Und erneut überschlugen sich gestern, nur wenige Tage vor der EBU-Deadline, die Eurovisionsereignisse wieder so stark, dass ich sie hier nur gesammelt nachreichen kann. Beginnen wir mit dem erstaunlichsten Geschehen dieses Jahres, ach was: dieses Jahrzehnts! Ralph Siegel hat ein Lied für den Grand Prix geschrieben – und es ist gut! Doch, wirklich! Wenn ich es doch sage! Der deutsche Altmeister verfasste bekanntlich erneut den sanmarinesischen Beitrag, erneut gesungen von Valentina Monetta. Und wer jetzt, wie ich, ein erneutes Trash-Spektakel à la ‘Facebook, uuh-uuh’, erwartete, sah sich bei der gestrigen Songpräsentation heftig überrascht. Denn ‘Crisalide’ ist eine rundweg gelungene Eurovisionsballade, mit jeweils exakt den richtigen Anteilen an Dramatik, Power, Melodie, Schmalz und einer stimmigen Instrumentierung. Sie erfindet das Genre nicht neu, sticht aber selbst in der diesjährige Balladensee positiv hervor – auch aufgrund Valentinas stimmlicher Leistung, zwischen Stärke und Verletzlichkeit genau den richtigen Punkt treffend.
Und ohne Pornozopf sieht Valentina sogar gut aus!
Man will erst gar nicht glauben, dass es sich um einen Siegel-Song handeln soll – bis die Ballade nach zwei Minuten urplötzlich in eine Uptemponummer umkippt. Zwei Beiträge zum Preis von einem: ein Markenzeichen des Münchener Grand-Prix-Grandseigneurs. Das Erstaunlichste: hier funktioniert es sogar. Denn auch wenn das angepappte Ende ein bisschen arg nach dem klassischen Schlagerboys-Gay-Hands-up-in-the-Air-Disco-Remix klingt, so ist es doch von pseudojugendlichen Fremdschämmachwerken wie ‘Let’s get happy’ meilenweit entfernt und verpasst dem ja doch ohne eine richtigen Refrain auskommen müssenden Song zumindest ein großes Finale. Geschickte Strategie, Herr Siegel: erst selbst die Latte jedes Jahr niedriger legen und die Erwartungshaltung senken, dann auf einen Jahrgang mit besonders schlechtem Liederdurchschnitt warten und alle mit einem solide gemachten Song überraschen. Hut ab!
Erwartungen enttäuscht: der Ersatz klingt nach Ersatz
Den umgekehrten Weg ging Mazedonien. Die frühere jugoslawische Republik präsentierte zunächst mit ‘Imperija’ einen auf breiter Front gelobten Ethnosong und aus meiner Sicht den besten Beitrag 2013. Leider drehte das gemischtgerontische Duo Esma & Lozano dazu ein dermaßen umstrittenes Präsentationsvideo, dass der Beitrag auf Druck der Anrainerstaaten vom mazedonischen Fernsehen zurückgezogen werden musste. Der ebenfalls gestern vorgestellte Ersatzbeitrag ‘Pred da se razdeni’ enttäuscht nun auf ganzer Linie und klingt, gerade im Vergleich zu ‘Imperija’, wie ein hastig dahingehudeltes Albumfüllstück. Da das Video bis zu diesem Moment noch nicht im offiziellen Youtube-Kanal von eurovision.tv auftauchte, klammern sich protestierende Fans noch am Grashalm der Hoffnung fest, man würde sich in Skopje eines Besseren besinnen und wieder zu ‘Imperija’ zurückkehren. Allein, mir fehlt der Glaube, leider.
Ist der Junge Eyþórs eigenes inneres Kind?
Kommen wir zur Abteilung “neue Videos”: die gibt es aus Frankreich, Malta, Spanien, Island und Russland, wobei sich hier nichts mehr an den Songs geändert hat (jedenfalls nichts Nennenswertes). Amandines Clip ist mir zwar ein wenig kerzenlastig, das ändert aber nichts daran, dass der Song gut ist. Für besonders gelungen halte ich das zu gleichen Teilen merkwürdige wie anrührende Zeichentrick-Realfilm-Video von Eyþór, der seinen Beitrag ‘Ég á Líf’ auch in Malmö auf Isländisch zu Gehör bringen will. Danke! Zwar bestärkt mich das gezeigte Ausweiden eines selbst gefangenen Fischs durch unseren Blondschopf-Wikinger darin, auch weiterhin Vegetarier zu bleiben. Dennoch rührt mich die Story, auch wenn ich sie nicht verstehe, echt zu Tränen.
Kein Happy End: IT-Jeremy bleibt alleine
Angemessen düster: Amandine
Ganz süß ist auch das Video des Maltesers Gianluca Bezzina, das zwar in einem keimfreien Fünfzigerjahre-Ambiente wandelt, damit aber perfekt zur putzigen Doris-Day-Attitüde seines Songs ‘Tomorrow’ passt. Groupie-Tipp für die Blanches unter den nach Malmö reisenden Fans: Gianluca arbeitet im Hauptberuf als Krankenhausarzt! Mit schönen Landschaftsaufnahmen besticht das spanische Präsentationsvideo zu ESDMs ‘Contigo hasta el Final’. Und auch der Song wurde noch mal ein wenig aufgepimpt, auch wenn sich das natürlich als vergebliche Liebesmüh erweist. Dringend abraten muss ich hingegen vom Anschauen des russischen, quasireligiösen Gehirnwäschevideos, vor allem direkt nach einer Mahlzeit: entpuppt sich die mit dem Vorschlaghammer aufgetragene, völlig ironiefreie Weltenretterattitüde von Dina Garipova doch selbst für den hartgesottensten Zuschauer als brechreizerregend.
Jetzt klingt es nicht nur irisch, sondern sieht auch so aus: ESDM
Dein Blick ist der Welt entrückt: Dina schlägt alle in ihren Bann
Hat San Marino dank Ralph Siegel diesmal Finalchancen?
- Ich hätte nie geglaubt, so etwas mal zu sagen, aber: ja. (91%, 133 Votes)
- Ich verstehe die kollektive Hysterie nicht. Ganz nett, ja, aber Finale? (7%, 10 Votes)
- Also bitte! Zwei aneinander gedengelte Rohrkrepierer machen keinen guten Song! (2%, 3 Votes)
Total Voters: 146
Mazedonien: ‘Pred da se razdeni’ oder ‘Imperija’?
- Imperija! Das Ersatzstück hat dagegen keine Chance! (48%, 46 Votes)
- Tauscht nur schön aus, Mazedonier. Ein Konkurrent weniger für Cascada! (26%, 25 Votes)
- Wenn man Imperija mal vergisst, ist das neue Stück gar nicht schlecht. (19%, 18 Votes)
- ‘Pred da se razdeni’ ist sogar besser. Und weniger nationalistisch. (6%, 6 Votes)
Total Voters: 95
Als ich Ralph Siegel hörte fiel ich vom Stuhl und als ich den Song hört wollte ich auch nicht mehr aufstehen – so geil finde ich ihn – ja ich gebe es zu, ich finde einen Siegel Song geil !!! Alles drin was ein Grand-Prix-Song braucht – freue mich schon auf die “Entpuppung” der Schmetterlingslarve 🙂
Ohh.. Ralph Siegel – Respekt! Respekt, Opa Ralphie!
Endlich bekommt Valentina ein Lied – als Wiedergutmachung für das Uh, oh, oh, oh, uh, oh, oh vom letzten Jahr. Und ich zweifle nicht daran, dass San Marino ins Finale einzieht. Das wäre ein Ding! San Marino kommt ins Finale und Aserbaidschan fliegt raus.
Wenn hier schon über Rein- und Rausfliegen orakelt wird, behaupte ich: Montenegro im Finale und Armenien (wieder) draußen! Valentinas Lied ist (um Peter Urban zu zitieren) ein Song, “wie er im Buche der Eurovision steht”. Dafür wähle ich mir das Konto leer!
Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Siegel her. Das mag zwar nicht gewinnen, aber er mit dem Hochhalten klassischer Eurovisionskunst den Jahrgang schon irgendwie gerettet. Einen Vorschlag für die Performance hätte ich auch schon: Im Balladenteil wird Lys Assia eingewickelt und im Uptempo-Teil hüpft dann Loreen heraus. Mazedonien hat sich allerdings wirklich keinen Gefallen getan.
“Crisalide” ist musikalisch ok, wirkt allerdings extrem kalkuriert: Die ersten 2 Minuten eine solide (italienischsprachige!!) Ballade, um die Juries anzusprechen – und die letzte Minute dann campen Discokitsch, um den typischen ESC-Fan zu beglücken und so für genügend Televotingpunkte zu sorgen. Das Kalkül dürfte aufgehen.
Welcher Siegel-Song ist bitteschön nicht kalkuliert? 😉 Immerhin wirkt der Song weniger gewollt als letztes Jahr.
Ich finde es sehr sehr freundlich von Herrn Siegel, dass er der sehr begabten Sängerin Valentina Monetta diesen Beitrag geschenkt hat – sollte das jetzt nicht ins Finale gelangen – da wäre ich aber sauer. Das ist richtig gut – richtig gut! Und natürlich kalkuliert Ralph Siegel seine Songs – aber es gibt nicht so viele Komponisten, die das beim ESC nicht machen – es ist ja schließlich ein Wettbewerb – da ist Doping erlaubt! Viel Glück Valentina und viel Glück Ralph Siegel! Und danke für den Song!
Und über Mazedonien bin ich traurig – bei dem neuen Stück gelingt das Duett nicht sonderlich gut – hach, was war Imperija ein toller Beitrag…
Von wegen Plagiat: Da hat sich doch Island auch vom Altmeister inspirieren lassen. Siehe: http://www.youtube.com/watch?v=S4-uzSOi3Zw
Und noch etwas wollte ich hinzufügen: Bei der Präsentation am Freitag habe ich endlich mal erfahren, wo bei “Uh-Oh-Uh-Oh” eine Gitarre vorkommt ^^
(Weil ja damals eine Gitarristin auf der Bühne stand; https://www.aufrechtgehn.de/2012/05/itrash-1-probe-san-marino/)
Ja, letztes Jahr klang es wie gewollt und nicht gekonnt.… XD Ich find’s halt sehr schade, wenn Beiträge weniger nach Musik, sondern mehr nach unbedingtem ESC-Erfolg klingen. Andere Beispiele wären in diesem Jahr noch Russland und Georgien: 0% Mut zur Kreativität, 100% Kalkül.
Und ich musste feststellen, dass mir der Song als Hintergrundscore ohne Text und Gesang besser gefällt als mit. Vielleicht sollte Ralph Siegel es auch mal als Komponist für Film und Fernsehen versuchen.