Aser­bai­dschan disst Frankfurt

Da füh­le ich mich gleich dop­pelt bestä­tigt, nicht nach Baku zu rei­sen: ver­mut­lich als Rache­akt für die kri­ti­sche Bericht­erstat­tung deut­scher Medi­en über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen im dies­jäh­ri­gen Euro­vi­si­ons-Aus­tra­gungs­land Aser­bai­dschan disst das dor­ti­ge Staats­fern­se­hen nun zurück, wie die Frank­fur­ter Rund­schau berich­tet. Auf­hän­ger der media­len Wat­sche: das Occu­py-Camp in mei­ner Hei­mat­stadt Frank­furt am Main, wel­che der Repor­ter als schmut­zi­ge Dro­gen- und Pro­sti­tu­ti­ons­höl­le brand­markt. Aus dem seit einem hal­ben Jahr in den Wall­an­la­gen zu Fuße der Euro­päi­schen Zen­tral­bank bestehen­den poli­ti­schen Pro­test­camp gegen die ent­fes­sel­te Ban­ken­macht wird in dem TV-Bericht flugs eine Ansamm­lung hun­ger­lei­den­der Aus­rei­se­wil­li­ger; eine rasche Auto­fahrt durch das Rot­licht­mi­lieu des angren­zen­den Bahn­hofs­vier­tels dient als Kulis­se zu dra­ma­ti­schen (und sta­tis­tisch wider­leg­ba­ren) Behaup­tun­gen über aus­ge­beu­te­te Pro­sti­tu­ier­te und stei­gen­de Drogenabhängigkeit.

httpv://www.youtube.com/watch?v=IOMMDYS_zBI
So geht’s in Frank­furt zu: Elend, soweit das Auge reicht.

Das sind natür­lich präch­ti­ge Schock- und Schmud­del­bil­der, gera­de für ein Land, in dem es dank eines mit eiser­ner Faust regie­ren­den Des­po­ten so etwas wie sicht­ba­re Bor­del­le oder Fixer­stu­ben nicht gibt, wie auch die Sprin­ger­pres­se bereits ver­gan­ge­nes Jahr begeis­tert kon­sta­tier­te. Seht her, scheint der TV-Bericht den Aze­ris zuzu­ru­fen, so sieht sie näm­lich aus, die Frei­heit: Gamm­ler, Jun­kies und Nut­ten. Lasst Euch also von den anrei­sen­den West­lern im Mai bloß nichts ein­re­den! Wie die FR wei­ter berich­tet, wer­de der deut­sche Men­schen­rechts­be­auf­trag­te Mar­kus Löning in der aser­bai­dscha­ni­schen Pres­se als Säu­fer dar­ge­stellt, der Sex mit einer ein­hei­mi­schen Akti­vis­tin habe – auch das wohl eine Reak­ti­on auf sei­ne Mah­nun­gen hin­sicht­lich man­geln­der Pres­se­frei­heit im Erd­öl­staat. Dort kon­tert man in einer aktu­el­len Pro­test­no­te an die über­kri­ti­schen Aus­lands­me­di­en indes, dass ohne­hin nur eine staat­lich gelenk­te, von finan­zi­el­len Inter­es­sen der Eig­ner freie Pres­se, wie die in Aser­bai­dschan, wirk­lich objek­tiv berich­ten kön­ne. Ah ja…

httpv://www.youtube.com/watch?v=5H98dUwyHt4
Und hier, viel wich­ti­ger, ein Auf­ruf von Sing for Democracy

8 Comments

  • lang­sam hege ich eine gewis­se abnei­gung gegen aser­bai­dschan ins­ge­samt. mensch wäre das schön gewe­sen, im demo­kra­tisch rei­nen ita­li­en den esc 2012 in rom statt­fin­den zu las­sen. passt zu den moderatoren. 

  •  Ein Land, in dem über fast zwei Jahr­zehn­te Sil­vio Ber­lus­co­ni regiert hat, demo­kra­tisch rein zu nen­nen, ist aller­dings hart an der Gren­ze. Ita­li­en schafft beim Demo­kra­tie­in­dex nicht die Kate­go­rie “voll­stän­di­ge Demo­kra­tie” und lan­det auf Platz 31. Das ist zuge­ge­ben mehr als 100 Plät­ze bes­ser als Aser­bai­dschan (Platz 140), und in der glei­chen Kate­go­rie  fin­den sich auch ande­re klas­si­sche euro­päi­sche Demo­kra­tien (wie Frank­reich), aber “demo­kra­tisch rein” geht anders.

  • Wenn es um Demo­kra­tien geht, dürf­te bald halb Euro­pa nicht mehr mit­ma­chen!!! Man kann nur hof­fen, dass der Con­test in Baku einen Fun­ken bei den Men­schen bewegt.  Den Pro­ga­na­da­film darf man nicht über­be­wer­ten, jeden­falls nicht im Hin­blick dar­auf, dass dort ein Dik­ta­tor herrscht, der sein Volk bewusst für dumm ver­kau­fen will.

  •  auch wenns hart an der Gren­ze ist, die­ser Kom­men­tar oben war nicht mehr als Iro­nie. Ich wür­de Ita­li­en nie als rei­ne Demo­kra­tie bezeichnen.

  •  Ah ja. In die­sem Fall, will­kom­men in der Welt der schrift­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on im Inter­net, in der Iro­nie eben­so­we­nig erkannt wird wie beim ESC. 😉

  • Medi­en-Mani­pu­la­ti­on ala “Der Schwar­ze Kanal”. Sudel-Ede wür­de sich freu­en. Bei ihm bestand der Wes­ten auch nur aus Arbeits­lo­sen, Obdach­lo­sen und Kriegs­trei­bern. Komisch war nur, wenn man die glei­chen Bil­der eine Woche vor­her bei Pan­ora­ma in einem völ­lig ande­ren Kon­text sah. 

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