Über meine Vorfreude auf die estnische Vorentscheidung Eesti Laul angesichts der bisher bekannten Beiträge berichtete ich bereits. Mein Leser Jaan war nun so freundlich, mich auf das Vorliegen neuer Soundclips hinzuweisen – vielen Dank! Und es scheint, als stünde das EE im Länderkennzeichen des Baltenstaats für Elektronische Eleganz. Zusätzlich zu den bereits gelobten Mimicry und meiner bisherigen Favoritin Janne Saar gesellen sich nun weitere feinste elektronische Soundperlen von Soundclear (‘A little Soldier’), Teele Viira (‘City Nights’) und Mia – nein, nicht die Deutsche mit dem Hungrigen Herzen und auch nicht der britische Hip-Hop-Star – hinzu. Und die sind wirklich eine besser als die andere: poppig, ohne platt zu wirken; verspielt, ohne sich zu verzetteln; ein bisschen strange, ohne daneben zu sein. Wie machen die das nur?
httpv://youtu.be/LNLFhhgyt_c
Verbindet sphärische 80er-Synthiesounds mit suggestiven Textzeilen
Aber auch abseits von Elektrosounds haben die Esten es drauf. Mit ‘Kuula’ präsentiert Ott Lepland eine hart an der Grenze zum Kitsch verlaufende Klavierballade, die in ihren Anfangstönen ein bisschen an mein allerliebstes Herzschmerzstück auf der ganzen Welt, ‘The Rose’ von Bette Midler, erinnert. Was diese Ballade hier so eindringlich und großartig macht, ist die Tatsache, dass der hinreißend aussehende Ott seinem Namen[ref]Im Englischen steht die Abkürzung OTT für Over the Top = weit über das Ziel hinaus, maßlos übertrieben.[/ref] keine Ehre erweist und mit einer feindosierten Mischung aus glaubhaftem Leiden und professioneller Distanziertheit in die Kamera schaut, dass ich auf der Stelle dahinschmelze. Und er singt auch genau so! Mag sein, dass er lediglich über die verpasste Fähre nach Helsinki wehklagt – ich verstehe kein Estnisch und weiß es nicht: er tut das so, als offenbare er uns seinen existenziellen Seelenschmerz. Und zwar, ohne sich mitleidheischend darin zu suhlen. Dazu noch arbeitet ‘Kuula’ mit wunderbar dramatischen, aber nicht übertriebenen musikalischen Steigerungen: grandios!
httpv://youtu.be/VOxeau3ipR8
Wehrlos im Sturm der Gefühle: ihm lege ich mein Herz zu Füßen
Sollten die restlichen, bislang noch nicht veröffentlichten Titel der Eesti Laul auch nur halb so gut sein wie die bislang vorgestellten, dann können die Esten praktisch gar nichts mehr falsch machen.
Voll Zustimmung zu diesem Artikel – die Songs sind mit ihrem windschiefen, recht avantgardistischen Charakter teilweise umwerfend!
In Sachen elektronischer und alternativer Musik ist das Eesti Laul ohnehin derzeit das Nonplusultra – näher am Puls der Zeit ist keine andere ESC-Vorentscheidung. Kompliment an Heidy Purga, die zeigt was alles möglich wäre – wenn man bei der Songauswahl mal bisschen was riskiert und ein Vorentscheidungs-Format nicht nur allein auf den ESC-Kosmos hinkonzipiert sondern mal ein bisschen den Pop-Duft der weiten Welt schnuppern lässt…
schöner Song, da fühle ich mich gleich 20 Jahre jünger 🙂
Ich verweise ganz dezent auf Lennas “Mna jään”, das auch zu den großen Favoriten gehört – zurecht. 🙂