Noch drei Tage bis zum Semifinale der ersten Türkvizyon in Eskişehir, und noch haben vier der teilnehmenden 23 Länder keinen Vertreter nominiert. In sechs Fällen kennen wir zwar den Künstler, aber noch kein Lied – man geht die Dinge offensichtlich etwas entspannter an in der Türkei! Immerhin schaffte es das Gastgeberland zwischenzeitlich, seinen eigenen Beitrag zu präsentieren: ‘Sen, ben, biz’ (‘Du, ich, wir’) heißt die musikalische Sprachübung für Anfänger und stammt von der Softrockband Manevra. Und auch, wenn der Song beim richtigen Eurovision Song Contest wohl eine schlechtere Platzierung holen würde als die lahmen Altherrenrocker von Yüksek Sadakat, die dem Land 2011 die erste Nichtqualifikation bescherten, so nimmt er sich im Umfeld der Türkvizyon ausgesprochen kontemporär aus und dürfte über nicht wenig Chancen auf einen Heimsieg verfügen. Denn das restliche Feld, oder vielmehr das, was wir bislang davon kennen, wartet zu einem erklecklichen Teil mit zähen Ethnoballaden auf, die ein Loblied auf das Entsendeland anstimmen.
Der Heimbeitrag der Türkei.
So zum Beispiel ‘Altyym’, eine nach westlichen Popmaßstäben wirklich ungenießbare Ode an die russische Republik Altai, dargeboten vom auch optisch nicht besonders augenschmeichelnden Artur Marlujokov. Oder Upkәlәmim, ein schepperndes, angestrengt whitneytisiertes Klagelied, mit dem Alina Sharipzhanova für Tatarstan die Trauben ernten möchte (alle verfügbaren Videos hier im Überblick). Deutlich gefälliger kommt da schon die bislang noch namenlose fröhliche Ethno-Weise der gagausischen (moldawischen) Vertreterin Ludmila Tukan daher, die gemeinsam mit ihrer lustig traditionell kostümierten Possee eine Art Buranovskiye Babushki (RU 2012) auf Speed bildet. Ihre unter anderem mit einem herzhaften “Hi-hi-hi-hi-hiiiiijaaaa!” aufwartende Tanzweise ist vor allem eines: schnell. Neben den beiden wohlfeilen Dancenummern aus den zwei U‑Ländern (Ukraine und Usbekistan) gibt es unter den bislang veröffentlichten Wettbewerbsbeiträgen noch zwei, die Manevra gefährlich werden könnten. Nämlich einerseits ‘Birlikpen Alğa’, der kasachische Beitrag der Steppen-Hip-Hopper Rin’Go, bei dem knackiger Sprechgesang auf eine kräftige, aber durchaus goutierbare Ethno-Instrumentierung und ein peppiges Arrangement trifft. Gefällt mir richtig gut!
Der kasachische Beitrag (Audio).
Der professionellste Song stammt unterdessen aus Bosnien-Herzegowina: die ‘Ters Bosanka’ von Emir & the frozen Camels, dessen Kopf und Leadsänger Emir Bukovica laut Eurovoix-Interview ein Stein vom Herzen fiel, als er erfuhr, dass sein Land heuer an beiden Wettbewerben teilnimmt: “Musik sollte kein Grund für Dissens sein, sondern das Gegenteil fördern: Einigkeit, Frieden und Liebe”. Das hat er aber schön gesagt! Und wer das Fest der Einigkeit, des Friedens und der Liebe live mitverfolgen möchte: diesen Donnerstag (Semi) und Samstag (Finale), jeweils ab 19:30 Uhr deutscher Zeit, zu sehen auf (Internet-Stream ist verlinkt) TRT Müzik oder KRAL TV. Viel Spaß!
Also mich erinnert Artur Marlujokov sehr an Professor Snape aus Harry Potter.