Plagiatsdebatten und eine Disqualifikation überschatteten die 51. Ausgabe des Festivali i Këngës, Albaniens traditionellem Musikwettstreit und Vorentscheid zum Eurovision Song Contest. Dabei ging eine Revolution beinahe unter: erstmals besetzte der Sender RTSH die siebenköpfige, alleine entscheidungsberechtigte Jury nicht mehr nur mit einheimischen verdienten Künstler:innen des Volkes, sondern gab drei der einflussreichen Posten an “Expert:innen” aus dem Ausland. In diesem Fall an welche aus Ungarn, Malta und dem kulturellen Vorbild Italien, letzteres vertreten durch den damaligen Delegationsleiter Nicola Caligiore, der das Stiefelland erst 2011 nach langer, langer Grand-Prix-Pause wieder zum europäischen Wettbewerb geführt hatte. Interessanterweise stimmte dieser jedoch – mit der Majorität der albanischen Juror:innen – für einen patriotischen Ethnorockstampfer, der das Thema der skipetarischen ‘Identitet’ bereits im Songtitel trug und mit Werten wie Freiheit, Brüderlichkeit, Mut und einer gemeinsamen Sprache auflud. Was es um so pikanter machte, dass dessen Sänger Adrian Lulgjuraj in Montenegro zur Welt kam, allerdings in einem grenznahen Städtchen mit einer ethnisch albanischen Bevölkerungsmehrheit, zu der auch Adrians Familie zählte.
https://youtu.be/BPiwsYvWBHA
Hier die einzigen auf Youtube noch auffindbaren Szenen des 51. FiK mit einem Ausschnitt aus der Siegerreprise. Alle anderen Mitschnitte sind mal wieder der verblödeten Verwertungsmafia zum Opfer gefallen.
Den größten Unterhaltungswert bezog der nur begrenzt eingängige Siegersong, seines Zeichens eine Mischung aus Ethnoklängen, großer Streicherinstrumentierung und sehr straightem Rocksound, unterdessen aus einem von dem begleitenden Gitarristen Bledar Sejko mit der Zunge (!) gespielten, virtuosen Gitarrensolo. Ausgerechnet dieses zentrale Songelement musste allerdings, wie es von Anfang an zu befürchten stand, gemeinsam mit den Streichern der notwendigen Kürzung des Titels von seinen FiK-üblich über 4 Minuten Länge auf die eurovisionskonformen 180 Sekunden in weiten Teilen weichen. Und den übriggebliebenen Stummel nutzte man in Malmö zu einer pyrotechnischen Showeinlage, bei welcher Bledars Saiteninstrument einen schon hundertmal gesehenen Funkenregen versprühte. Weswegen er hier aus Gründen der eigenen Unversehrtheit sein Schmeckorgan nicht zum Einsatz bringen konnte. Und so verkehrte sich der erhoffte Effekt ins Gegenteil: es wirkte weit weniger authentisch und eindrucksvoll; übrig blieb nur öder Ostrock, der es dann auch nicht ins Finale schaffen sollte, sondern auf dem drittletzten Platz im Semi verendete. Völlig zu Recht übrigens.
So viel Haar und dann keine Windmaschine: der albanische Auftritt beim ESC war ein Musterbeispiel der verpassten Chancen.
Das FiK bot in diesem Jahr indes keine allzu große Konkurrenz. Die beiden ehemaligen skipetarischen Eurovisionsvertreterinnen Anjeza Shahini (2004, Platz 2 im FiK-Finalranking) und Kejsi Tola (2009, Platz 4) überzeugten zwar mit stimmlich sauberen Leistungen, hatten aber ebenso einschläfernde Lieder im Gepäck wie der Rest des albanischen Teilnehmerfeldes. Das bestand ursprünglich aus 26 Wettbewerbsbeiträgen, aufgeteilt wie üblich auf zwei Semis, aus denen jeweils neun Titel sich für das Finale zwei Tage vor Heiligabend qualifizierten. Dennoch traten dort am Ende nur 17 Acts an: die künstlerische Leitung des Festivals entscheid sich, den Beitrag ‘Më ler një ëndërr’ (‘Lass mir einen Traum’) von Ani Çuedari rauszuwerfen, nach dem dieser sich einer Hörprobe zufolge als lupenreines Plagiat eines südkoreanischen Popsongs aus dem Jahre 2012 herausgestellt haben soll. Ironischerweise gab es ähnliche Vorwürfe auch gegen die siegreiche ‘Identitet’. Und tatsächlich kam man nicht ganz umhin, übereinzustimmen, dass der albanische Eurovisionsbeitrag möglicherweise eine zumindest spurenelementare musikalische Übereinstimmung mit folgendem Jugoklassiker von, wenn ich recht informiert bin, 1989, aufweisen könnte. Vergleichen Sie selbst:
Der Baustellensoftporno im Video hat aber nix mit dem Song zu tun, oder?
Der EBU reichte es, wie üblich, nicht für eine Zurückweisung. Dennoch bleibt es natürlich pikant, dass ausgerechnet ein so sehr auf Patriotismus setzender und identitätsstiftender Song in Teilen auf Abkupferei beruht.
Vorentscheid AL 2013
Festivali i Këngës 51. Samstag, 22. Dezember 2012, aus dem Kongresspalast in Tirana, Albanien. 17 Teilnehmer:innen. Moderation: Enkel Demi, Floriana Garo.# | Interpreten | Songtitel | Jury | Platz |
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01 | Ardian Bujupi | I çmëndur për ty | 010 | 11 |
02 | Valun Sheho | Nuk do të ndal | 000 | 15 |
03 | Merland Kademi | Këtu fillon Parajsa | 040 | 05 |
04 | Kelly | Ylli im Polar | 003 | 12 |
05 | Rezarta Smaja | Ti… | 036 | 07 |
06 | Kejsi Tola | S’jemi më atje | 042 | 04 |
07 | Lynx | Si ti askush | 001 | 14 |
08 | Hersi Matmuja | Kush ta dha këtë emër | 048 | 03 |
09 | Rosela Gjylbegu | Dëshirë | 011 | 09 |
10 | Flaka Krelani | Labirinti i Zemrës | 039 | 06 |
11 | Vesa Luma | S’jam perfekt | 000 | 15 |
12 | Anjeza Shahini | Love | 062 | 02 |
13 | Adrian Lulgjuraj + Bledar Sejko | Identitet | 074 | 01 |
14 | Bojken Lako | Lot, Jetë, Dashuri | 027 | 08 |
15 | Selami Kolonja | Ku je? | 000 | 15 |
16 | Dr. Flori + Faba | Jam ti! | 011 | 09 |
17 | Xhejn + Enxhi Kumrija | Arti i një Fundi | 002 | 13 |
Und auch hier wieder die Frage: Albanien – Finale?
- Ne. (38%, 30 Votes)
- Beantworte ich, wenn der Remix (oder Austauschsong) vorliegt. (38%, 30 Votes)
- Ja! (25%, 20 Votes)
Total Voters: 80
Letzte Aktualisierung: 08.09.2022
Also, das ging schon mitten in die Fresse rein, als ich das Teil zum ersten Mal gehört habe. Ich dachte erst, dass die Albaner ein Geschrei bringen, das “Suus” in den Schatten stellt, aber der Siegertitel ist echt klasse.
Aber ich wäre dafür, wenn die EBU von vornherein jedes Land dazu auffordern würde, schon bei der Première eine Version zu bringen, die nicht länger als drei Minuten dauert. Ich finde, man sollte da keine 4‑Minuten-Version bringen, die man dann sowieso kürzen muss. Das muss nicht sein.
Ich finde es gut, dass das albanische Festival eine eigenständige Veranstaltung bleibt und sich nicht einfach unterordnet und zum bloßen Vorentscheid “degeneriert”. Allein schon die internationalen Juries empfand ich als etwas zu viel Anpassung an den ESC.
Wenn du dich da mal nicht ein bissel weit aus dem Fenster lehnst. 😉 So unberechenbar, wie der ESC nunmal ist, würde es mich nicht wundern, wenn bspw. die kitschige Disney-Ballade aus der Ukraine am Ende weit vor unserem frischen, kontemporären ESC-Beitrag à la Mobilée oder Saint Lu platziert ist… XD Der albanische Beitrag gefällt mir übrigens ziemlich gut – etwaige Plagiatsvorwürfe sind bei “folkigen” Songs vor allem den Genre geschuldet, da wiederholen sich halt die Motive.
Die letzten Disneyballaden sind mehr oder weniger abgeschmiert, allen voran Nadine Beiler und Evelina Sasenko 2011. Die Jurys lieben sowas, die Televoter hassen es für gewöhnlich. Selbst mit dem Ukraine-Bonus wird das wohl nichts werden.
Klar, Nadine und Evelina sind im Finale ziemlich weit hinten gelandet… aber ich denke, dass sich die Ukraine 2013 wieder über Wert verkaufen wird (wie schon bei “Sweet People” und “Angel”), da “Gravity” einerseits schön muffig-kitschig ist, aber dank der Chor-Elemente auch einen gewissen “Aha-Faktor” besitzt. Auf der Bühne in Malmö wird das bestimmt episch rüberkommen.
Das Intro von dem Song ist geil. Und dann setzt leider der Gesang ein. In dem Fall bin ich geneigt zu glauben, dass eine Übersetzung ins Englische dem Song nur gut tun könnte. Dann muss noch eine Minute Gitarrengegniedel rausgeschnitten werden, und das Orchester kommt dann sowieso vom Band. Passt schon. Sollte ins Finale kommen.
Soweit man jetzt schon einen Trend festmachen will, scheint selbiger dieses Jahr eher in richtung kraftvollem Rock zu gehen. Zum Leidwesen des schwuppendisco-liebenden Hausherrn? 😉
Nicht nur zu dessen Leidwesen. Das einzige Lied, was mir bislang auf Anhieb gefallen hat, war die preisgünstige Schwupperei “Rhythm of Love” (Asche über mein Haupt). Und das wird anscheinend jetzt auch ausgetauscht. Naain!!!
Ruhig bleiben. Wir sind bei gerade mal sechs bekannten Liedern (und drei weiteren Künstlern). Von 39. Da ist noch eine ganze Menge Luft nach oben.
Eurofire schreibt:Alyona Lanskaya wird “Rhythm of love” nicht beim Eurovision Song Contest in Malmö singen. Aufgrund der nicht festgelegten Regeln des Vorentscheids des Senders BTRC steht es den Interpreten frei, einen neuen Song nachzunominieren. Wie viele Interpreten macht auch Alyona Gebrauch hiervon und fahndet derzeit mit ihrem Team international nach einem powervollen Beitrag, sei es ein Uptempo-Song oder eine Ballade. Bewerbungen nimmt das weißrussische Team derzeit entgegen.Damit ist Weißrussland endgültig in die Riege meiner persönlichen Lieblings-Eurovisionländer (in der sich bereits Estland und Armenien befinden) aufgestiegen. Keine Saison ohne einen Austausch des Songs und/oder des Interpreten in Weißrussland.Aber mir hat “Rhythm Of Love” auch von Anfang an gefallen.
…obwohl ich nach zehn Minuten erkannt hatte, dass für den Refrain woanders ein wenig rumkopiert wurde…
Meine Güte nochmal, RTSH! Warum gibt es von diesem FiK so gut wie keine Livebilder mehr? Nun ja, immerhin kann man mit diesem Audiomitschnitt der FiK-Liveversion von “Identitet” vorliebnehmen, wenn man denn möchte. Ich finde den Beitrag kriminell unterbewertet!
https://www.youtube.com/watch?v=2CXjGh1C7VA
Ich glaub’ mich tritt ein Pferd! Meine Gebete aus dem letzten Dezember wurden den den ganzen, weiten Weg von Marbach am Neckar nach Tirana gehört. Unbedingt mal auf dem YouTube-Kanal von RTSH vorbeischauen, die haben einige (wenn nicht demnächst sogar alle) Liveauftritte vom FiK 51 hochgeladen. Hier als Beispiel der Siegerbeitrag, nur original mit Bledar “Der Zungengitarrist” Sejko.