Split­vo­ting: EBU will die tota­le Transparenz

Da haben das fort­ge­setz­te Genör­gel der Fans und die Pres­se­be­rich­te über mög­li­chen Stim­men­kauf beim Euro­vi­si­on Song Con­test doch etwas genützt: ab 2014 will die EBU end­lich wie­der die Split­vo­tin­g­er­geb­nis­se ver­öf­fent­li­chen, wie sie heu­te Mor­gen bekannt gab. Und nicht nur das: um die Trans­pa­renz wei­ter zu erhö­hen, sol­len die Namen aller Juro­ren bereits vor dem Con­test, am 1. Mai 2014, bekannt gege­ben wer­den – sowie ihr per­sön­li­ches Abstim­mungs­ver­hal­ten, das heißt das indi­vi­du­el­le Ran­king jedes ein­zel­nen Juro­ren direkt nach dem Fina­le! Damit wis­sen erbos­te Fans künf­tig, wem sie das schlech­te Abschnei­den ihres Lieb­lings­bei­trags nament­lich zu ver­dan­ken haben. Dar­über hin­aus führt die EBU eine zwei­jäh­ri­ge Sperr­frist ein: wer 2012 und / oder 2013 bereits in der Jury saß, darf die­ses Jahr nicht wie­der ran. Wie schon bis­her gilt, dass aus­schließ­lich Radio-DJs, Sän­ger, Kom­po­nis­ten, Text­dich­ter oder Musik­pro­du­zen­ten – soge­nann­te “Pro­fes­sio­nel­le” – Teil einer Jury wer­den dür­fen, die natio­na­len Sen­der für die Ernen­nung zustän­dig blei­ben und die Stim­men der Jury zu 50% zäh­len (neben dem Tele­vo­ting). Ein­zi­ger Wer­muts­trop­fen der Trans­pa­renz­of­fen­si­ve: die von vie­len Fans gefor­der­te nach­träg­li­che Ver­öf­fent­li­chung der Split­vo­tin­g­er­geb­nis­se für 2013 lehnt die EBU wei­ter­hin ab.


Eins der Juryop­fer 2013: Who See und Nina Žižić (ME). Künf­tig ken­nen wir die Schul­di­gen in Person

Wir hof­fen, mit die­sen Ände­run­gen den Spe­ku­la­tio­nen ein Ende zu set­zen, die wir in letz­ter Zeit über uns erge­hen las­sen muss­ten,” sag­te Dr. Frank-Die­ter Frei­ling vom EBU-Len­kungs­aus­schuss für den Euro­vi­si­on Song Con­test. Ein so über­fäl­li­ger wie geschick­ter Schach­zug der EBU: mit der nament­li­chen Ver­öf­fent­li­chung der indi­vi­du­el­len Abstim­mungs­er­geb­nis­se der ein­zel­nen Juro­ren len­ken die Schwei­zer Orga­ni­sa­to­ren sämt­li­che Mani­pu­la­ti­ons­vor­wür­fe von sich weg auf eben die­se Juro­ren, deren Namen die Kom­men­ta­to­ren der natio­na­len Sen­de­an­stal­ten künf­tig für das eige­ne Land jeweils zu Beginn der Show ver­le­sen müs­sen. Durch die neue Rota­ti­ons­re­ge­lung wird es für Län­der, die Stim­men­kauf betrei­ben wol­len, schwie­ri­ger, auf Dau­er bestech­li­che Jury­mit­glie­der zu fin­den – im Gegen­zug gewin­nen sie durch die Ver­öf­fent­li­chung der Namen bereit am 1. Mai 2014 zusätz­li­che Zeit, die not­wen­di­gen Kon­tak­te zu knüp­fen und die Prei­se zu ver­han­deln. In demo­kra­tisch zwei­fel­haf­ten Län­dern wie (Weiß-)Russ­land, Rumä­ni­en oder Aser­bai­dschan dürf­te es zudem für die ein­zel­nen Juro­ren noch schwie­ri­ger wer­den, sich dem Erwar­tungs­druck der jewei­li­gen Regie­rung im Hin­blick auf das erwünsch­te Abstim­mungs­ver­hal­ten zu entziehen.


Ihre aus­blei­ben­den Jury­punk­te aus Aser­bai­dschan führ­ten zu einer diplo­ma­ti­schen Ver­stim­mung: Dina Gari­po­va (RU)

Offen bleibt auch die Fra­ge, wie die EBU das soge­nann­te Power­vo­ting, also das gekauf­te mas­sen­haf­te Tele­vo­ting für am Sieg inter­es­sier­te Län­der, in den Griff krie­gen will. Es wur­de von der EBU bis­lang als Grund ange­führt, war­um man 2013 die Split­vo­tin­g­er­geb­nis­se nicht ver­öf­fent­lich­te, denn: “Gibt es in einem Land nicht genü­gend Tele­vo­ting­stim­men für ein ver­läss­li­ches Ergeb­nis, wer­den die Län­der­punk­te aus­schließ­lich auf­grund der Jury­ab­stim­mung ver­ge­ben. Bei einem detail­lier­ten Split­vo­ting könn­te man sehr leicht erken­nen, wo das der Fall war, und es so den Leu­ten leich­ter machen, im nächs­ten Jahr das Ergeb­nis dort per Power­vo­ting zu beein­flus­sen”, erklär­te Siet­se Bak­ker von der EBU noch Mai 2013 auf Face­book. Zwar soll das mit dem Erfas­sen der Tele­fon­stim­men beauf­trag­te deut­sche Unter­neh­men Diga­me laut EBU über tech­ni­sche Mög­lich­kei­ten ver­fü­gen, eine auf­fäl­li­ge Häu­fung von Anru­fen für ein bestimm­tes Land inner­halb einer Mobil­funk-Funk­zel­le zu erken­nen und aus­zu­sor­tie­ren. Um so unver­ständ­li­cher daher, war­um eine nach­träg­li­che Ver­öf­fent­li­chung des Split­vo­tings für 2013 den­noch unter­bleibt, wenn Bak­kers Begrün­dung nun auf ein­mal doch kei­ne Rol­le mehr spielt. Was hat die EBU hier zu ver­heim­li­chen? Gab es am Ende in Mal­mö doch unter­schied­li­che Sie­ger im Tele- und Juryvoting?

Sor­gen die neu­en EBU-Regeln für mehr Trans­pa­renz und Fair­ness beim ESC?

  • Sie sind ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung, rei­chen aber nicht aus. (38%, 25 Votes)
  • Nein. Sie ändern nichts am Grund­übel, der Jury. Die gehört abge­schafft. (18%, 12 Votes)
  • Schau­en wir doch erst mal, ob sich tat­säch­lich etwas ändert an den Ergeb­nis­sen. (18%, 12 Votes)
  • Mit der Bekannt­ga­be der Juro­ren im Vor­feld wird der Bestechung erst recht Vor­schub geleis­tet. (17%, 11 Votes)
  • Auf jeden Fall. Damit gibt es nun kei­nen Grund mehr für Genör­gel. (9%, 6 Votes)

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9 Comments

  • Zum The­ma Druck und Kor­rup­ti­on bei bekann­ten Juro­ren: Das mag sein – ande­rer­seits wis­sen die Medi­en natür­lich auch, wen sie unter Beob­ach­tung hal­ten müs­sen. Wenn sich Juror XY aus Mal­ta zwei Tage vor dem Semi mit dem stell­ver­tre­ten­den Dele­ga­ti­ons­lei­ter aus Aser­bai­dschan trifft (um mal eine der selt­sa­me­ren Ach­sen der letz­ten Jah­re als Bei­spiel zu bemü­hen), dann weiß ab nächs­tes Jahr jeder, dass Juror XY auch wirk­lich ein Juror ist. Es bleibt abzu­war­ten, wel­cher die­ser Effek­te stär­ker durch­schlägt. Ich freue mich jeden­falls auf noch mehr Ver­schwö­rungs­theo­rien, von denen die Hälf­te sogar wahr sein könnte. 😉

  • Da gibt sich die EBU so viel Mühe, um die Fans zu befrie­di­gen und schießt über das Ziel hin­aus. Die Vor­ver­öf­fent­li­chung der Juro­ren ist hin­sicht­lich der Bestechun­gen kei­ne gute Idee.

  • Ich könn­te mir das mit den unter­schied­li­chen Sie­gern durch­aus vor­stel­len. Gera­de im Tele­vo­ting-Durch­schnitts­ran­king sind die ers­ten Plät­ze viel näher zusam­men (DEN 0,69 vor UKR, 0,89 vor AZE und 1,03 vor GRE) als beim Jury-Durch­schnitts­ran­king (DEN 1,54 vor AZE). Das könn­te nach Punk­ten durch­aus etwas anders aussehen.

  • Hm… wie des­öf­te­ren fällt mir die Fest­le­gung auf eine Optio­nen bei der Abstim­mung unnö­tig schwer: Zwar wird es trans­pa­ren­ter und wohl auch ein klein wenig gerech­ter zuge­hen, aber die “Jury” gehört unab­hän­gig davon natür­lich trotz­dem ein und für alle­mal in die Wei­ten der Gala­xie abge­schos­sen. Letzt­lich habe ich mich für den “Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung” ent­schie­den, denn die Stei­ge­rung in Sachen Trans­pa­renz lässt sich ja nicht weg­dis­ku­tie­ren. Tele­vo­te- und “Jury”-Ergebnisse soll­ten i.Ü. noch wäh­rend der Live­sen­dung ein­ge­blen­det wer­den (was natür­lich nicht pas­sie­ren wird, jaja).
    Ins­ge­samt aber eine kla­re Ver­bes­se­rung, mit Aus­nah­me der vor­zei­ti­gen(!) Bekannt­ga­be der Jurynamen.

  • Hmmmm.… tota­le Trans­pa­renz? Real­ly? Ich lese da nur raus, dass da die Ergeb­nis­se jedes ein­zel­nen Juro­ren bekannt­ge­ge­ben wer­den. Vom gesplit­te­ten Tele­vo­ting steht für mein Ver­ständ­nis in die­sem Regel­werk nix. Guck­s­tu hier: http://www.eurovision.tv/upload/press-downloads/2014/Rules/EurovisionSongContest_2014_Rules_Public_ENG_20.09.2013.pdf

    Ich hab mich mit der Abstim­mung auch schwer getan, denn einer­seits ist mehr Trans­pa­renz natür­lich immer zu begrü­ßen, ande­rer­seits aber: Was soll das Her­un­ter­bre­chen auf jedes ein­zel­ne Jury­mit­glied? War­um wer­den die Namen im Vor­hin­ein bekannt­ge­ge­ben? Und war­um macht man die Bekannt­ga­be der Split­tung nicht schon 2013? Viel­leicht ist das ja die Abschaf­fung der Juries durch die Hin­ter­tür; wenn die Namen vor­her und das Abstim­mungs­ver­hal­ten jedes ein­zel­nen hin­ter­her bekannt­ge­ge­ben wer­den, kann man die Leu­te einer­seits bes­ser bestechen (ein Schelm, wer Arges dabei denkt!), ande­rer­seits macht man sie durch die Bekannt­ga­be ihres Ran­kings nicht gera­de beliebt. Wenn da mal die ers­ten Shit­stür­me oder Schlim­me­res über die Juro­ren her­ein­ge­bro­chen sind, bin ich gespannt, wie vie­le sich da auf Dau­er noch fin­den, die in einer Jury sit­zen wollen. 

    Mei­ne Idee wäre ja, uns Hard­core­fans in die Jury zu set­zen. Wir haben bewie­sen, dass wir was von Musik ver­ste­hen (vor allem ich), und schließ­lich geht es doch dar­um, die Jury mit aus­ge­wie­se­nen Musik­ex­per­ten zu beset­zen, n’est-ce pas? 

    Spaß beiseite.Die kön­nen offen­le­gen, soviel sie wollen,dadurch wird nur wie­der ein grö­ße­res Pro­blem zuge­deckt. Gera­de bekom­men wir näm­lich wie­der Sand in die Augen gestreut, weil auf die eigent­li­che Ver­wer­fung, näm­lich die Ein­füh­rung die­ses unsäg­li­chen Ran­kings, sei­tens der Fan­ge­mein­de bis­her kaum reagiert wur­de. Aber dazu spä­ter dann mal an ande­rer Stel­le mehr. Nur so viel: Das Ran­king begüns­tigt weder Tele­vo­ter noch Juries, son­dern ein­zig und allein den Zufall. Es gab näm­lich die­ses Jahr nicht nur ein Who-See-Gate, son­dern auch ein Taka­sa-Gate (egal ob einem das gefällt oder nicht) und ein Nata­lia-Kel­ly-Gate. Und je mit­tel­mä­ßi­ger ein Bei­trag ist, des­to höher sind sei­ne Chan­cen, nach oben durch­ge­reicht zu wer­den. Ich schreib die­se Woche (dh sobald ich dazu kom­me) mal im Six­tus-Blog etwas mehr dazu.

  • Der Voll­stän­dig­keit hal­ber soll­ten dann auch das Elit­sa-Sto­van-Gate und das Moran-Mazor-Gate erwähnt wer­den. (Bei Valen­ti­na Monet­ta, Zehn­te bei den Jurys im zwei­ten Semi, ist nicht klar ersicht­lich, ob sie tat­säch­lich durch­ge­kom­men wäre.)

  • Ja, das neue Ran­king ist tat­säch­lich unsäg­lich. Ich glau­be, ich habe das auch schon kri­ti­siert. Das ist aber ähn­lich wie beim NSA-Gate: zu kom­pli­ziert, als dass die Leu­te ver­ste­hen, um was es geht. Also kein mas­sen­haf­ter Protest.

    Du hast natür­lich Recht, dass es auch Bei­trä­ge benach­tei­ligt, die von der Jury bevor­zugt, von den Tele­vo­tern aber igno­riert wer­den. Nur, dass mich das in die­sem Fall nicht stört, denn ich hal­te ja ohne­hin das Tele­vo­ting-Ergeb­nis für das ein­zig maß­geb­li­che, inso­fern geschieht hier für mein Emp­fin­den kein bekla­gens­wer­tes Unrecht.

    Das mit der Ver­öf­fent­li­chung der Split­vo­tin­g­er­geb­nis­se stand so auf eurovision.tv: “Addi­tio­nal­ly, EBU will publish the ran­king sub­mit­ted by each indi­vi­du­al jury mem­ber for all shows right after the Final, and thus the split results of jury voting and tele­vo­ting for each Coun­try.” Ent­we­der rech­nen sie es also selbst zusam­men – oder irgend­ein Fano­rak wird das schon machen.

  • […] dem Euro­vi­si­on Song Con­test 2014 in Kopen­ha­gen defi­ni­tiv fern­zu­blei­ben. Auch die ver­bes­ser­ten Trans­pa­renz­re­geln und die dar­auf­hin geführ­ten erneu­ten Ver­hand­lun­gen zwi­schen der EBU und dem Staats­sen­der konnten […]

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