Wie die Fan-Seite 12points.tv unter Bezugnahme auf einen Bericht der schwedischen Tageszeitung Skånska Dagbladet berichtet, soll es beim Eurovision Song Contest 2013 Versuche gegeben haben, Jurystimmen zu kaufen. Ein namentlich nicht genanntes Mitglied einer Eurovisionsdelegation habe der Zeitung gegenüber behauptet, sowohl vonseiten der mazedonischen wie der aserbaidschanischen Delegation zum Stimmentausch aufgefordert worden zu sein. Auch ein nicht weiter spezifiziertes “südeuropäisches Land” sei in die Manipulationsversuche involviert. Die Mazedonier wiesen die Anschuldigungen als “Schmierenkampagne” zurück. Sietse Bakker, Pressesprecher der EBU für den Eurovision Song Contest, sagte, es gebe keinerlei stichhaltige Beweise für die anonymen Behauptungen. Zu den in diesem Zusammenhang ebenfalls erneut vorgebrachten Anschuldigungen, Aserbaidschan betreibe Power-Voting (beeinflusse also das Televoting durch gezielte, gekaufte Anrufe), bemerkte er, dies sei juristisch nicht zu beanstanden, werde aber technisch ausgefiltert.
Nicht genug gezahlt? Farid Mammadov wurde “nur” Zweiter
Im Interview mit dem Skånska Dagbladet behauptet die anonym bleibende Quelle (nennen wir ihn der Übersichtlichkeit halber “A”), eine Woche vor dem Semifinale in Malmö von einem Mitarbeiter der mazedonischen Delegation kontaktiert worden zu sein, der ihm vorgeschlagen habe, dass sich die beiden Länder bei der Juryabstimmung gegenseitig jeweils 10 Punkte zuschustern sollen. Der Leiter der exjugoslawischen Delegation sprach in einer Stellungnahme gegenüber der Zeitung von einer gezielten Verleumdungskampagne einer einschlägig bekannten einzelnen Person, die in der Vergangenheit bereits mehrfach versucht habe, die Mazedonier “in Verruf zu bringen”. Weitere Beschuldigungen von “A”: ein ungenanntes südeuropäisches Land habe telefonisch angeboten, gegen eine großzügige Jurybewertung des eigenen Titels den von “A” betreuten Künstler in Südeuropa groß herauszubringen. Das betroffene Land habe dies der Zeitung gegenüber als “falsch” und “rufschädigend” zurückgewiesen. “A” berichtet weiter von einem gemeinsamen Kaffeetrinken mit einem Mitglied der aserbaidschanischen Delegation, bei dem dieses nicht nur offen zugegeben habe, dass der Erdölstaat gezieltes Powervoting betreibe, sondern ihm auch “genügend Geld, damit Du ein Jahr davon leben kannst” für eine günstige Jurywertung für ‘Hold me’ angeboten habe. Vonseiten dieses Landes gab es keine Stellungnahme.
Erneut Opfer einer Kampagne? Esma & Lozano
Zum Thema Powervoting, also dem Versuch, durch das Verteilen kostenloser Guthabenkarten bzw. von Geldgeschenken Menschen in allen möglichen Ländern zum Anrufen für ein bestimmtes Land zu bewegen, wie Aserbaidschan das nach Anschuldigungen einer litauischen News-Seite dieses Jahr in Vilnius versucht haben soll, nahm Sietse Bakker wie folgt Stellung: “Solche Versuche können nicht verhindert werden. Es ist gesetzlich nicht verboten, auf den Straßen von Vilnius oder jeder anderen europäischen Stadt herzugehen und Leuten 20 € anzubieten, um beim Eurovision Song Contest abzustimmen. Unsere Systeme sind aber intelligent genug, solche Powervotes zu entdecken und herauszufiltern.” Hinsichtlich des Stimmentauschs sagte er, solche Behauptungen gebe es praktisch seit 1956, bislang seien diese jedoch noch nie durch harte Fakten beweisen worden. Man lasse sich von jedem Juroren vorher schriftlich zusichern, dass dieser seine Punkte völlig unabhängig vergebe. Außerdem würden die Jury-Abstimmung in jedem Land notariell überwacht, darüber hinaus schicke die EBU unabhängige Beobachter von PriceWaterhouseCoopers in nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Länder. Hierbei sei noch nie etwas Verdächtiges beobachtet worden.
Angebliches konspiratives Treffen in Vilnius
“Wir tun jedes Jahr alles, was wir können, um eine faire Juryabstimmung sicherzustellen. Es gibt immer Menschen, die das Ergebnis eines Wettbewerbs gerne anzweifeln. Würden sie Beweise vorbringen, wären wir die ersten, die reagieren würden,” so Bakker abschließend. Nun ist dem EBU-Sprecher aus meiner Sicht zuzustimmen, dass unbewiesene anonyme Anschuldigungen eben nur das sind: unbewiesene anonyme Anschuldigungen, die völlig frei erfunden sein können. An denen aber genau so gut auch etwas dran sein kann. Jedenfalls verdeutlichen sie erneut die Anfälligkeit des Jurysystems für Manipulationen. Eine schriftliche Selbstverpflichtung ist sicherlich keine ausreichende Schutzmaßnahme gegen Korruption (und um nichts anderes handelt es sich bei dem Tausch von Punkten gegen Geld oder andere Vorteile). Der frühere deutsche Delegationsleiter Jürgen Meier-Beer berichtete in Jan Feddersens Eurovisionsbibel “Ein Lied kann eine Brücke sein”, 1997 von einem anderen Delegationschef zum Stimmentausch aufgefordert worden zu sein, und ihn halte ich diesbezüglich für eine glaubwürdige Quelle. Es bleibt das altbekannte Dilemma: das Televoting ist anfällig für nationalistisch geprägtes Abstimmungsverhaltung bzw. Diasporavoting. Mit der zum Zwecke des Ausbalancierens dieser Effekte wiederbelebten Jury öffnet man jedoch dem gezielten Stimmentausch Tür und Tor. Auch wenn sich nichts beweisen lässt und sicherlich das Abendland nicht davon untergeht, wenn Aserbaidschan Farid Mammadov von einem vierten auf einen zweiten Platz hochgemogelt haben sollte: zur Glaubwürdigkeit des Wettbewerbs tragen die Jurys nicht bei. Dabei ließe sich ein faireres Ergebnis auch ohne sie sicherstellen, nämlich so.

“Wir tun jedes Jahr alles, was wir können, um eine faire Juryabstimmung sicherzustellen. Es gibt immer Menschen, die das Ergebnis eines Wettbewerbs gerne anzweifeln. Würden sie Beweise vorbringen, wären wir die ersten, die reagieren würden” – auf unbewiesene anonyme Anschuldigungen kann man nicht reagieren, soweit bin ich mit Herrn Bakker und dem Hausherren d’accord. ABER: Würde die EBU die Beweise erkennen, wenn sie ihr ins Gesicht springen würden? UND: Wie wäre dann die Reaktion darauf? Würden dann auch alle Länder gleich behandelt und nicht manche, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, gleicher? Ich denke da einerseits an die Nicht-Teilnahme-Möglichkeit für den Libanon und andererseits an die Störungen, die aserbaidschanische Sender zuweilen zu überfallen scheinen, wenn armenische Beiträge gesendet werden.… im ersten Fall durften die Libanesen anno 2005 leider nicht teilnehmen, weil sie den Beitrag Israels nicht gesendet hatten, im zweiten Falle gabs ein Kläpsken auf die bösen aserbaidschanischen Finger und eine Strafe, die die Herrschaften dort aus der Portokasse zahlen… Verdammt, EBU, beweist endlich mal Rückgrat, wenns drauf ankommt! Dass Ihr eine Wirbelsäule und ein dickes Portemonnaie habt, wissen wir bereits!
“weil sie den Beitrag Israels nicht gesendet HÄTTEN” muss das latürnich heißen…
[…] haben das fortgesetzte Genörgel der Fans und die Presseberichte über möglichen Stimmenkauf beim Eurovision Song Contest doch etwas genützt: ab 2014 will die EBU […]
[…] da man die verdächtigen Stimmen vorher aussortierte. Mehrere Finger zeigten insbesondere auf den aserbaidschanischen Sender Ictimei TV. Eine daraufhin eingeleitete offizielle EBU-Untersuchung hätte, so der NDR, zwar […]