Wer sind Sie und was haben Sie Herrn Sie­gel ange­tan? (SM, MK 2013)

Und erneut über­schlu­gen sich ges­tern, nur weni­ge Tage vor der EBU-Dead­line, die Euro­vi­si­ons­er­eig­nis­se wie­der so stark, dass ich sie hier nur gesam­melt nach­rei­chen kann. Begin­nen wir mit dem erstaun­lichs­ten Gesche­hen die­ses Jah­res, ach was: die­ses Jahr­zehnts! Ralph Sie­gel hat ein Lied für den Grand Prix geschrie­ben – und es ist gut! Doch, wirk­lich! Wenn ich es doch sage! Der deut­sche Alt­meis­ter ver­fass­te bekannt­lich erneut den san­ma­ri­ne­si­schen Bei­trag, erneut gesun­gen von Valen­ti­na Monet­ta. Und wer jetzt, wie ich, ein erneu­tes Trash-Spek­ta­kel à la ‘Face­book, uuh-uuh’, erwar­te­te, sah sich bei der gest­ri­gen Song­prä­sen­ta­ti­on hef­tig über­rascht. Denn ‘Cri­sal­i­de’ ist eine rund­weg gelun­ge­ne Euro­vi­si­ons­bal­la­de, mit jeweils exakt den rich­ti­gen Antei­len an Dra­ma­tik, Power, Melo­die, Schmalz und einer stim­mi­gen Instru­men­tie­rung. Sie erfin­det das Gen­re nicht neu, sticht aber selbst in der dies­jäh­ri­ge Bal­la­densee posi­tiv her­vor – auch auf­grund Valen­ti­nas stimm­li­cher Leis­tung, zwi­schen Stär­ke und Ver­letz­lich­keit genau den rich­ti­gen Punkt treffend.


Und ohne Por­no­zopf sieht Valen­ti­na sogar gut aus!

Man will erst gar nicht glau­ben, dass es sich um einen Sie­gel-Song han­deln soll – bis die Bal­la­de nach zwei Minu­ten urplötz­lich in eine Upt­em­po­num­mer umkippt. Zwei Bei­trä­ge zum Preis von einem: ein Mar­ken­zei­chen des Mün­che­ner Grand-Prix-Grand­sei­gneu­rs. Das Erstaun­lichs­te: hier funk­tio­niert es sogar. Denn auch wenn das ange­papp­te Ende ein biss­chen arg nach dem klas­si­schen Schla­ger­boys-Gay-Hands-up-in-the-Air-Dis­co-Remix klingt, so ist es doch von pseu­do­ju­gend­li­chen Fremd­schäm­mach­wer­ken wie ‘Let’s get hap­py’ mei­len­weit ent­fernt und ver­passt dem ja doch ohne eine rich­ti­gen Refrain aus­kom­men müs­sen­den Song zumin­dest ein gro­ßes Fina­le. Geschick­te Stra­te­gie, Herr Sie­gel: erst selbst die Lat­te jedes Jahr nied­ri­ger legen und die Erwar­tungs­hal­tung sen­ken, dann auf einen Jahr­gang mit beson­ders schlech­tem Lie­der­durch­schnitt war­ten und alle mit einem soli­de gemach­ten Song über­ra­schen. Hut ab!


Erwar­tun­gen ent­täuscht: der Ersatz klingt nach Ersatz

Den umge­kehr­ten Weg ging Maze­do­ni­en. Die frü­he­re jugo­sla­wi­sche Repu­blik prä­sen­tier­te zunächst mit ‘Impe­ri­ja’ einen auf brei­ter Front gelob­ten Eth­no­song und aus mei­ner Sicht den bes­ten Bei­trag 2013. Lei­der dreh­te das gemischt­ge­ron­ti­sche Duo Esma & Loza­no dazu ein der­ma­ßen umstrit­te­nes Prä­sen­ta­ti­ons­vi­deo, dass der Bei­trag auf Druck der Anrai­ner­staa­ten vom maze­do­ni­schen Fern­se­hen zurück­ge­zo­gen wer­den muss­te. Der eben­falls ges­tern vor­ge­stell­te Ersatz­bei­trag ‘Pred da se raz­de­ni’ ent­täuscht nun auf gan­zer Linie und klingt, gera­de im Ver­gleich zu ‘Impe­ri­ja’, wie ein has­tig dahin­ge­hu­del­tes Alb­um­füll­stück. Da das Video bis zu die­sem Moment noch nicht im offi­zi­el­len You­tube-Kanal von eurovision.tv auf­tauch­te, klam­mern sich pro­tes­tie­ren­de Fans noch am Gras­halm der Hoff­nung fest, man wür­de sich in Skop­je eines Bes­se­ren besin­nen und wie­der zu ‘Impe­ri­ja’ zurück­keh­ren. Allein, mir fehlt der Glau­be, leider.


Ist der Jun­ge Eyþórs eige­nes inne­res Kind?

Kom­men wir zur Abtei­lung “neue Vide­os”: die gibt es aus Frank­reich, Mal­ta, Spa­ni­en, Island und Russ­land, wobei sich hier nichts mehr an den Songs geän­dert hat (jeden­falls nichts Nen­nens­wer­tes). Aman­di­nes Clip ist mir zwar ein wenig ker­zen­las­tig, das ändert aber nichts dar­an, dass der Song gut ist. Für beson­ders gelun­gen hal­te ich das zu glei­chen Tei­len merk­wür­di­ge wie anrüh­ren­de Zei­chen­trick-Real­film-Video von Eyþór, der sei­nen Bei­trag ‘Ég á Líf’ auch in Mal­mö auf Islän­disch zu Gehör brin­gen will. Dan­ke! Zwar bestärkt mich das gezeig­te Aus­wei­den eines selbst gefan­ge­nen Fischs durch unse­ren Blond­schopf-Wikin­ger dar­in, auch wei­ter­hin Vege­ta­ri­er zu blei­ben. Den­noch rührt mich die Sto­ry, auch wenn ich sie nicht ver­ste­he, echt zu Tränen.


Kein Hap­py End: IT-Jere­my bleibt alleine


Ange­mes­sen düs­ter: Amandine

Ganz süß ist auch das Video des Mal­te­sers Gian­lu­ca Bez­zina, das zwar in einem keim­frei­en Fünf­zi­ger­jah­re-Ambi­en­te wan­delt, damit aber per­fekt zur put­zi­gen Doris-Day-Atti­tü­de sei­nes Songs ‘Tomor­row’ passt. Grou­pie-Tipp für die Blan­ches unter den nach Mal­mö rei­sen­den Fans: Gian­lu­ca arbei­tet im Haupt­be­ruf als Kran­ken­haus­arzt! Mit schö­nen Land­schafts­auf­nah­men besticht das spa­ni­sche Prä­sen­ta­ti­ons­vi­deo zu ESDMs ‘Con­ti­go has­ta el Final’. Und auch der Song wur­de noch mal ein wenig auf­ge­pimpt, auch wenn sich das natür­lich als ver­geb­li­che Lie­bes­müh erweist. Drin­gend abra­ten muss ich hin­ge­gen vom Anschau­en des rus­si­schen, qua­si­re­li­giö­sen Gehirn­wä­sche­vi­de­os, vor allem direkt nach einer Mahl­zeit: ent­puppt sich die mit dem Vor­schlag­ham­mer auf­ge­tra­ge­ne, völ­lig iro­nie­freie Wel­ten­ret­te­rat­ti­tü­de von Dina Gari­po­va doch selbst für den hart­ge­sot­tens­ten Zuschau­er als brechreizerregend.


Jetzt klingt es nicht nur irisch, son­dern sieht auch so aus: ESDM


Dein Blick ist der Welt ent­rückt: Dina schlägt alle in ihren Bann

Hat San Mari­no dank Ralph Sie­gel dies­mal Finalchancen?

  • Ich hät­te nie geglaubt, so etwas mal zu sagen, aber: ja. (91%, 133 Votes)
  • Ich ver­ste­he die kol­lek­ti­ve Hys­te­rie nicht. Ganz nett, ja, aber Fina­le? (7%, 10 Votes)
  • Also bit­te! Zwei anein­an­der geden­gel­te Rohr­kre­pie­rer machen kei­nen guten Song! (2%, 3 Votes)

Total Voters: 146

Wird geladen ... Wird geladen …

Maze­do­ni­en: ‘Pred da se raz­de­ni’ oder ‘Impe­ri­ja’?

  • Impe­ri­ja! Das Ersatz­stück hat dage­gen kei­ne Chan­ce! (48%, 46 Votes)
  • Tauscht nur schön aus, Maze­do­ni­er. Ein Kon­kur­rent weni­ger für Cas­ca­da! (26%, 25 Votes)
  • Wenn man Impe­ri­ja mal ver­gisst, ist das neue Stück gar nicht schlecht. (19%, 18 Votes)
  • Pred da se raz­de­ni’ ist sogar bes­ser. Und weni­ger natio­na­lis­tisch. (6%, 6 Votes)

Total Voters: 95

Wird geladen ... Wird geladen …

12 Comments

  • Als ich Ralph Sie­gel hör­te fiel ich vom Stuhl und als ich den Song hört woll­te ich auch nicht mehr auf­ste­hen – so geil fin­de ich ihn – ja ich gebe es zu, ich fin­de einen Sie­gel Song geil !!! Alles drin was ein Grand-Prix-Song braucht – freue mich schon auf die “Ent­pup­pung” der Schmetterlingslarve 🙂

  • Ohh.. Ralph Sie­gel – Respekt! Respekt, Opa Ralphie!

    End­lich bekommt Valen­ti­na ein Lied – als Wie­der­gut­ma­chung für das Uh, oh, oh, oh, uh, oh, oh vom letz­ten Jahr. Und ich zweif­le nicht dar­an, dass San Mari­no ins Fina­le ein­zieht. Das wäre ein Ding! San Mari­no kommt ins Fina­le und Aser­bai­dschan fliegt raus.

  • Wenn hier schon über Rein- und Raus­flie­gen ora­kelt wird, behaup­te ich: Mon­te­ne­gro im Fina­le und Arme­ni­en (wie­der) drau­ßen! Valen­ti­nas Lied ist (um Peter Urban zu zitie­ren) ein Song, “wie er im Buche der Euro­vi­si­on steht”. Dafür wäh­le ich mir das Kon­to leer!

  • Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgend­wo ein Sie­gel her. Das mag zwar nicht gewin­nen, aber er mit dem Hoch­hal­ten klas­si­scher Euro­vi­si­ons­kunst den Jahr­gang schon irgend­wie geret­tet. Einen Vor­schlag für die Per­for­mance hät­te ich auch schon: Im Bal­la­den­teil wird Lys Assia ein­ge­wi­ckelt und im Upt­em­po-Teil hüpft dann Loreen her­aus. Maze­do­ni­en hat sich aller­dings wirk­lich kei­nen Gefal­len getan.

  • Cri­sal­i­de” ist musi­ka­lisch ok, wirkt aller­dings extrem kal­ku­riert: Die ers­ten 2 Minu­ten eine soli­de (ita­lie­nisch­spra­chi­ge!!) Bal­la­de, um die Juries anzu­spre­chen – und die letz­te Minu­te dann cam­pen Dis­co­kitsch, um den typi­schen ESC-Fan zu beglü­cken und so für genü­gend Tele­vo­ting­punk­te zu sor­gen. Das Kal­kül dürf­te aufgehen.

  • Wel­cher Sie­gel-Song ist bit­te­schön nicht kal­ku­liert? 😉 Immer­hin wirkt der Song weni­ger gewollt als letz­tes Jahr.

  • Ich fin­de es sehr sehr freund­lich von Herrn Sie­gel, dass er der sehr begab­ten Sän­ge­rin Valen­ti­na Monet­ta die­sen Bei­trag geschenkt hat – soll­te das jetzt nicht ins Fina­le gelan­gen – da wäre ich aber sau­er. Das ist rich­tig gut – rich­tig gut! Und natür­lich kal­ku­liert Ralph Sie­gel sei­ne Songs – aber es gibt nicht so vie­le Kom­po­nis­ten, die das beim ESC nicht machen – es ist ja schließ­lich ein Wett­be­werb – da ist Doping erlaubt! Viel Glück Valen­ti­na und viel Glück Ralph Sie­gel! Und dan­ke für den Song!

  • Und über Maze­do­ni­en bin ich trau­rig – bei dem neu­en Stück gelingt das Duett nicht son­der­lich gut – hach, was war Impe­ri­ja ein tol­ler Beitrag…

  • Ja, letz­tes Jahr klang es wie gewollt und nicht gekonnt.… XD Ich find’s halt sehr scha­de, wenn Bei­trä­ge weni­ger nach Musik, son­dern mehr nach unbe­ding­tem ESC-Erfolg klin­gen. Ande­re Bei­spie­le wären in die­sem Jahr noch Russ­land und Geor­gi­en: 0% Mut zur Krea­ti­vi­tät, 100% Kalkül. 

  • Und ich muss­te fest­stel­len, dass mir der Song als Hin­ter­grund­s­core ohne Text und Gesang bes­ser gefällt als mit. Viel­leicht soll­te Ralph Sie­gel es auch mal als Kom­po­nist für Film und Fern­se­hen versuchen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert