Letztes Jahr verloren sie mit dem prolltastischen ‘Oida taunz!’ tragischerweise noch gegen die Sirenenquetsche Nadine Beiler. Diesmal besannen sich die Österreicher:innen eines besseren: die lustigen Bauerndiscoburschen Trackshittaz fahren mit der Bollerhetenstripschuppennummer ‘Woki mit Deim Popo’ nach Baku. Da stimmte dann sogar das Motto des Vorentscheids Österreich rockt den Song Contest! Zu dem super eingängigen, im Mühltalviertel-Dialekt gerappten Partytrack tanzen – man möchte sagen: natürlich – ein paar mit Neoprenanzügen bekleidete Schicksen an Stangen. Und ebenso natürlich kommen die ihnen mit Neonfarbe aufgemalten Popos noch zum schwarzlichtunterstützten Einsatz. Grandiose Show, wobei mein Höhepunkt natürlich am Schluss kommt, wenn Leadrapper Lukas Plöchl seine beeindruckende Brust entblößt, die mit einem anrufstimulierenden Werbeslogan beschriftet ist. Löste das den – verdammt knappen – Sieg gegen die fabelhafte Conchita Wurst aus?
Geht schon: die Bauernbuben.
Denn auch sie hätte ich furchtbar gerne in Baku gesehen: die bärtige Transe mit ihrer discobeatgestützten Bekenntnisballade ‘That’s what I am’. Conchita zog ebenfalls völlig zu Recht ins Superfinale der besten Zwei ein. Und ab diesem Punkt der (laaaaaaaaaaangen) Sendung war ich happy, denn nun konnte absolut nichts mehr schief gehen. Befürchtete ich im Vorfeld noch, die Ösis könnten sich mal wieder für etwas Ödes (sprich: einen der acht anderen Beiträge, mit Ausnahme des Sido-Acts 3punkt9, die ihren Auftritt allerdings grausam versemmelten) entscheiden, machten sie zu meiner großen Erleichterung doch alles richtig. Vielleicht bis auf die letzte, mit 51 zu 49 Prozent denkbar eng ausgefallene Entscheidung. Der Plattenfirma dürfte es egal gewesen sein: lustigerweise sind nämlich beide Superfinalisten beim selben Label, Sony Music, unter Vertrag.
Große Kunst: die anbetungswürdige Conchita.
Andererseits freue ich mich jetzt schon auf den Ärger, den die Trackshittaz in Baku auslösen könnten. Denn wie im ESC Nation Forum mitzuverfolgen war, verstanden die britischen Zuschauer:innen statt der eigentlichen Hookline nämlich immer nur ‘Fuck him in the poo poo’. Und wiesen sogleich darauf hin, dass die BBC ähnlich verklemmte “You can’t say that on Television”-Regelungen hat wie die hierfür schon berüchtigten Amerikaner. So besteht wohl die strikte Anweisung, dass böse Wörter wie “Shit” (wie es im Namen der Traktorrapper vorkommt) oder eben “Fuck” vor 22 Uhr unter keinen Umständen über den Sender gehen dürfen. Da Österreich in der ersten Hälfte des ersten Semis antritt, welches zeitzonenbedingt im Vereinigten Königreich bereits ab 20 Uhr zur Ausstrahlung gelangt, könnte das noch zum Problem werden. Und alleine für die in diesem Falle dann anstehende Zensurdiskussion hat sich der Sieg der Trackshittaz schon gelohnt!
Die Playlist mit allen zehn Vorentscheidungstiteln.
[Ergänzung 15.10.2021:] Neben dem geschickt inszenierten Zweikampf der queeren Selbstermächtigungshymne gegen den latent frauenfeindlichen Bollerheten-Partyspaß verblasste das restliche Teilnehmer:innenfeld dieses Vorentscheids zur bloßen Staffage. Zwar hatte der mit der Kommissionierung der zehn Beiträge beauftragte Radiosender Ö3 gute Vorarbeit geleistet und eine breite musikalische Auswahl zusammengestellt, die aber gegen die beiden Platzhirsche keine Chance hatte. So steuerte der gebürtige Brite James Cottrial, in Österreich mit seinem bluntesken Östrogenpop Stammgast in den Formatradio-Rotationslisten und bekannt durch den letzten Platz im TV-Tanzwettbewerb Dancing Stars, erwartungsgemäß eine Jammerlappenballade bei, mit der er zumindest einen neuerlichen Top-Ten-Hit generieren konnte. Das Musikprojekt DelaDap um den tschechischen Produzenten Stani Vana, das Roma-Sounds mit Elektro fusionierte, war im Vorfeld vom Pech verfolgt: ein ohne ihr Wissen auf Youtube hochgeladener Handymitschnitt eines Clubauftritts in Odessa vor einer Handvoll Zuschauer:innen brachte sie wegen Verstoßes gegen die Vorveröffentlichungsregel um ihren ursprünglich geplanten Vorentscheidungsbeitrag ‘Crazy Swing’. Der Ersatztitel ‘Don’t turn around’ schaffte es nicht, das Blatt zu wenden.
Dreh dich nicht um, kleine Sissi: DelaDap.
Die in Wels beheimatete Mundart-Rockband Krautschädl konnten von ihrer ‘Einsturzgefohr’ nur ein paar Singles absetzen (#45 in den Austria-Charts, Verweildauer: eine Woche). Für eine Kontroverse sorgte sie im Jahre 2018, als sie einen offenen Brief an den rechtsnationalen “Volks-Rock’n’Roller” Andreas Gabalier schrieb und dessen fragwürdigen Heimatbegriff kritisierte. Ein Jahr später löste sie sich auf. Noch immer aktiv ist hingegen die Mary Broadcast Band. Im Vorjahr bei der Zulassung zum nationalen Finale noch an der Ö3-Jury gescheitert, erhielt sie diesmal für ihr einschläferndes ‘How can you ask me?’ (#53 in den Austria-Charts, Verweildauer: zwei Wochen) eine Wildcard. Das vom Musikproduzenten und Vater der späteren österreichischen Eurovisionsvertreterin Zoë Straub gegründete Folkduo Papermoon, das vor allem in den Neunzigern Erfolge feiern konnte, streute mit dem plinkerplonkerigen Kinderlied ‘Vater, Father, mon Père’ (trotz des verdächtigen Titels nicht aus der Siegel-Werkstatt) zusätzlich Sand in die Augen. Die kommerziell ertragreichsten Zeiten bereits hinter sich hatte auch Valérie Sajdik, die mit dem netten Neo-Chanson ‘Comme ça’ einen Flop landete. Ihr Konkurrent Norbert Schneider sah mit seinem den Musikstil bereits im Titel tragenden ‘Medicate my Blues away’ hingegen die Singlecharts nochmal kurz von innen: auf Platz 70, für eine Woche.
Quetsch die Luftquetschn: Valérie gibt sich französischen Tönen hin.
Für die beiden Mühlviertler sollte sich der angeblich hauchdünne Stimmenvorsprung (die exakten Abstimmungsergebnisse hält der ORF verdächtigerweise bis heute unter Verschluss) im Superfinale als Pyrrhussieg erweisen: in Baku scheiterte ihr zentraler optischer Schwarzlicht-Gag an der fehlenden Verdunkelungsmöglichkeit der eigens für den Contest neu gebauten Crystal Hall. Zudem zerrte sich Manuel bei den Proben das Knie und konnte beim Live-Auftritt nicht tanzen. Der schmachvolle letzte Platz im Semifinale bedeutete das Karriere-Aus für das bis dahin mit drei Gold-Alben und elf Hitsingles (inklusive der Nummer 2 für ‘Woki mit deim Popo’) innerhalb von zwei Jahren extrem erfolgreiche Rap-Duo, das sich 2015 auflöste. Conchita hingegen, deren Zeit einfach noch nicht reif war und die mit ‘That’s what I am’ (#12 in den Austria-Singlecharts) vermutlich besser abgeschnitten, aber keinesfalls gewonnen hätte, profitierte im Nachhinein: zwei Jahre später vom ORF intern ausgewählt, konnte sie sich fast ein halbes Jahrhundert nach Udo Jürgens mit ihrer pompösen James-Bond-Ballade ‘Rise like a Phoenix’ wie der Sagenvogel aus der Asche erheben, die Chansonkrone wieder nach Wien holen und ganz nebenbei die Welt zu einem ein bisschen besseren Ort machen.
Der deutsche Rapper Sido machte Österreich mit seiner TV-Show ‘Blockstars’ mit dem Konzept des Sozialpornos vertraut, mit dem RTL2 praktisch sein gesamtes Programm bestreitet. Die von ihm so gecastete Underdog-Formation 3punkt5 diente dabei natürlich nur als Verheizmaterial.
Vorentscheid AT 2012
Österreich rockt den Song Contest. Freitag, 24. Februar 2012, aus den ORF-Studios in Wien. Zehn Teilnehmer:innen. Moderation: Mirjam Weichselbraun, Robert Kratky, Andi Knoll. Televoting mit Superfinale.# | Interpreten | Songtitel | Televote | Platz |
---|---|---|---|---|
01 | James Cotriall | Stand up | n.b. | n.b. |
02 | Krautschädl | Einsturzgefohr | n.b. | n.b. |
03 | Valérie Sajdik | Comme ça | n.b. | n.b. |
04 | 3punkt5 | Augenblick | n.b. | n.b. |
05 | Conchita Wurst | That’s what I am | 49% | 02 |
06 | Mary Broadcast Band | How can you ask me? | n.b. | n.b. |
07 | DelaDap | Don’t turn around | n.b. | n.b. |
08 | Papermoon | Father, Vater, mon Père | n.b. | n.b. |
09 | Trackshittaz | Woki mit deim Popo | 51% | 01 |
10 | Norbert Schneider | Medicate my Blues away | n.b. | n.b. |
Letzte Aktualisierung: 15.10.2021
< Österreichischer Vorentscheid 2011
Österreich rockt den Song Contest 2013 >
Die Wurst oder die Trackies? Was wäre Deine Wahl gewesen?
- Conchita Wurst natürlich! Buh, Österreich! (40%, 45 Votes)
- Die Trackshittaz! Super, Buam! (31%, 35 Votes)
- Beide waren fabelhaft, gut gemacht, Ösis! (17%, 19 Votes)
- Beide waren Mist. Tschau im Semi. (12%, 14 Votes)
Total Voters: 113

Ja, ein wenig beneide ich die Österreicher schon um ihren Vorentscheid – zwar sehr lang (jau), aber doch Auswahl und etwas mit hohem Unterhaltungsfaktor dabei. La Conchita hätte möglicherweise den höheren ESC-Faktor gehabt – tolle Nummer für junggebliebene Alt-ESCler. Vor allem weil soeben die Jeddies in Irland durchgekommen sind, wird es für die Trackshittaz als Alleinstellungsmerkmal (merkwürdiges Wort?) schwieriger.
Conchita Wurst hätte (zumindest bislang) einen hohen Wiedererkennungswert, interessante Botschaft UND (auch bislang) die einzige Disco-Beat-Nummer im Baku-Angebot. Aber die Show der Popo-Wackler war schon eindrucksvoll. Jawoll. Österreich hat sich 2 gute Finalisten ausgewählt.
Hehe, als der Dr.Ranzenberger sein Gerichtsvollzieher-Gesicht verzog und sich erklärte, dass sein persönlicher Favorit gewonnen hätte, meinte ich, die Gesichter der beiden Popo-Burschen kurz entgleiten zu sehen und auch ich bin von That’s what I am als Sieger ausgegangen.
Gleich vorweg, als Österreicher hatte ich eigentlich das schlimmste befürchtet. Aber Conchitas Song war dann doch besser als erwartet und die Trackshittaz haben einfach eine super Show abgeliefert. Mir wären beide als Sieger recht gewesen, und bin jetzt wirklich gespannt wie das in Baku abschneiden wird. Ich bin aber echt erstaunt dass die Briten “fuck” anstatt “woki” verstehen, finde nicht dass sich das ähnlich anhört. Das “shit” im Namen hatte ich auch nicht bedacht, vielleicht noch eine Umbenennung für den ESC?
Stellt sich mir allerdings noch die Frage ob schlechte Regie die Show der Trackshittaz zerstören kann, wäre ja nicht das erste Mal der Fall dass eine gute Show nicht als solche rüberkommt.
PS: So gut Lukas auch aussieht, der Bassist von Deladap hat mir mal kurz den Atem geraubt als man ihn im Interview endlich mal in Grossaufnahme gezeigt hat.
Fand “Oida Taunz” 2011 etwas besser und chancenreicher , diesmal könnte allein der Titlel für Nullpunkte sorgen. Trotzdem eine gute Wahl.
Ich war zuerst auch erstaunt über den freudschen Fehlhörer der Briten, aber das kam wirklich mehrfach. Vermutlich wurde beim Hören aus “Wok” halt “Fuck”, aus dem “i” ein “him”, und der Rest ergibt sich dann von selbst. Vor allem, wenn man eine dreckige Phantasie hat, wie es ja gerade für Konservative besonders kennzeichnend ist. Und natürlich gilt auch hier, wie immer: der Hörer ist das Schwein. 😉
Die Diskussion um die Track“shit“taz gab es letztes Jahr von dieser Seite auch schon. Da wird der BBC-Kommentator halt einfach drumrummoderieren müssen, oder man verlegt Österreich halt auf einen der späten Startplätze.
Von wegen “von diesem Punkt an konnte nichts mehr schiefgehen”! Konnte es natürlich doch. Nachdem sie es letztes Jahr zu meiner großen Freude richtig gemacht haben, haben die Ösis es heuer auf der Zielgerade verbockt. Ich bin zwar vom Optischen her nicht gerade ein Fan von Conchita Wurst, aber gesanglich war das mit Abstand der beste Beitrag dieses Jahr, während die Trackshittaz auf meiner Rangskala exakt das andere Ende besetzen (wenn man mal von den unterirdischen 3Punkt5 absieht). Während der letztjährige Beitrag noch einen gewissen Pfiff hatte, war das diesmal – trotz bombastischer Show – einfach nur Müll.
Was für ein Schrott – Die Atzen aus dem Ö, schlimm! Nix Finale! Mit Frau Wurst hätte es was werden können! Sehr sehr SCHADE!
YEAH!!! Trackshittaz!!!
Austria: an oarsch voi points! (Selten passte diese Redensart so gut.)
Es war ein Vorentscheid nach meinem Geschmack: Nicht nur Anfänger als Interpreten und verschiedene Musikrichtungen. Die Bauernburschen sollen ins Finale!
Neee, also mir wäre Frau Wurst lieber in Baku gewesen.
Wobei man natürlich dazu sagen muss, dass eine bärtige Transe auch für einige Null-Punkte aus manchen teilnehmenden Ländern geführt hätte- egal ob das Lied gut ist oder schlecht.
Äh … nein. Das Teil ist ja noch nicht mal richtig tanzbar, und bedenkt man, was für einer Musikrichtung es angehört, fällt das schon unter Epic Fail. Von musikalischer Qualität gar nicht anzufangen.
Sorry, aber ich sehe keine Finalchancen für das Teil. Vor allem nicht, da es zwei Plätze nach den sehr viel sympathischeren und tanzbareren Russinnen ins Rennen geht. Gut, dass wir verglichen haben.
[…] Stripclubschuppentänzerinnen. Die jedoch tauschten ihre leuchtfarbenbemalten Badeanzüge aus der Vorentscheidung gegen deutlicher auf Burlesque getrimmte Ensembles mit Rüschenverzierung aus, denn den […]
[…] ausschied, mit ‘Unbreakable’ aber dennoch einen mittleren Hit (# 32) landen konnte. 2012 unterlag sie dann mit einem halben Prozentpunkt Unterschied den Trackshittaz in der […]
[…] symphatischen Bollerheten in Baku: nicht nur durften sie ihre lustigen Schwarzlichtkostüme aus der Vorentscheidung dort nicht einsetzen, weil angeblich aus Sicherheitsgründen die Halle nicht so stark verdunkelt […]