht er, sondern der im Bühnenhintergrund versteckte Alexandros Panayi (CY 1995, 2000) den größten Teil der Leadvocals sang, bleibt da eine Randnotiz.
Zog alle Register: Sakis und sein Tacker (GR).
Anstrengung schien überhaupt das Thema dieses Contests zu sein. Die Schwestern Inga & Anush Arshakyan aus Armenien präsentierten sich in einer Kombination aus Haarhäubchen, bodenlangen Brokatkostümen und beinahe schon gesichtsbedeckendem Eyeliner, was ihnen ein bisschen das Aussehen von Burkaträgerinnen verlieh. Ihren auch musikalisch deutlich orientalisch angehauchten Ethnosong ‘Jan Jan’ empfand ich hauptsächlich als lärmig – wobei das noch gar nichts war im Vergleich zu dem unmelodischen, aufdringlichen Krach, den die beiden Aggressorinnen aus Rumänien I & II, Elena Gheorghe mit der billigen, in miserablem Englisch dargebotenen Discoflittchen-Nummer ‘The Balkan Girls’ und Nelly Ciobanu mit der Bukovinasound-Krakeelerei ‘Hora din Moldova’ im Laufe des Abends noch veranstalten sollten. Und was den Songtitel angeht: nein, es ist nicht, was Sie wieder denken, Sie altes Ferkel: ‘Hora’ übersetzt sich mit ‘Moldawischer Tanz’, wohl so eine Art gehüpfte Abwandlung des irischen Riverdance, wenn man den Darbietungen von Nellys anmutigen Tänzern Glauben schenken darf. An dieser Stelle beschloss ich jedenfalls, mir für künftige Jahrgänge stets vorsorglich Ohropax und Aspirin parat zu legen.
Obenrum Heidi, untenrum Julius Cäsar: Nellys lustiges Kostüm (MD).
Das Gastgeberland entschied sich zum allgemeinen Erstaunen für eine ukrainische Sängerin, Anastasia Prikhodko, die mit ihrer Mammografie, Verzeihung: mit ihrem Emanzipationssong ‘Mamo’ zuvor bereits in einer der typisch undurchsichtigen Vorentscheidungen ihres Heimatlandes gescheitert war. Nun greinte die in eine Art Badetuch Gekleidete ihr Klagelied also für Mütterchen Russland, während man auf den Videoleinwänden ihrem Konterfei beim gemorphten Altern zusehen konnte. Weder optisch noch akustisch schön, aber eine beeindruckende Demonstration des kulturellen Führungsanspruchs des flächenmäßig größten Landes der Erde in Sachen Weltschmerz. Beim Voting schnitt Anastasia mit 15 Punkten Vorsprung einen ganzen Platz besser ab als ihre Landsfrau Slutlana Svetlana Loboda. Was wohl auch damit zu tun hatte, dass das russische Staatsfernsehen die fulminante Choreografie von ‘Be my Valentine’ durch katastrophale Kameraarbeit mutwillig zerstörte, noch augenfälliger als bereits im Semi. Weder von den durchtrainierten, tanzenden Weltraum-Römern noch von der Kiewer Bahnhofsnutte war all zu viel zu sehen. Und selbst die gigantischen Rhönräder verschwanden in einem Sumpf aus unscharfem Fokus und hektischen, sinnlosen Schnitten.
Die Alte flennt, die Junge greint: die doppelte Anastasia (RU).
Eine Erwähnung verdient das grausame Bühnenkostüm der aserbaidschanischen AySel, namentlich ihr Vokuhila-Kleid mit dem einbeinigen silbernen Stützstrumpf. Von diesem optischen Grauen mal abgesehen bot ‘Always’ bereits alle Siegesingredienzen: ein eingängiger, in homöopathischen Dosen folklorisierter Popschlager aus schwedischer Produktion (selbst der Mitautor und ‑sänger Arash Labaf lebt in IKEA-Land); ein zu einer musikalischer Zwangsehe verdonnertes, asexuell wirkendes Mann-Frau-Duo und eine unspektakuläre, aber präsente Choreografie. 2011 sollte das zum Sieg reichen. Und auch in diesem Jahr hätte es bereits zum zweiten Platz gelangt, wäre es rein nach dem Willen der Televoter:innen gegangen. Als Gegenreaktion auf den weltweiten Bankrott des Kapitalismus kann die Show der bosnischen Band Regina gewertet werden, die mit Fantasieuniformen, dezenten Marschrhythmen und dem Schwenken einer roten Fahne die bei vielen ehemaligen Ostblockbewohnern sicherlich vorhandene Retro-Sehnsucht nach der guten alten kommunistischen Zeit auf subtile Weise bediente. Ihre verhalten dramatische Balkanballade ‘Bistra Voda’, mit schmerzverzerrtem Gesicht vorgetragen, kam in den slawischen Bruderländern dann auch bestens an.
Die Vorboten des Schwarzmeerfrühlings: A & A (AZ).
Die Hoffnung der Malteserin Chiara Siracusa es Udo Jürgens gleichzutun und beim dritten Auftritt in Folge die Trauben zu ernten, ging fehl. ‘What if we’ war nun auch der schwächste der bisherigen Beiträge der maltesischen Joy Fleming und entwickelte auch leider erst ganz zum Schluss ein wenig Tempo. Möglicherweise zeigte sich Europa durch die stetige Wiederholung inzwischen auch ein wenig immun gegen Chiaras immergleiche Charmeshow. Dann doch bitte lieber wieder flotten Poptrash! Ein wunderbar rollendes “R” in bester Lena-Valaitis-Tradition, eine schöne Melodie, eine skurrile Sprache, die perfekt zu der mystischen Stimmung des Songs passte: selbst der Mireille-Mathieu-Kochtopfpony der magersüchtigen Urban-Symphony-Frontfrau Sandra Nurmsalu konnte das angenehme Gesamtbild des estnischen Beitrags ‘Rändajad’ nicht zerstören. Im Gegensatz zu der so unangebrachten wie arrogant wirkenden Siegerfaust, die der dänische Ersatz-Ronald-Keating Brink am Ende seines gefühlt dreistündigen Vortrags des an Ödnis und Leblosigkeit nur schwerlich zu überbietenden Seichtsongs ‘Believe again’ (welch durchsichtiger Versuch, sich an den Siegertitel des Vorjahres anzuwanzen!) schwang.
Natürlich chancenlos gegen osteuropäische Discoflittchen: deutsch-amerikanische Cabaret-Erotik (DE).
Zum Bigband-Swingsound der Vierzigerjahre, der das Grundgerüst zu unserer Dancenummer ‘Miss Kiss Kiss Bang’ bildete, mögen die Outfits und Frisuren der beiden deutschen Tänzerinnen ebenso gepasst haben wie das der teuer eingekauften (und von Alex C. entsprechend marktschreierisch annoncierten) amerikanischen Burleske-Künstlerin Dita van Teese. Ob wir allerdings angesichts unserer Geschichte ausgerechnet jenes Jahrzehnt bei einem europäischen Liederwettbewerb ästhetisch wieder aufleben lassen sollten, möchte ich indes in Frage stellen. Frau van Teeses uninspirierter Auftritt enttäuschte auf ganzer Linie: wenn man schon einen handfesten Medienskandal aus der Tatsache inszeniert, dass sie der ersten Generalprobe ihren blanken Busen zeigte, kann sie denselben nicht dann bedeckt lassen, wenn es zählt. (Irgendwelche EBU-Spießer hatten nach der ersten Generalprobe, als van Teese blank zog, interveniert, und die deutsche Delegation hatte nicht genügend Eier in der Hose, sich darüber hinwegzusetzen. Im Finale blieben Ditas Mammae züchtig bedeckt, was ihrer Show natürlich den Witz nahm.) Letzen Endes illustrierte aber nichts besser die vorherrschende Verzweiflung im deutschen Lager, als dass man am Ende alle Hoffnung auf diesen Gimmick setzte und damit vom Beitrag und Oscar Loyas glitzernden Hosen abzulenken suchte. Platz 23 im Televoting, mit der höchsten Einzelpunktzahl aus Albanien: so etwas nennt sich ein Armutszeugnis!
Mit dem Tänzer würd ich auch gerne mal ‘Düm Tek Tek’ machen! (TR)
Die Türkei hingegen demonstrierte mit ‘Düm Tek Tek’ (Platz 3 im Televoting) eindrucksvoll, wie ein osmanischer Beitrag auszusehen und zu klingen hat: ein bisschen Bauchtanz, ein bisschen Shakira, knackige Beats, ein noch knackigerer Tänzer mit breiten Schultern und wildem Bart, der Hadise Açıkgöz umgarnte. Und Feuer, viel Feuer. Selbst der sandraeske Gesangsvortrag (wesentliche Teile des Refrains übernahmen die Backings) wertete die Nummer noch auf. So mag ich das! Unser Punkteallianzpartner Albanien überzeugte mit ‘Carry me in your Dreams’, einem wirklich großartigen, kompetent gesungenen, extrem eingängigen Europoptitel, der um mindestens zehn Plätze besser abgeschnitten hätte ohne den schlimmen türkisfarbenen Pailletten-Spiderman, die aufgezwungene Choreografie mit unnatürlichen Sitzproben auf den tanzenden Harlekin-Zwergen Ardi und Andi Kocaj sowie das furchtbare Tütü, in dem die bedauernswerte, blutjunge Sängerin sich im Sturm der Windmaschine behaupten musste. Toll hingegen die aus dem Film Priscilla – Königin der Wüste geklaute Handchoreografie auf “No, no, never let go”. Bravo, Kejsi Tola!
Bei 1:59 Min. passiert’s: bumms, hat Jade den Geigenbogen in den Rippen! (UK)
Großes Gelächter in unserer Runde, als die britische Hoffnung Jade Ewen beim Herunterschweben von der großen Showtreppe nicht genügend Sicherheitsabstand zu einem ihrer Geiger einhielt und dessen Bogen in den Leib gerammt bekam. Um so bravouröser, dass sie sich weder davon noch von dem komischen Grinch am Klavier davon abbringen ließ, ihre ‘One Moment in Time’-Kopie zu Ende zu bringen – und, so wie auch Whitney Houston in ihren Drogenjahren, die große, dramatische Schlussnote zu verjodeln. Dennoch bewies die Rückbesinnung der ehemals führenden Popnation Großbritannien auf einstige Stärken (in diesem Fall auf die Musicallegende Andrew Lloyd Webber, der die Kitschnummer verfasste und am Klavier begleitete) und das gute Ergebnis (Platz 5 im Gesamtklassement, 10 im Zuschauer:innenranking), dass auch eine klassische Eurovisionsnation im Konzert der jungen Wilden noch erfolgreich mitspielen kann, wenn sie sich nur mal Mühe gibt! Was allerdings nicht für Spanien zu gelten scheint. Eine gewisse Seelenverwandschaft des “Take me, shake me”-Refrains von ‘La Noche es para mí’ zu Uschi Blums erstem Knaller “Benutz mich, beschmutz mich” ist nicht von der Hand zu weisen. Wieso dann aber Laura Voutilainen hier unter dem spanischem Tarnnamen Soraya Arnelas antrat und dann noch mit der schrillen Schlussnote alle Chancen dieses tollen Uptempostampfers versemmelte, werde ich nicht begreifen.
Take me, shake me, bake me: Soraya ist in Wahrheit die Pillsbury-Frau! (ES)
Verlässlich wie immer lieferte der slowenische Ansager Peter Poles die beste Comedyeinlage bei der Punkteauszählung ab, als er eine Schweigeminute für den im Semi ausgeschiedenen Beitrag seines Landes einlegen wollte und das auch souverän 20 Sekunden lang durchhielt, aller Proteste der russischen Moderatoren zum Trotz. Sieger Alexander Rybak schenkte uns ein Grand-Prix-Märchen: Kind weißrussischer Eltern, in Norwegen aufgewachsen – so konnte sich sowohl der Osten als auch der Westen als berechtigter Gewinner fühlen. Auch bei uns kam das bestens an: Platz 4 in den deutschen Charts für ‘Fairytale’. 12 Punkte gehen zudem an den deutschen Kommentator Tim Frühling, dem zum völligen Durcheinander auf der Bühne bei der Siegerehrung, bei dem der jugendlich wirkende Alexander zeitweise etwas verloren herumstand, spontan einfiel: “Der kleine Alexander möchte von seinen Eltern abgeholt werden!”. Damit hat er sich für das Erbe Peter Urbans qualifiziert!
Die teuerste, gigantischste Eurovisionsshow aller Zeiten. Nicht unbedingt die beste (komplettes Finale).
Eurovision Song Contest 2009
Eurovision Song Contest – Finale. Samstag, 16. Mai 2009, aus dem Olympiastadium in Moskau, Russland. 25 Teilnehmerländer, Moderation: Alsou und Ivan Urgant.# | Land | Interpreten | Songtitel | Punkte gesamt | Platz | Televoting | Platz |
---|---|---|---|---|---|---|---|
01 | LT | Sasha Son | Love | 023 | 24 | 038 | 20 |
02 | IL | Noa + Mira Awad | There must be another Way | 053 | 16 | 015 | 25 |
03 | FR | Patricia Kaas | Et s’il fallait le faire | 107 | 08 | 054 | 17 |
04 | SE | Malena Ernman | La Voix | 033 | 21 | 059 | 15 |
05 | HR | Igor Cukrov + Andrea Šušnjara | Lijepa Tena | 045 | 18 | 055 | 16 |
06 | PT | Flor-de-Lis | Todas as Ruas do Amor | 057 | 15 | 045 | 18 |
07 | IS | Yohanna Jónsdóttir | Is it true? | 218 | 02 | 173 | 04 |
08 | GR | Sakis Rouvas | This is our Night | 120 | 07 | 151 | 05 |
09 | AM | Inga & Anush Arshakyan | Nor Par (Jan jan) | 092 | 10 | 111 | 09 |
10 | RU | Anastasiya Prykhodko | Mamo | 091 | 11 | 118 | 08 |
11 | AZ | Aysel & Arash | Always | 207 | 03 | 253 | 02 |
12 | BA | Regina | Bistra Voda | 106 | 09 | 124 | 07 |
13 | MD | Nelly Ciobanu | Hora din Moldova | 069 | 14 | 066 | 13 |
14 | MT | Chiara Siracusa | What if we | 031 | 22 | 018 | 24 |
15 | EE | Urban Symphony | Rändajad | 129 | 06 | 129 | 06 |
16 | DK | Brinck | Believe again | 074 | 13 | 040 | 19 |
17 | DE | Alex swings, Oscar sings | Miss Kiss Kiss Bang | 035 | 20 | 018 | 23 |
18 | TR | Hadise Açıkgöz | Düm tek tek | 177 | 04 | 203 | 03 |
19 | AB | Kejsi Tola | Carry me in your Dreams | 048 | 17 | 081 | 11 |
20 | NO | Alexander Rybak | Fairytale | 387 | 01 | 378 | 01 |
21 | UA | Svetlana Loboda | Be my Valentine (Anti-Crisis Girl) | 076 | 12 | 070 | 12 |
22 | RO | Elena Gheorghe | The Balkan Girls | 040 | 19 | 064 | 14 |
23 | UK | Jade Ewen | It’s my Time | 173 | 05 | 105 | 10 |
24 | FI | Waldo’s People | Lose Control | 022 | 25 | 030 | 22 |
25 | ES | Soraya Arnelas | La Noche es para mí | 023 | 23 | 038 | 21 |
Zuletzt aktualisiert am 11.05.2021
Großartiger zweiter Platz für eine großartige Sängerin mit einem großartigen Lied. Bottom line! 😉
BRAVO Patricia Kaas
Davon bin ich sogar felsenfest überzeugt. Allein schon, weil meiner Erfahrung nach Skandinavier sehr gut englisch können. Und ein offenes Völkchen ist das auch, glaube ich… Ob jemals wieder ein(e) homosexuelle® ESC-Fan für einen russischen Beitrag stimmen wird?
Ist es eigentlich unbedingte Pflicht, als Gewinner den nächsten Contest auszutragen? Israel hat ja einmal (ich glaube 1980) darauf verzichtet, nachdem man zweimal hintereinander gewonnen hatte. Wohingegen Irland sich nicht zu schade war, sogar dreimal hintereinander den ESC auszutragen… So oder so, ich denke schon, die Isländer hätten gerne gewonnen – sonst hätten sie doch nicht so einen tollen Beitrag geschickt…
Zehn Beobachtungen zum ESC 2009 I. Gratulation nach Norwegen. Was hoffentlich bedeutet, dass wir 2010 einen professionelleren ESC mit echten Moderatoren und ohne schwulenfeindliche Ausfälle erleben dürfen. II. Die Franzosen und die Engländer haben es vorgemacht: ja, auch die Big Four können groß punkten! III. Letzter mit über 20 Punkten? Das gabs auch noch nicht. Aber es beruhigt, dass die Finnen es noch draufhaben 😉 IV. Gratulation auch nach Island. Ich glaube, die wollten nicht gewinnen und wären ganz schön entsetzt gewesen, wenn es geklappt hätte. V. 387 Punkte. Nuff said. VI. Sollen die Herrschaften bei nul-points.net ihre Worte fressen. Serbien kommt mit einem Besenstiel ins Finale, die Ukraine gewinnt, Estland wird Zwanzigster – ha, ha, ha, liebe Schreiber! Und soviel auch zu der These, dass es nur noch sechs Länder gibt, die den Wettbewerb gewinnen können. VII. Was hat Aserbaidschan und die Türkei so weit nach oben gebracht? Grausiges Zeug. Und das sage ich als halber Osmane. VIII. Norwegen muss noch kräftig aufholen – drei Siege, zehn letzte Plätze. Und bitte, bitte, bitte nicht wieder so machen wie nach eurem letzten Sieg…1995 gewonnen, 1996 Zweiter, 1997 null Punkte. IX. Apropos null Punkte: die Tschechen haben es geschafft, fünf Jahre nach dem letzten Nulpointer aus der Schweiz. Ich glaube, so wollten Gypsy.cz nicht in die Annalen des ESC eingehen. Und eine Erwähnung verdient auch Belgien mit einem ganzen Punkt… X. Die Show wirkte doch sehr routiniert runtergebetet. Hoffen wir, dass das 2010 wieder besser rüberkommt (da dauert die Chose dann auch nicht bis zwei Uhr morgens Ortszeit…)
Ich fand die Türkei super (genau so muss ein türkischer ESC-Beitrag sein!) und Asérbaidschan (wusste bis Samstagabend nicht, dass man das auf der zweiten Silbe betont) zumindest sehr eingängig, wenn auch optisch, ähm, suboptimal. Und das sage ich als voller Nichtosmane. 🙂
France Patricia war die Beste.…ich bin kein sonderlich sensibler Mensch, aber bei dem Auftritt hatte ich Tränen in den Augen, so schön und traurig zugleich war es. Leider gewinnt soviel Klasse und echte Kunst ( ich bin ja naiv zu glauben, Musik wäre immer noch Kunst ) nicht den ESC – hatte ich auch nicht erwartet, wohl aber erhofft. Leider konnten oder wollten auch die Jurys daran nichts ändern ( Frankreich wurde nur vierter in der Gesamtwertung der Jurys, hinter Norwegen, Island und UK ). Die 300 plus X Punkte hätte jedenfalls Frankreich verdient, was für eine große Message wäre das gewesen. Jetzt hat, nach 2008, wieder ein Fiedel-Beitrag gewonnen und ein Typ, mit dem im wahren Leben wohl kaum jemand etwas zu tun haben wollte. Schade…immer schön grinsen, dann klappts auch mit den Votes 🙄 Die Menschen sind doch leicht glücklich zu machen.…
Ich bin auch kein großer Freund von Fairytale, aber der Vergleich mit Dima Bilan verbittet sich dann doch. So schlecht war das Lied jetzt auch nicht. Gargh. Aber Zustimmung, dass Frankreich noch mehr Punkte verdient gehabt hätte. Was für eine Stimme. Aber ich fühle mich bestätigt – nach dem Desaster von 2008 wieder ein exzellenter Jahrgang – wie 2002 und 2003. So kann es gerne weitergehen, wobei ich hoffe, dass 2014 genießbarer wird. Aber wenn wir bis dahin die Qualität von 2004 bis 2007 replizieren, immer gerne. Hmm. Stefan Raab beim ESC – da zeichnet sich auch ein Muster ab. 1998, 2000, 2004, jetzt vielleicht 2010 – wir freuen uns dann auf 2018, Herr Raab. 🙂
Du fandest 2005 echt Qualitativ? mfg pasi ps ich hätte gerne wieder sowas wie 2006 wo fast alle Deutschen hinter dem Song stehen!’
Ja. Verglichen mit 2001 oder 2002 auf jeden Fall. My Number One, Angel, Let Me Try, Boonika Bate Doba…vier absolute Glanzlichter, was definitiv etwa vier mehr sind als 2001, 2002 oder 2008. Aber dem Postskript kann ich uneingeschränkt zustimmen. Auch wenn Texas Lightning massiv unter Wert verkauft wurden, war das doch mal zur Abwechslung ein wirklich konsensfähiges Stück.
Ich habe mir gerade nochmal die Punktevergabe von 1996 angeschaut (Youtube ist großartig). Bitte an das norwegische Fernsehen: sucht euch für 2010 eine Moderatorin, die besser englisch kann und/oder nicht stocktaub ist. Wenn bei der Punktevergabe Holland und Poland verwechselt werden, okay; aber Spain und Estonia?!
Ich hab mir gerade wieder die DVD angeschaut und kann mich Ospero nur anschließen. Wirklich ein exzellenter Jahrgang. Die 00er haben sich mit einem Knall von uns verabschiedet. Was unseren Beitrag angeht, den liebe ich nach wie vor und höre noch regelmäßig das Album von ASOS. Aber die peinliche Ansage von Dita von Teese hat den Auftritt irgendwie unschön in zwei gerissen und es hat dem ganzen Act etwas an Herz gefehlt. Aber hey, es war professioneller als die No Angels und mitreißender als Roger Cicero. Es kam halt nur zu einer Zeit, in der Europa keinen Plastikpop(/dance/whatever) mehr auf der ESC-Bühne sehen wollte, sondern unaufgesetzte Fröhlichkeit (A. und A. mit A. aus A.), sowie nordeuropäische Herz und Seele. Es kann nur besser werden. Obwohl ich schon etwas Angst habe, ob der nächste ESC den Standard von diesem Jahr halten können wird.
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