Melo­di­fes­ti­valen 2010: All the Pain it brings

Es ist ja nicht so, dass die Schwe­den kei­ne Aus­wahl gehabt hät­ten. Lässt man mal einen offen­sicht­lich beson­ders tra­gisch ver­an­lag­ten Udo-Jür­gens-Imi­ta­tor mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund bei­sei­te, den es vor lau­ter Adre­na­lin nach der Hälf­te sei­ner schreck­li­chen, aber zutref­fend beti­tel­ten Num­mer (‘Keep on wal­king’) nicht mehr an den Tas­ten hielt und der den Rest des Songs damit ver­brach­te, pein­lich vor dem Mikro­fon­stän­der her­um­zu­hop­peln wie ein Duracell-Häs­chen (und mit die­ser Dar­bie­tung zum Jury­fa­vo­ri­ten avan­cier­te), und ver­drängt man auch ganz schnell die Erin­ne­rung an Peter Jöback, der hier wohl ver­such­te, in die Fuß­stap­fen Libe­r­aces zu tre­ten, so blie­ben den Kött­bullar-Essern noch ein hüb­scher Schwe­den­schla­ger zur Wahl sowie gleich drei wun­der­ba­re, per­fekt cho­reo­gra­fier­te Upt­em­po­num­mern. Von denen sich selbst­re­dend das lus­ti­ge ‘Man­boy’, zu des­sen Songfi­na­le sich der Inter­pret Eric Saa­de wie wei­land Jen­ni­fer Beals in Flash­dance mit Was­ser über­gie­ßen ließ, aus dem Stand als mein per­sön­li­cher Favo­rit eta­blier­te. Aber auch mit ‘Kom’ oder ‘Unstoppable’ hät­te ich gut leben können.


Wo bit­te bean­tragt man die Ent­mün­di­gung einer gan­zen Nation?

Aber nein, die Zuschau­er ent­schie­den sich mehr­heit­lich für Anna Ber­gen­dahl und ‘This is my Life’. Lei­der kein gei­ler Neun­zi­ger­jah­re-Euro­dance, wie die Refe­renz an Island 2008 im Song­ti­tel sug­ge­rie­ren könn­te, son­dern eine hym­nisch gemein­te, aber extrem mit­tel­mä­ßi­ge Coun­try-Pop-Bal­la­de. Vor­ge­tra­gen von einer blon­den Sän­ge­rin im haut­far­be­nen Fünf­zi­ger­jah­re-Bal­lon­kleid, mit einem Dia­dem­chen im Haar (der Trost­preis bei der Wahl zur Schön­heits­kö­ni­gin 1997 in Trel­le­borg?), aber in Turn­schu­hen, anfangs bewaff­net mit einer Gitar­re und zum Schluss von der Wind­ma­schi­ne ange­pus­tet! So als habe man Dol­ly Par­ton, Nico­le, Doris Day, Avril Lavi­gne, Caro­la und eine Zie­ge mit­ein­an­der gekreuzt. Nichts passt zu zusam­men, aber das mit aller Entschlossenheit!


Am Tag, als der Regen kam

Um es mit Ralph Sie­gel zu sagen: “Da müs­sen Gesprä­che her”. Die Idee des schwe­di­schen Fern­se­hens, zur Ermitt­lung des Sie­ger­ti­tels des Melo­di­fes­ti­valen (des­sen Pau­sen­pro­gramm, ein Med­ley der bes­ten schwe­di­schen und nor­we­gi­schen Bei­trä­ge der letz­ten vier­zig Jah­re, live dar­ge­bo­ten von den Ori­gi­nal­in­ter­pre­ten, wohl in Euro­pa sei­nes Glei­chen sucht) auch aus­län­di­sche Jurys her­an­zu­zie­hen, ging ja schon in die rich­ti­ge Rich­tung. Man muss das aber noch kon­se­quen­ter betrei­ben. Weg mit den schwe­di­schen Jurys und weg mit dem schwe­di­schen Tele­vo­ting – gebt die Abstim­mung allei­ne in die Hän­de der orga­ni­sier­ten Grand-Prix-Fan­clubs in ganz Euro­pa. Und zwar inklu­si­ve der Vor­run­den. Dann könn­te es viel­leicht mal wie­der der rich­ti­ge Titel zum Song Con­test schaffen!


Nur ein biss­chen Speed und das Leben ist gleich viel besser!

Nach­trag: Den fabel­haf­ten Schla­ger­boys ist mei­ne erfreu­te Ent­de­ckung zu ver­dan­ken, dass sich ein hel­den­haf­ter Mensch namens Kaveh Azi­zi erbarm­te, das schwe­di­sche Grau­en erträg­li­cher zu gestal­ten, in dem er im Wesent­li­chen ein­fach an der Geschwin­dig­keit dreh­te. So dass Anna Berg­zie­gen­dahl in sei­nem Remix bereits eine hal­be Minu­te frü­her zum Ende kommt – und in den zwei­ein­halb Minu­ten bis dahin auch dank hoch­g­e­pitch­ter Stim­me nicht mehr ganz so furcht­bar ein­schlä­fernd klingt. Zusam­men mit ein paar zuge­füg­ten elek­tro­ni­schen Beats ist der Kaveh-Azi­zi-Remix von ‘This is my Life’ bei­na­he schon anhör­bar! Schwe­den: bit­te die­se Ver­si­on in Oslo zu Gehör brin­gen, ja?


Lei­der schon in der Vor­run­de aus­ge­schie­den: Lin­da, die hei­ße Pritsche

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