Pleiten, Pech und Pannen begleiteten die hellenische Vorauswahl im Jahre 2010. Nach der internen Nominierung von Sakis Rouvas im Vorjahr wollte man heuer wieder einen öffentlichen Vorentscheid abhalten, für die ERT Ende Dezember 2009 nach etlichen wilden Gerüchten zehn Namen offiziell bestätigte. Mitte Januar kam dem Sender dann mit Despina Ricci die erste Teilnehmerin abhanden: mit Blick auf ihren vollen Terminkalender, der es ihr unmöglich mache, sich für Ellinikós Telikós und den Eurovision Song Contest zeitlich zu verpflichten, sagte die Interpretin ab. Katerine Avgoustakis und die fabelhafte Eleftheria Eleftheriou scheiterten an geschwätzigen Fans: aus unerfindlichem Grunde hatte ERT im Vorfeld verfügt, dass vor der für den 12. März 2010 terminierten Sendung kein noch so kleines Fitzelchen der teilnehmenden Lieder an die Öffentlichkeit dringen dürfe, sei es Text oder Musik. Das nahmen ein paar gelangweilte Menschen mit zu viel Zeit als sportliche Herausforderung und gruben so lange in den Untiefen des Netzes, bis sie irgendwo einen Leak zu den Titeln der Beiden fanden. Die Disqualifikationen folgten auf dem Fuße.
Für die miesen Petzelieseln, die diesen Beitrag zu Fall brachten, habe ich nur drei Worte: Snitches get Stitches!
Im Falle der gebürtigen Zypresse und X‑Factor-Teilnehmerin Eleftheria kam die Schmutzarbeit misogyner Fans dem Sender vermutlich gerade recht, wollte sich die staatliche Rundfunkanstalt doch ihren Vorentscheid nicht durch Castingshow-Gewächse von der privaten Konkurrenz kapern lassen. Nachdem eine griechische Nachrichtenseite allerdings anfing, Textauszüge aller Beiträge zu veröffentlichen, in dem offen kommunizierten Bestreben, den Vorentscheid nunmehr komplett platzen zu lassen, entschied sich ERT in einer Ende Februar eiligst einberufenen Notfallsitzung, die bisherige strenge Linie aufzugeben und die nunmehr noch verbliebenen sieben Titel eigenhändig auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Das somit deutlich reduzierte Starterfeld konnte den Sender jedoch nicht dazu veranlassen, die veranschlagte zweistündige Sendezeit für den Vorentscheid anteilig zu kürzen, und so füllte man das Feld eben mit ein paar zusätzlichen Stargästen wie dem bulgarischen Eurovisionsvertreter Miro sowie dem für Zypern startenden Waliser Jon Lilygreen, alten Clips vom ESC 2009 in Moskau oder einem extralangen Schnelldurchlauf auf. Und natürlich mit ständigem Geschnatter der beiden alle 30 Minuten ihre Kleider wechselnden Moderatorinnen.
https://youtu.be/6RGewiT7gjE
Zwei Stunden Sendezeit für sieben Beiträge: die Griechen verstehen sich aufs Strecken (kompletter Vorentscheid).
Neben den heimischen Zuschauer:innen, die zur Abstimmung per Telefon oder SMS (zum Kostenpunkt von 1,19 € pro Stimme) aufgerufen waren, durfte auch eine ausschließlich aus einer Handvoll greiser Männer (und einer jüngeren Feigenblatt-Frau) besetzte Jury mitentscheiden, und dies führte zu einem Dreierpatt. Dummerweise rechnete man nämlich die kumulierten Ergebnisse der Jury und des Televotings in Rankings um und vergab in originalgetreuer Grand-Prix-Manier jeweils absteigend 12, 10, 8, 7, 6, 5 und 4 Punkte. Mit dem Ergebnis, dass am Ende drei Lieder mit jeweils 20 Punkten gleichermaßen obenauf lagen. Dazu zählte der etwas stolpernd daherkommende Ethnopoptitel ‘Kivotos tou Noe’ (‘Arche Noah’) von Manos Pyrovolakis, gesanglich unterstützt von einer etwas struppig ondulierten Eleni Foureira, die bei diesem Auftritt erstaunlicherweise irgendwie älter aussah als acht Jahre später mit ‘Fuego’. Leider ließ sich Manos aber auch von einem Rapper begleiten und steuerte seine Arche somit zielsicher auf den zweiten Platz, sowohl beim Publikum als auch bei den Geronten von der Jury. Doch zwei Zehn-Punkte-Wertungen ergeben halt auch 20 Zähler, genau so wie bei den beiden anderen Songs, bei denen Uneinigkeit bestand.
Schlapphütchen sind nicht nur bei deutschen Malle-Urlaubern und sächsischen Nazis beliebt, sondern auch bei Balkan-Rappern.
Als Juryliebling entpuppte sich Giorgios (andere Schreibweise: Yorgos) Karadimos mit seiner recht schlicht gestrickten, dennoch irgendwie extrem herzergreifenden Ballade ‘Polemao’ (‘Ich kämpfe’), die mich trotz (oder wegen) komplett fehlender Textkenntnis noch heute jedes Mal laut aufseufzen lässt, wenn sie mal wieder auf ESC Radio läuft. Weil sich die abgrundtiefe Verzweiflung des Protagonisten einfach in jeder einzelnen Silbe mit jeder Faser des Seins mitfühlen lässt. Seinen Kampf verlor der etwas mindercharismatisch wirkende Sänger dennoch, denn das Publikum setzte ihn nur auf den dritten Rang und gab seine Douze Points an einen anderen Schorsch, nämlich an Herrn Alkaios und seinen Tavernenschlager ‘Opa’. Der wiederum rangierte bei den Juroren nur an dritter Stelle, so dass sich auch bei diesen Beiden jeweils 12 + 8 beziehungsweise 8 + 12 Punkte zu 20 Zählern aufaddierten. Nun rühmen sich die Hellenen ja, dereinst die Demokratie erfunden zu haben, und folgerichtig genoss das Votum des Publikums hier den Vorrang, so dass die zeitgemäß austeritätsgerechte Sparvariante des technikunterstützten griechischen Vorturners Sakis Rouvas obsiegte.
Nicht nur ein Glas Marx, sondern eine ganze Pulle Mao trank der Karadimos-Schorsch.
Es wirkte alles eine Nummer kleiner als beim zweifachen Eurovisionsgott Sakis: anstelle von LED-gespickten Multifunktionsgeräten (Laufband, Hebebühne, Ski und überdimensionaler Tacker) fungierten diesmal lediglich ein paar beleuchtete Trommeln als Bühnengimmick. Es gab keine Trickkleider und auch von grenzdebilen englischen Texten blieben wir verschont. Anstelle eines vollbeweglichen, mit freiem Oberkörper sportliche Höchstleistungen erbringenden Adonis mussten wir mit einem statisch dastehenden, etwas mürrisch wirkenden Herren mittleren Alters vorlieb nehmen. Selbst der Sound erinnerte eher an eine aufgeklappte Glückwunschkarte oder einen Klingelton aus den Neunzigern als an die bislang üblichen, aufwändigen Studioproduktionen. Doch ansonsten war alles comme il faut: ein mitreißender, simpler und eingängiger mediterraner Discoschlager, vier durchtrainierte männliche Tänzer, eine wunderbar durchchoreografierte Bühnenshow und jede Menge “huh!” “hey!” “ueppa!” und ähnliche, an die besten Zeiten von Rex Gildo und seinem legendären “Hossa!” erinnernde Schlachtrufe. Eine hoch willkommene Rettungsinsel also im diesjährigen Meer der eurovisionären Langeweile und Depression und somit sicherlich ein verdienter Aspirant für einen Medaillenplatz. Darauf einen Ouzo und: danke, Griechenland! Wenigstens auf Euch ist noch Verlass!
Sugardaddy Georgios und seine jugendlichen Tanzschnitten.
Nachtrag: Und auch hier gibt’s mittlerweile einen professionellen Videoclip mit dem Oslo-Remix des Beitrags. Bringt der Originalauftritt bei der griechischen Vorentscheidung mit seinen stampfenden und “huh!” grölenden Muskelschnitten schon das Kunststück fertig, butch und camp zugleich zu wirken, treibt der Clip das noch auf die Spitze. Zunächst präsentieren sich die beteiligten Herren anderthalb Minuten lang mit grimmigem Blick in detailverliebten Nahaufnahmen, bevor der Song endlich losgeht. Dann folgt fast die gleiche Choreographie, diesmal jedoch augenscheinlich in einem Atomschutzbunker gedreht. Natürlich alles in Schwarz. Diese Doppeldosis Düsterkeit durchbricht man mit Außenaufnahmen der (nun) weiß gekleideteten Fab Five am Strand. Da wirkt Herr Al Kaida fast ein wenig farblos!
Auch hübsch: Strandausflug mit den Jungs.
hi Und du hattest recht xddddd Mist ich war für denn ersten song da Right time now oder wie der jetzt heißt denn dritten song mag ich gar net!!! mfg pasi
Achso Right on time wwäre bestimnmt sehr schön für Chiara gewesen besser als What if we;) Aber auch einer ihrer alten songs wie sail away wäre serh schön gewesen aber ich bin mit Whjat if we zufireden:) mfg pasi
.…vor ein paar Stunden nenne ich noch Griechenland als Beispiel für vorhersehbare Beiträge Jahr für Jahr und dann überrascht plötzlich mal ein Lied, welches genauso gut aus Australien kommen könnte 😳 Ok, zwischen einem Dutzend Sirtaki-Pop-Beiträgen kann schon mal eine Ausnahme zu finden sein. Es braucht beim ESC keinen super anspruchsvollen Song, das wäre eher sogar hinderlich. Der hier geht richtig steil nach vorn, man muss kein Prophet sein, dem eine vordere Platzierung vorherzusagen. Zumal das bestimmt wieder gut präsentiert wird und verheiratet hin oder her Sakis Rouvas so manchem vor der Glotze – Männlein wie Weiblein – Lusttröpfchen in den Slip treibt.
Glück gehabt So ich denn nicht noch ein drittes Mal die aufdringliche Punktebuhlerei von Herrn Rouvas ertragen muss, bei der ich nie wusste, ob ich mich vorerst für ihn selbst oder für die ekstatisch kreischenden Herrn im Publikum schämen sollte, bin und bleibe ich den Griechen ungemein dankbar!
Vielleicht können die Griechen ja jamba als Sponsor gewinnen. BIs auf diesen störenden Klingelton finde ich Griechenland eine sehr fetzige Nummer. Dennoch glaube ich, dass der Auftritt mit einem agileren Sänger wie zum Beispiel Sakis Rouvas, Kostas Martakis oder Constantinos Christoforou noch besser wäre. Aber mal schauen wie es in Oslo schließlich aussehen wird. Ansonsten bleibt mir nur noch eines zu sagen: Opa! 😀
Opa hats echt drauf für sein Alter, toller Song. Hoffentlich wird der Oslo-Auftritt nicht wieder gigantisch aufgemotzt.
Sakis Rouvas und agil? 2004 vielleicht, letztes Jahr war ich für meinen Teil ziemlich entsetzt, wie sehr man in fünf Jahren altern kann. Und die Nummer, die er letztes Jahr vorzutragen hatte, war auch nicht das Wahre. Zu Opa (toller Titel aus Sicht eines Deutschen): Wollen die Griechen das tatsächlich in der Originalsprachversion nach Oslo schicken? Das wäre dann das erste Mal seit 1998, und das war ein ziemliches Disaster…12 Punkte, alle aus einem Land (will mal jemand raten, welches? 😉 ). Aber das Lied ist definitiv einer der Höhepunkte dieses Jahrgangs.
Naja, bei ‘(I would) Die for you’ hatten sie ja auch nur den Refrain anglifiziert, und das kam ja auch gut an. Und bei ‘Opa’ gibt’s im Refrain nicht viel zu übersetzen… Das kann ruhig in Griechisch bleiben, das überzeugt denoch (oder gerade deswegen).
Diese Art von Musik mach ich überhaupt nicht. Viel zu balkanlastig oder auch griechich- tradiotonell. Und das ganze laut aufgemotzt. Opa.…..