Heute früh gab der NDR elf der zwölf Teilnehmer der deutschen Vorentscheidung Unser Song für Malmö am 14. Februar 2013 sowie deren Beiträge bekannt. Prominenteste Partizipanten sind zweifellos die Söhne Mannheims, die allerdings (dankenswerterweise) ohne ihr berühmtestes Mitglied Xavier Naidoo antreten. An seiner Stelle wird der frühere H‑Blockx-Frontmann Henning Wehland, auch schon länger Teil der Combo, der baden-württembergischen Musikkommune vorstehen. Der deutsche Danceact Cascada gehört im Gegensatz zu den Mannheimern mit bislang 30 Millionen (!) verkaufter Tonträger und Top-Ten-Hits in den USA sowie ganz Europa gar zur Riege der weltweit etablierten Topseller und ist – nicht untypisch für deutsche Tanzmusikanbieter – außerhalb der Landesgrenzen deutlich erfolgreicher als auf heimischem Grund. Ihre Teilnahme am deutschen Vorentscheid kann damit als echte Sensation gelten, da hat der NDR tatsächlich einen ganz dicken Fisch an Land gezogen. Bleibt noch die spannende Frage, ob das germanische Publikum in der Lage ist, die Chance zu erkennen, die sich hier auf dem Silbertablett darbietet: 2004 verschenkten wir mit Scooter ja schon mal die Gelegenheit, einen unserer stärksten Musikexporte zu entsenden.
Mit lateinischer Kirchenlyrik wollen die Priester der Heilsarmee Konkurrenz machen
Die restlichen neun Teilnehmer sind für mich bislang Unbekannte, wobei das nichts heißt, denn ich beschäftige mich seit Jahren schon nicht mehr mit der aktuellen deutschen Popszene. Nach den ausführlichen Werbetexten auf der NDR-Seite sind aber hochgradig spannende (und das ist jetzt nicht ironisch gemeint) Musikprojekte darunter. Da wäre zum Beispiel die bayerische Blechbläserband LaBrassBanda, die in Mundart singen – und damit neben der Chansonette Betty Dittrich und ihrem lautmalerischen ‘Lalala’ den einzigen in Heimatsprache interpretierten Titel aufbieten – sowie in der Krachledernen auftreten, dennoch alles andere als volkstümlichen Schrott im Musikantenstadlsinne abliefern und auch schon entsprechend euphorische Besprechungen erhielten sowie auf Einladung des Goethe-Institutes durch Russland tourten. Mit Die Priester führt neben dem Schweizer Fernsehen nun auch die ARD ein christlich geprägtes Eurovisionsangebot, denn bei dem Trio handelt es sich tatsächlich um praktizierende Geistliche. Für ihren auf Latein dargebotenen Song-Contest-Beitrag ‘Ave Maris Stella’ holen sich die Kirchenmänner stimmliche Unterstützung bei der Sopranistin Mojca Erdmann.
Heißt Finn, kommt aber nicht aus Helsinki, sondern aus Berlin
Mit dem Untergrund-Club-Act Blitzkids Movement, nach NDR-Angaben “die deutsche Antwort auf Lady Gaga”, der in Berlin produzierten österreichstämmigen Soulstimme Saint Lu, die bereits einen Hit bei uns landen konnte (auch, wenn der an mir vorbeigegangen ist) und dem Elektro-Folk-Barden Finn Martin sind weitere interessante Vertreter am Start. Für Aufsehen sorgten die Duisburger Folk-Popper Mobilée, die mit so tollen Instrumenten wie Mandoline, Ukulele und Banjo musizieren, als sie ausgerechnet bei einem Auftritt im ZDF-Fernsehgarten aus Solidarität mit der in Russland inhaftierten Politband Pussy Riot maskiert auftraten und – um Sand ins Fernsehgetriebe zu streuen – absichtlich nicht lippensynchron zum dort verwendeten Vollplayback sangen. Dafür schon mal Hut ab! Leicht panisch weist der NDR in seinem Vorstellungstext dann auch schon mal darauf hin, dass politische Aktion beim ESC “tabu” sind. Möglicherweise kommt es aber auch gar nicht dazu: denn wie ein Eurovisionista gerade auf ESCnation postete, sollen die Ruhrpottler ihren Vorentscheidungsbeitrag ‘Little Sister’ bereits im Mai dieses Jahres in einer akustischen Version im Rahmen der Musikshow Nachtfahrt TV (u.a. auf dem Digitalkabelsender im1) aufgeführt haben, was gegen die Vorveröffentlichungsregel der EBU (Stichtag: 1. September) verstieße…
‘Little Sister’ von Mobilée, die Akustikversion
Was sollte Unser Song für Malmö werden?
- Cascada: Glorious (29%, 36 Votes)
- Ben Ivory: The righteous Ones (15%, 18 Votes)
- Blitzkids mvt.: Heart on the Line (12%, 15 Votes)
- Finn Martin: Change (12%, 15 Votes)
- LaBrassBanda: Nackert (12%, 15 Votes)
- Keiner von denen. Ich setzte meine Hoffnung auf den zwölften Titel. (7%, 9 Votes)
- Nica & Joe: Elevated (4%, 5 Votes)
- Die Priester + Mojca Erdmann: Ave Maris Stella (2%, 3 Votes)
- Saint Lu: Craving (2%, 3 Votes)
- Betty Dittrich: Lalala (2%, 2 Votes)
- Söhne Mannheims: One Love (2%, 2 Votes)
- Mobilée: Little Sister (1%, 1 Votes)
Total Voters: 124
Um nach den Sprachen zu urteilen, sollten wir eher Lateinisch (Albanien 2012) als im Dialekt (Österreich 2012) singen. Natürlich hängt alles vom Song ab und nicht vom Teilnehmer, aber bitte nicht schon wieder Englisch!
Natürlich sollte man erst mal abwarten, bis alle Songs bekannt sind, aber ich kann mir z.B. nicht vorstellen, dass wir mit Blechbläsern gut in Europa ankämen. Österreich ist damals – leider! – auch mit “Y Asi” im Semi hängen geblieben.
Lieber Olli:
Solltest du nicht erstmal den Song von Cascada abwarten, bevor du sie als die ultimative Chance auf den Sieg bezeichnest? Auch die Unbekannten Acts sind nicht ohne. Diese Saint Lu hat ne kräftige Stimme, die Finn Martins Song Change finde ich absolute klasse und diese Blitzkitz scheinen auch sehr interessant zu sein. Die Labrassband wäre auch mal was anderes. Was sich die ARD aber bei den Priestern gedacht hat, ist mir allerdings ein Rätsel. Das hätte doch Null Chance. Und dann sind noch Mica und Joe von X‑Faktor.
Ich als jemand der drei Jahre lang in Niederbayern studiert hat, kann sagen: LaBrassBanda sind dort, speziell bei den jungen Leuten, eine absolute Kultband! Ihre Blasmusik hat weder was mit dem Musikantenstandl-Playback-Gesülze, noch mit dem reaktionären CSU-Defiliermarsch-Humptata zu tun. Das ist ein ganz eigener Stil mit Einflüssen aus Bayern, Lateinamerika, dem Balkan, Rock, Pop und Ska.
Ich find sie klasse und drück ihnen ganz fest die Daumen!
Ei sischä! Das ist doch klar, dass es wieder ganz anders aussehen kann, sobald alle Songs bekannt sind. Die obige Bewertung geht natürlich erst mal nur vom Namen aus, und da haben Cascada auf internationaler Ebene halt das größte Hitpotenzial. Das war ja auch mehr oder minder unisono die erste Reaktion in den nichtdeutschen ESC-Boards: oh, das haben Cascada dann ja wohl in der Tasche. Die kennt man im Ausland, das wollte ich damit ja nur zum Ausdruck bringen.
Ich find die anderen Acts aber in der Tat auch sehr spannend, gerade LaBrassBand, und bin mal gespannt auf die Songs. Auf jeden Fall sind das nicht mehr so Schülerbands und verkrachte Existenzen wie früher mal beim Vorentscheid, da hat der NDR, soweit ich das beurteilen kann, zum Teil echt hippen Shit angeschleppt – Respekt! Und ich finde es auch gut, dass es eine gewisse Bandbreite gibt – unter dem Gesichtspunkt sind auch die Priester zu verschmerzen.
Auf Facebook haben sie ja schon mal angekündigt, live spielen zu wollen, also nix mit Instrumentalplayback wie beim ESC üblich. Das könnte in Malmö dann interessant werden, wenn sie’s bis dahin schaffen sollten… 🙂
Den Fotos auf ihrer Website zufolge scheinen sie ja wie weiland Sandie Shaw immer barfuß aufzutreten, da freut sich der Fetischist in mir natürlich ganz besonders! 😉
Wird 2013 das Jahr der Religion beim ESC?
Oder kriegen wir entweder die Söhne Mannheims oder Cascada, die ich nur mal von ihren Namen her favorisiere (obwohl die Söhne ohne ihren Xavier kommen).
Cascada hatten eine Nummer 10 in den USA? Wusste ich nicht…
Also ich bin sehr erstaunt über das breite Teilnehmerfeld, hab richtig Angst, dass die Söhne mannheims es aufgrund der Bekanntheit und ARD-Zuschauerklientel schaffen werden.
Ben Ivory sollte man nicht unterschätzen, ein Freund konnte berufsbedingt den Song schon hören und meinte, er sei RICHTIG gut und prognostiziert CSD-Hitpotential. Abwarten. Meine Favouriten sind vor sen Songs ganz klar Blitzkids. Name, Stil, Auftritt, Look ist modern, angesagt aber doch anders, härter, kantiger irgendwie. Ich habe mir sie zuvor schon (hier in den Kommentaren) als Act gewünscht.
Pardon, aber das einzig Lateinische an “Suus” war der Titel. Wenn überhaupt, ist das Lied ein Hinweis darauf, in Muttersprache zu singen. 😉
Einige Namen wie Blitzkids MVT, Saint Lu oder Ben Ivory hören sich
tatsächlich ganz vielversprechend an, aber es steht zu befürchten, dass
deren eurovisionäre Innovationsfreude vom TV-Zuschauer wie auch der Jury
zugunsten renommierterer Acts wie der Dorfdiscotruppe Cascada oder den
Heulsusen Söhne Mannheims mal wieder übersehen wird… Warten wir auf die
Songs!
” […] und prognostiziert CSD-Hitpotential.”
Genau das richtige für ein gutes Abschneiden beim Grand Prix also.
Den Namen nach zu urteilen wäre ich aber klar für Labrassbanda. Der Rest klingt wieder zu sehr nach Pro7-Einheitsbrei.
Mit ihrer Debütsingle ‘Every Time we touch’: Platz 10 in den Billboard-Charts, knapp 2 Millionen verkaufte Exemplare. Platin übrigens auch in Schweden. Mit ‘Evacuate the Dancefloor’ dann noch mal Platz 25 in den USA.
Klingt doch alles in allem schon mal ganz gut! Warten wir mal ab, was die Schäflein uns dann zu Valentin kredenzen!
In der Auswahljury saßen Vertreter der vier großen Plattenfirmen plus ein Indie-Vertreter. Bis auf Sony sind auch alle im Teilnehmerfeld vertreten.
Dass der 12. Teilnehmer noch nicht genannt wurde, deutet doch darauf hin, dass es sich um einen großen Namen handelt, der noch nicht unterschrieben hat und für den der NDR gerne eine Ausnahme macht. Und welcher große Name von Sony arbeitet gerade an seinem neuen Album und hat in der Vergangenheit erklärt, mitmachen zu wollen? Na?
Die Vertreter der Plattenfirmen:
1.
Ben Ivory (Warner)
2.
Betty Dittrich (Universal)
3.
Blitzkids mvt. (Warner)
4.
Cascada (Universal)
5.
Die Priester feat. Mocja Erdmann (Universal)
6.
Finn Martin (Emi)
7.
LaBrassBanda (Trikont)
8.
Mobilee (Universal)
9.
Nica & Joe (Sony)
10.
Saint Lu (Warner)
11.
Söhne Mannheims (Söhne Mannheims GmbH)
Ähm, wenn Nica & Joe aber zu Sony gehören, dann ist Sony doch vertreten. Widerspruch in deinem Beitrag?
Der zwölfte Startplatz ist selbstverständlich für den Sieger vom Stefan Raab demnächst veranstalteten SSDSESCSFM, der in Hannover dann mit 98,9% der Stimmen gegen Cascada im Superfinale gewinnt und in Malmö dann einen “enttäuschenden” 8. Platz macht. 2014 gewinnt dann Pietro Lombardi den aus Nonames bestehenden deutschen Vorentscheid. 😛
Wie schön, dann gewinnen wir ja 2019 wieder. 🙂