Wie arg man sich in Tirana beim traditionsreichen Festivali i Këngës an seinem westeuropäischen Vorbild, dem italienischen San-Remo-Festival, orientiert, zeigt das Beispiel des hiesigen Jahrgangs. In Ligurien hatte man 1984 erstmalig einen eigenen, getrennten Abend für die sogenannten Giovani eingeführt, die noch am Karriereanfang stehenden Nachwuchskünstler:innen, zu denen solche später extrem prominente Namen gehören sollten wie der allererste Sieger Eros Ramazotti. Beim FiK 48, das diesmal an Heiligabend startete und sich über vier (!) hintereinander folgende Abende zog, gab es heuer ebenfalls ein eigenes Semifinale für gleich 20 hoffnungsvolle junge Talente, von denen allerdings keines im Anschluss eine vergleichbare Weltkarriere hinlegen sollte. Immerhin zwei von ihnen durften sogar ins FiK-Finale am 27. Dezember weiterziehen. Was aber wohl vor allem daran lag, dass zwei der ursprünglich annoncierten und ursprünglich allesamt fix für die Endrunde vorgesehenen 20 etablierten Künstler:innen kurzfristig aus unbekanntem Grund absprangen, nämlich die Kosovarin Eliza Hoxha und die Sängerin Besa Kokëdhima, die im Vorjahr noch am rumänischen Vorentscheid teilgenommen hatte. Ihr Startplatz sollte esctoday zufolge eigentlich von Rona Nishliu übernommen werden, dazu kam es dann aber doch nicht.
To cut a long Story short: der Schnelldurchlauf mit allen 20 (eher mäßigen) Finalliedern.
Und so teilten sich am Sonntag die in den USA aufgewachsene und durch Siege in Schönheitswettbewerben bekannt gewordene, hier ziemlich atemlos auf dem ‘Tirana Broadway’ lustwandelnde Goldi Halili sowie die stimmlich dunkel timbrierte Iris Hoxha mit einer sperrig-dramatischen Balkanballade das Feld mit den Großen, ohne dabei jedoch wirklich einen Stich machen zu können. Zu ihnen zählten beispielsweise die Vorjahressiegerin Kejsi Tola, die heuer jedoch leider keinen neuerlichen fabulösen Discoschlager am Start hatte, sondern eine besonders langweilige Ballade gegen die Wand sang und zu Recht im unteren Mittelfeld landete, sowie der bereits damals erschreckend abgerockt aussehende Bojken Lako, der das tat, was er beim FiK stets tut: durchgängig die geballte Faust und ein riesiges Standmikro so vor den Mund halten, dass dem Publikum während des Hervornuschelns seiner zähen Rockballaden wenigstens der Anblick seiner Dentalruinen erspart bleibt. Vermute ich mal. Auch der klimakollapsbewusste nordmazedonische Uni-Prof vom Vorjahr, Agim Poshka, versuchte sich erneut, hier als Komponist der allerliebst-ohrenschmeichelnden Gitarrenballade ‘Gëzuar’ (‘Glücklich’), zu welcher er seinen Interpreten Guximar Rushani am dritten Abend, in der Nacht der Duette, live begleitete.
Ich habe mangels Sprachkenntnis keine Ahnung, was die beiden Herren da gerade glücklich macht. Für mich tut es dieses kleine, hübsche Lied.
Bei dieser in San Remo ebenfalls schon länger gepflegten und in Tirana erstmals im Vorjahr etablierten Tradition, bei welcher sich alle Finalist:innen den Auftritt mit eine:r ihrer Mitbewerber:innen teilen müssen, lassen sich ohnehin oftmals die schöneren, zumindest aber die spannenderen Versionen der Wettbewerbsbeiträge entdecken. Als Beispiel mag hier eine dieser für den albanischen Eurovisionsvorentscheid so typischen Ethnoballaden dienen, die beim ersten bis fünfzehnten Hören ziemlich zäh daherkommen und sich gegen eine schnelle Vereinnahmung vehement sperren, irgendwann dann aber doch ihren subtil dramatischen Zauber offenbaren. So wie ‘Në Pasqyrë’ (‘Im Spiegel’), mit der die allererste skipetarische Grand-Prix-Repräsentantin Anjeza Shahini einen weiteren Versuch startete. Und diesmal auch gar nicht so dissonant krisch wie noch 2004 in Istanbul bei ‘The Image of you’, sondern, kongenial unterstützt von der späteren ESC-Kollegin Eneda Tarifa, eine kraftvolle, aber harmonische Darbietung ablieferte. Im FiK-Finale sang sie dann natürlich wieder alleine und erhielt dem Bericht des Eurofire-Blogs zufolge (ich selbst konnte aufgrund familiärer Verpflichtungen den vierten und letzten Abend nicht live verfolgen) zwar den eindeutig größten Saalapplaus, jedoch nicht genügend Punkte von der siebenköpfigen Jury.
Frauen im Spiegel: ohne die Duettpartnerin Eneda Tarifa (hier der gemeinsame Auftritt von der dritten Nacht) reichte es für Anjeza Shahini nur für die Silbermedaille.
Die mal wieder allein stimmberechtigten sieben verdienten Künstler:innen des Volkes entschieden sich stattdessen mit deutlichem Abstand für ein völlig nichtssagendes Nullachtfünfzehn-Uptempostück namens ‘Nuk mundem pa ty’ (laut NDR auf deutsch etwa ‘Ich kann nicht ohne Dich’). Vielleicht war man der Meinung, Juliana Pasha habe es im dritten Anlauf nach einem dritten Platz 2008 und dem zweiten Rang im Vorjahr nun endlich verdient, auch mal das Land vertreten zu dürfen. Oder aber es lag an dem im Hinblick auf ihren ziemlich unvorteilhaften claudiarothesken Kochtopfschnitt besonders bemerkenswerten Selbstvertrauen, mit welchem die Interpretin ihr Machwerk zum Vortrage brachte und mit gewinnendem Strahlen sowie kräftiger Stimme geschickt über dessen Dürftigkeit hinwegtäuschte. Möglicherweise schlug sich hier aber auch die seit der Eurovisions-Erstteilnahme der Skipetaren immer wieder gemachte Erfahrung nieder, dass man beim internationalen Publikum mit durchschnittlicher Stangenware in aller Regel besser ankommt als mit etwas landestypisch Sperrigem. Irgendwie muss es sich ja rationalisieren lassen…
Eine Frau namens Pascha.
Der albanischen Tradition folgend wurde ‘Nuk mundem pa ty’ im Anschluss an das FiK – man möchte müde sagen: natürlich! – in ‘It’s all about you’ anglifiziert und remixt. Auch Juliana verpasste man eine neue Frisur, so dass sie nicht mehr aussah wie Mireille Mathieu mit Mumps, sondern als habe sie die hundert Kilometer lange Fahrstrecke zum Sendestudio im Cabrio zurückgelegt. Bemerkenswerterweise scheute RTSH weder Kosten noch Mühen: so schickte man die Interpretin zur Pre-Party Eurovision in Concert in Amsterdam und packte einen professionell produzierten Videoclip oben drauf (sieh und lerne, NDR!), in welchem sie sich im düsteren, vom sauren Regen deutlich gekennzeichneten Märchenwald einem finsteren Waldschrat an den Hals warf, der das arme Ding aber wieder fallen ließ. In Oslo spendierte ihr der Sender gar noch ein hervorragend harmonierendes US-amerikanisches Damen-Gospeltrio als Hintergrundchor, und wäre da nicht der stellenweise etwas zu quäkig-überperformative Gesang von Frau Pasha selbst und ihre Aussprache (“Juh ahr de Wan”) gewesen, hätte ich mich vielleicht sogar noch mit der Nummer anfreunden können. Dennoch: für die Finalqualifikation – und den dort üblichen sechzehnten Platz – reichte es am Ende.
Juliana auf der Spermienjagd: der Videoclip.
Vorentscheid AL 2010
Festivali i Këngës 48. Samstag, 27. Dezember 2009, aus dem Kongresspalast in Tirana, Albanien. 20 Teilnehmer:innen. Moderation: Miriam Cani, Alban Skenderaj.# | Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
---|---|---|---|---|
01 | Pirro Çako | Një tjetër Jetë | 106 | 04 |
02 | Erga Hililaj | Party | 066 | 12 |
03 | Denisa Macaj | Aria | 092 | 07 |
04 | Rovena Dilo | Përtej kohës | 069 | 10 |
05 | Dorina Garuci | Sekreti i Dashurisë | 078 | 08 |
06 | Anjeza Shahini | Në Pasqyrë | 118 | 02 |
07 | Erti Hizmo + Lindita Halimi | Nuk të dorëzohem | 066 | 12 |
08 | Juliana Pasha | Nuk mundem pa ty | 133 | 01 |
09 | Guximtar Rushani | Gëzuar | 043 | 17 |
10 | Kejsi Tola | Ndonjëherë | 058 | 15 |
11 | Teuta Kurti | Mall i pashuar | 019 | 19 |
12 | Flaka Krelani | Le të bëhet çfarë të dojë | 099 | 05 |
13 | Bojken Lako + Banda Adriatica | Love, Love, Love | 098 | 06 |
14 | Goldi Halili | Tirana Brodway | 064 | 14 |
15 | Stefi + Endri Prifti | U dogjëm mrekullisht | 045 | 16 |
16 | Iris Hoxha | Zërin tim ta ndjesh | 067 | 11 |
17 | Claudio La Regina | Ave Maria | 017 | 20 |
18 | Era Rusi | Fjalë dhe Gjunjë | 041 | 18 |
19 | Mariza Ikonomi | La, la, la | 076 | 09 |
20 | Kamela Islami | Gjëra të thjeshta | 115 | 03 |
Letzte Aktualisierung: 06.09.2022
Also mir … … gefällt der Song. Ich finde, der hat Potential. Aber ich befürchte schon fast, dass man ihm das durch Anglifizierung dann schon noch austreiben wird und dann wirklich nur ein ’nichts sagendes Nullachtfünfzehn-Uptempostück’ übrig bleibt. Aber ich bin mal gespannt.
Die Gaga aus Tirana Mir gefällt’s auch. Liegt vielleicht auch daran, dass ich, angesichts des Zeitlochs, in dem ich mich seit dem Anhören des holländischen Demo-Beitrags letzte Woche befinde, für jegliche Art halbwegs zeitgenössischer Popmusik dankbar bin. Die Frau kann singen und (!) sich auch ganz gut bewegen – in Memorian: Kejsi Toja konnte das in diesem Frühstadium noch nicht! Naja, auch hier erstmal die Endversion abwarten – und was die dramatische Balkan-Ballade angeht, Oliver, vielleicht schenken die dir die Bosnier oder die Serben noch. Oder an Ende sogar Mazedonien? Nee… obwohl, alles ist möglich… 😉
Anjeza war sooooo toll… und die Fuc. Jury wählte diesen Schrott???!!!-.- Man sah ja an der Reaktion des Publikums als Anjeza vom letzten Juror die 20 bekam, wenn sich die Albanier Vorstellten. Genauso war das Voting bei esctoday.com eindeutig!!! Mit 34,5% wurde da für Anjeza gestimmt!! Und Platz zwei ging an diese Aria Tussi^^ mit 18,5% Der Titel der gewann lag auf Platz 4 mit 7% oder soo… Aber Anjezas Lied war so toll:) und in Englisch bestimmt noch geiler gewesen… schade das sie es nicht schaffte… weil die behinderten Juroren lieber einen Kejsi Tola abklatsch schickten der klingen soll wie Womanizer von Britney Spears… Ich hätte Anjeza sogar Chancen für Top 3 ausgerechnet!!! Also im ESc Finale wo sie sicher drin gewesen wäre… und der Song wäre bestimmt sehr gut bei den Jurys und beim Publikum angekommen!!! Bonus natürlich das sie schon 2004 Albanien Vertrat. Und wer machte bis jetzt auch das Beste Ergebnis Albaniens, Na Anjeza und das wird auch nach 2010 so sein;) Ich denke nicht das dieser Beitrag ins Finale kommt. Man sah ja schon das die Jury Albanien dieses Jahr schon nicht so Recht Punkte gaben und Kejsi hatte eine Stimme und einen geilen Song!!!, da denke ich wird es bei dem Song noch schlechter laufen!!! Einfach schade um den tollen Song von Anjeza die mein Fave war… Hoffentlich versucht sie es nächstes Jahr wieder:) lg pasi ps die Albanier wissen was sie von Anjeza haben:) die Jury nicht.… finde es eh voll scheiße das da eine Jury immer entscheidet wer für Albanien gewinnt… Hauptsache immer Werbung für Telefone machen…
Juliana Pasha… .….hat es also nach zwei erfolgreichen Anläufen ( Platz 3. und 2. ) endlich zum ESC geschafft. Singen kann sie jedenfalls und ich denke auch, dass man über ihre Chancen beim ESC erst etwas sagen kann, wenn die ESC-Version ihres Songs bekannt ist. Da wird sich sicherlichlich noch einiges ändern.
Ich kaufe nix! Und Zeischriften abbonier ich auch keine! 😛
re: Anjeza [quote=pasi] Ich hätte Anjeza sogar Chancen für Top 3 ausgerechnet!!! Also im ESc Finale wo sie sicher drin gewesen wäre… und der Song wäre bestimmt sehr gut bei den Jurys und beim Publikum angekommen!!![/quote] Na ja, mit Chancen auf Top3-Platzierungen sollte man in diesem Frühstadium noch vorsichtig sein, wo ja noch kaum ein Wettbewerbslied bekannt ist. Über den deutschen Beitrag beispielsweise, der garantiert sensationell, hammergeil, hinreißend vorgetragen sein wird 😉 , weiß man aktuell noch null und nix (was ja immerhin zu Hoffnungen Anlass gibt, schließlich kann man zur Stunde nichts Negatives sagen) [quote=pasi]Man sah ja schon das die Jury Albanien dieses Jahr schon nicht so Recht Punkte gaben und Kejsi hatte eine Stimme und einen geilen Song!!![/quote] Aber sie hatte auch ’nen Frosch auf der Bühne und ein Bewegungstalent wie eine deutsche Eiche aus dem Bilderbuch 😛 Der diesjährige albanische Beitrag? So wie er jetzt ist: grausam, grausam, grausam. Meine persönliche Meinung natürlich nur. Da ist alles total unsympathisch – die dröge Nummer wie auch die matronenhafte junge Sängerin. Aber sie werden diesen gezeigten Auftritt in guter Tradition zur Unkenntlichkeit verändern und sich eine aberwitzige Bühnenshow ausdenken. Dann sehen wir weiter.
Chamaeleon Albanien … in Tirana ist man schon eifrig dabei, Song und Performance zu entstauben. Oder liegt es einfach daran, dass wir unzaehlige Balladen seitdem gehoert haben? Mittlerweile gibt es eine TV-Version auf Englisch und mit etwas besserer Frisur. Sieht deutlich besser aus, wenn auch immer noch eine Mischung aus Claudia Roth und Julia Timoschenko, sofern moeglich… aber immerhin!