Ich gebe zu, als ich diese Meldung eben las, musste ich erst mal auf den Kalender schauen. Nein, es ist nicht der 1. April; nein, es handelt sich nicht um einen Fanorak-Scherz. Es scheint tatsächlich wahr zu sein: die mittlerweile 87jährige Grand-Prix-Legende Lys Assia, Siegerin des ersten Song Contests von 1956, bewirbt sich in diesem Jahr erneut um das Ticket für die Schweiz. Mit einem Song von (imaginärer Trommelwirbel): Ralph Siegel! Nein, ich habe mir das nicht ausgedacht!
Die schweizerische Antwort auf Eartha Kitt: Lys Assia
Die erste Siegerin und der seit Jahrzehnten kompositorisch daueraktive “Mr. Grand Prix”: mit diesem feuchten Traum der “Früher war alles besser”-Fraktion dürfte wohl der ultimative Rekord in Sachen Rückwärtsgewandtheit aufgestellt sein. Mehr geht einfach nicht! Musikalisch klingt der retrospektive Lebensabschlußgruß ‘C’etait ma Vie’ wie frisch aus 1956 entführt – wenngleich die Stimme der noch immer rüstigen Sängerin, welche die große Geste nach wie vor routiniert beherrscht, mittlerweile etwas brüchiger daherkommt. Bösartige Eurovisionsnattern anderer Blogs weisen angesichts des hohen Alters des Eurovisionsurgesteins bereits besorgt darauf hin, dass es noch acht Monate bis zum Event von Baku sind… Und vor meinem geistigen Auge entwickelt sich gerade das folgende, hübsche Szenario: Lys gewinnt die schweizerische Vorentscheidung und übersteht dank fleißig anrufender, retroseliger Hardcore-Grand-Prix-Fans auch die Qualifikationsrunde in Baku. Im Finale, wo dann nicht mehr die Eurovisionstraditionalisten die Mehrheit der Anrufer stellen, sondern eher unsentimentale Popfans aus ganz Europa, von denen 98% Frau Assia gar nicht mehr kennen dürften, landet sie auf dem letzten Platz im Televoting, wird aber Erste in der Juryabstimmung. Skandal perfekt.
Au ja – liebe Schweizer, macht das!