Andy Mikheev von der russischen Eurovisionsseite ESCkaz streute unlängst das (bislang unbestätigte) Gerücht, die Aserbaidschaner hätten vorgeschlagen, beim Eurovision Song Contest künftig auch Onlinevoting zuzulassen. Und sie arbeiteten gar schon an den technischen Feinheiten. Ziel sei wohl, verstärkt ein jüngeres Publikum anzusprechen. Sprich: die Generation iPhone, die vor einem Festnetztelefon mittlerweile vermutlich genauso ratlos steht wie meine Altersgruppe vor einem Morseapparat. Und die dank SMS und Facebook-App auch gar nicht mehr weiß, dass man mit einem Smartphone auch telefonieren kann. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Meldung sind vor allem zwei Dinge daran interessant, nämlich: wie verhindert man einen Kannibalisierungseffekt gegenüber den kostenpflichtigen Anrufen? Und wie möglichen Mißbrauch?
httpv://youtu.be/yFPQbnraeVg
Sie wären bestimmt auch sofort dabei: die Eurokatzen (deutsche VE 1996)
Erste Versuche mit Internetvoting gab es ja bereits bei nationalen Vorenscheidungen. So zum Beispiel 2011 in der Ukraine, wo man das ursprünglich zu 10% ins Gesamtergebnis miteinfließensollende Ergebnis der Onlineabstimmung aber in letzter Sekunde suspendierte, da es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten gab. Nun ist aber vielleicht gerade die Ukraine das falsche Beispiel: die schaffen es ja auch so schon nicht, eine skandal- und korruptionsfreie Vorentscheidung auf die Beine zu stellen. Auch in Spanien oder der Schweiz findet das Verfahren Anwendung, allerdings nur in der Vorauswahl, beim nationalen Finale müssen die Zuschauer dann wieder zum Hörer greifen. Fraglich scheint vor allem, wie man angesichts der Möglichkeit anonymer IP-Adressen die korrekte Zuordnung der abgegebenen Stimmen zu einem Herkunftsland und eine mögliche Begrenzung pro Internetvoter bewerkstelligen will (um der Gefahr all zu krasser Manipulationen zu begegnen). Andererseits sind gerade die Aserbaidschaner hier für kreative technische Lösungen berühmt, wie sicherlich die 43 Landesbewohner bestätigen können, die sich im Sommer 2009 einer polizeilichen Befragung unterziehen mussten, weil sie beim Grand Prix für das verfeindete Nachbarland Armenien abgestimmt hatten. Was die Behörden dank Vorratsdatenspeicherung wussten.
httpv://youtu.be/oxmkY1Mcvi0
Er möchte auch die jüngere Zielgruppe ansprechen: Dan Helciug (rumänische VE 2011)
Am wahrscheinlichsten ist daher, dass eine Internetabstimmung bei Eurovision Song Contest kostenpflichtig sein müsste. Denn der Bezahlvorgang setzt eine wie auch immer geartete Anmeldung und Identifikation voraus. Zudem könnte man so verhindern, dass die Zuschauer reihenweise vom (in etlichen Ländern premiumdiensteteuren) Televoting abwanderten, aus dessen Einnahmen der kostspielige Wettbewerb sich in Teilen refinanziert. Ob sich bei der etablierten Kostenlos-Kultur im Internet dann allerdings noch viele junge Menschen tatsächlich an einem solchen Verfahren beteiligten, bezweifle ich. Zumal das Mitabstimmen sich dann wieder so kompliziert und aufwändig gestaltete, dass Anrufen die einfachere Alternative bliebe. Das Onlinevoting nutzten dann vermutlich nur noch die Fanatischen, die im pubertären Hormonrausch auch Hunderte Euro von ihrer Eltern Geld verplempern würden, um Eric Saade oder Jedward zu pushen. Oder fehlgeleitete Nationalstolze. Aber warten wir’s ab – derzeit handelt es sich ohnehin nur um ein Gerücht.