So, die Saison läuft auf vollen Touren, und wie jedes Jahr reagiere ich auf die völlige Überforderung durch mehrere gleichzeitig laufende Vorentscheidungsvorrunden und die parallele Veröffentlichung von gefühlt 7 Millionen Wettbewerbsbeiträgen mit Schockstarre. Ich bitte um Vergebung, aber ich erhebe hier ja ohnehin nicht den Anspruch, ein topaktuelles ESC-Newsblog zu sein (dazu finden Sie eine Auswahl viel kompetenterer Seiten in meinen Links). Hier nun also der Versuch, die Geschehnisse der letzten Tage abzuarbeiten, beginnend mit dem vergangenen Supersamstag.
httpv://youtu.be/GX11r20GbR0
Liebe Kinder: bitte nicht zuhause nachmachen! (Elizabete Zagorska, LV)
Los geht’s mit dem bulgarischen Semi vom vergangenen Samstag, wo vor einer Studiokulisse auf dem ästhetischen Stand von Luxemburg 1984 eine heiser krächzende Moderatorin 22 Acts von unfasslich miserabler Güte ansagte. Bemerkenswert vor allem die Gewalt, die man hier der englischen Sprache antat. ‘Shut your mouth’ dachte man sich da nicht nur beim Auftritt der (ausgeschiedenen) Pseudo-Discoschlampe Sunnie. Besondere Tiefpunkte: ein bebrillter Schnauzerträger in Motorradkluft mit einem Öko-Ethnoschlager (Nr. 14: Georgi Vurbanov – This is my green wave) sowie die offensichtlich manische Simona Sivanio (Nr. 20). Überlegene Siegerin sowohl im Jury- wie im Televoting und heiße Favoritin auf den Sieg beim Finale am 29. Februar wurde der einzige erträgliche Beitrag des Abends, ‘Love is alive’ von DesiSlava alias Dess (Nr. 13). Ihre Uptemponummer dürften wir in Baku wiedersehen, und ich freu mich drauf!
httpv://youtu.be/ZhPrgXr4l3c
Und hier das bulgarische Komplettgrauen im Schnelldurchlauf.
Wesentlich mehr Kracher bot das zweite lettische Halbfinale, welches erneut mit komplett durchgeknallten Kostümierungen auftrumpfte. Das ging mit einer bestrapsten Rokkokodame gleich beim ersten Starter los und steigerte sich mit der augenwehbunt neonfarben verkleideten Kappelle The 4 und ihrem Discohüpfer ‘Get it started’. Sowie Trickkleidern mit Landesflaggen bei den Backings von Anmary, die wiederum dem Zuschauer aufgrund ihrer vermutlich schönheitsoperationsbedingten Unfähigkeit zum Blinzeln Angst einjagte. Also, mir jedenfalls! Ihr eurovisionsnostalgischer ‘Beautiful Song’ namedroppte den großen Johnny Logan und machte sich über Mick Jagger lustig. Was fürs Fanherz!
httpv://youtu.be/DuOBY-S63Rk
Großmutter, warum hast Du so große Augen? (Anmary, LV)
Spektakulär auch die Show von Elizabete Zagorska und ihren martialischen Feuertrommlern, als deren Höhepunkt sich eine live gespielte, in Flammen stehende Gitarre herauskristallisierte! Schade, dass wir sie vermutlich nicht im Land des Feuers wiedersehen werden, denn als Anwärter auf das Ticket nach Baku dürften die Mad Show Boys und ihr hochgradig amüsantes ‘Music Thief’ gelten. Das setzt sich nicht nur textlich mit dem beliebten Thema des Plagiierens auseinander: unter den gewählten optischen Zitaten konnte ich Marylin Manson, die Pet Shop Boys (‘Go West’), Depeche Mode (‘Enjoy the Silence’) und Mr. Lordi ausmachen, der sich in Anspielung auf Dima Bilan aus dem weißen Flügel schälte. Ganz großes Kino!
httpv://youtu.be/qvVj65MdZgU
Aber wen soll das Marzipanschweinchen darstellen? Ivan Rebroff? (Mad Show Boys, LV)
Bleibt noch das isländische Semi, das nach den osteuropäischen Sprach- und Geschmacksvergewaltigungen wie ein Hort professioneller Popmusik wirkte. Wirklich erwähnenswert in der aus lediglich fünf Titeln bestehenden Vorrunde ist aber nur die Kollaboration der beiden Eurovisionsveteranen Jónsi, der in einer bemerkenswerten Kombination aus Anzug und meine Fetischfantasie auf Höchsttouren bringenden Springerstiefeln auftrat, und Yohanna, die mit ihrer ‘Nocturne’-Reminiszenz gemeinsam einen schlimmen musikalischen Rückfall in die finstersten Täler der Neunzigerjahre präsentierten. Oh, Verzeihung, meine Damen und Herren, wie ich gerade aus der Regie höre, handelt es sich bei der Blonden gar nicht um Yohanna, sondern um Fionnuala Sherry. Hat sich aber gut gehalten! Was? Oh, ich muss mich abermals korrigieren: Greta Salóme nennt sich die Dame jetzt. Ah ja! Anscheinend spekuliert man in Island darauf, dass man dem wiedererstarkten Einfluß der Jurys am besten mit entsprechend gerontischen Konzepten, nämlich keltischem Gefiedel, begegnet. Na bravo!
httpv://youtu.be/PaNNfJOALng
Step back in Time: als sei 1995 niemals passiert (Greta & Jónsi, IS)
Hui, die Mad-Show-Boys .… watt ne Schau !!! Irgendwie toll, das könnte ich mir in Baku vorstellen!
Das ‘Marzipanschweinchen’ .… hmmm, Captain Jack vielleicht? … ansonsten hatte ich da auch ein wenig Anleihen beim VE-Auftritt Rudolph Mooshammers erkannt, aber der wird wohl in Lettland nicht bekannt sein ??
Ja, die Isländer… der Rauschebart im Chor… sehr eurovisionär 😉
Und dann war da noch Bulgarien: auch in diesem Jahr werde ich die beim ESC nicht mögen 🙂