Per­len der Vor­ent­schei­dun­gen: Von Robin Hood und Marie N

Die euro­vi­sio­nä­re Hoch­sai­son läuft: am gest­ri­gen Sonn­tag fand das zwei­te Semi­fi­na­le der let­ti­schen Dzies­ma statt, das aller­dings im Ver­gleich zum ers­ten vom Sams­tag deut­lich weni­ger Per­len abwarf. Zu denen, die ins Fina­le wei­ter­ka­men, zähl­te der äußerst schnuck­li­ge Ralfs Eilands von PeR (LV 2013), der gemein­sam mit einem Val­ters Pūce ein ziem­li­ches kru­des, bis zum unver­mit­tel­ten Tem­po­wech­sel bei Minu­te 2:30 aber irgend­wie gei­les Kampf­lied namens ‘Reve­la­ti­on’ dar­bot und auch vor dem Ein­satz der Flüs­ter­tü­te nicht zurück­schreck­te. Immer­hin geht Ralfs wohl als Erfin­der des Grand-Prix-Sel­fies in die Geschich­te ein, so wie er zu Beginn sei­ner Show mit der Büh­nen­ka­me­ra spiel­te. Ziem­lich let­tisch, das Ganze!


Homens da Luta (PT 2011) 2.0: Ralfs Eilands und Val­ters Pūce

Wei­ter ist auch Dis­co­häs­chen Mar­kus Riva, der mit einem mise­ra­bel gesun­ge­nen, hoch repe­ti­ti­ven Dis­co­schla­ger namens ‘Lights on’ und the­ma­tisch dazu pas­sen­den, beleuch­te­ten Mikro­fon­stän­dern sowie Leucht­krem­pen­hü­ten bei sei­nen vier Back­ground­sän­ge­rin­nen den let­ti­schen Gegen­ent­wurf zu Kate Ryan (BE 2006) gab. Sowie, völ­lig unfass­li­cher Wei­se, eine unglaub­lich schlech­te Rock­band namens Eiroš­mits, die für die­ses Namens­sa­kri­leg hof­fent­lich von Ste­ven Tyler (Aer­o­s­mith) Schlä­ge erhält! Den Her­ren war ihr ‘If I could (get away)’ (nein, kannst Du nicht!) offen­bar selbst so pein­lich, dass sie sich hin­ter zot­te­li­gen Fell­pe­rü­cken und ‑bär­ten versteckten.


Kein hel­ler Kopf, dafür mit Leucht­stab: Mar­kus Riva

Den ukrai­ni­schen Sand­frau­en­trick von 2011 ver­such­te Andris Kivičs nach­zu­stel­len, aller­dings mit min­de­ren Mit­teln: er hol­te sich eine lebens­äl­te­re Künst­le­rin mit einer sen­sa­tio­nel­len Beehi­ve-Perü­cke auf die Büh­ne, die an einem halb­fer­ti­gen Kitsch­ge­mäl­de her­um­pinsel­te, wäh­rend er in einer Phan­ta­sie­uni­form  in der Gegend stand und ein Lied­lein into­nier­te, das eben­so durch alle Ohren rausch­te wie sei­ner­zeit Mika New­tons ‘Angel’. Half aber nichts: aus­ge­schie­den, wie auch die noch durch das recht lus­ti­ge ‘Music Thief’ aus 2012 bekann­ten Mad Show Boys, die sich für ‘I need a Soul-Twin’ musi­ka­lisch ziem­lich groß­zü­gig an Lau­ris Rei­niks legen­dä­rem ‘Ban­jo Lau­ra’ bedien­ten und mit ein paar leid­lich wit­zi­gen Zei­len wie “Robin Hood has Maid Marie N kurz­zei­tig amü­sier­ten, dies aber durch eine völ­lig über­frach­te­te Büh­nen­show mit schnell wech­seln­den Papp­fi­gu­ren völ­lig zunich­te machten.


Immer­hin konn­te man sich mit Ott-Lep­land-Ver­glei­chen ablen­ken: Andris Kivičs


Für 20 Sekun­den lus­tig, dann nervt’s: Mad Show Boys

Unter­des­sen stell­te das spa­ni­sche Fern­se­hen heu­te die fünf Songs des ibe­ri­schen Vor­ent­scheids (für den noch immer kein Sen­de­ter­min fest­steht) zum Anhö­ren ins Netz. Und auch bei einem mei­ner frü­he­ren Lieb­lings-Euro­vi­si­ons-Län­der macht sich mitt­ler­wei­le der unheil­vol­le Ein­fluss der Jurys deut­lich bemerk­bar, der jeden krea­ti­ven Aus­bruch im Keim erstickt: seicht und saft­los alle fünf Vor­schlä­ge, auf Durch­hör­bar­keit und Um-Him­mels-Wil­len-bloß-nicht-Anecken getrimmt und von einer das Gehirn zer­set­zen­den Lan­ge­wei­le geprägt. Noch am ehes­ten erträg­lich: das zumin­dest mit­tel­dra­ma­tisch daher kom­men­de ‘Seguir sin ti’ des Schnu­ckels Raúl, das jedoch im Direkt­ver­gleich mit sei­nem sexy latin­fla­vo­ri­sier­ten Vor­ent­schei­dungs­bei­trag von 2000, ‘Sue­ño su boca’, erst recht abstinkt.


Ver­glei­chen Sie selbst: das bal­la­des­ke ‘Seguir sin ti’ von 2014…


…und der Lati­no-Pop-Knal­ler ‘Sue­ño su Boca’ von 2000. Me gusta!

Zwar völ­lig außer Kon­kur­renz, den­noch an die­ser Stel­le unbe­dingt nach­zu­rei­chen ist außer­dem die neue Sin­gle von Kris­ta Sieg­fri­ds (FI 2013), die am ver­gan­ge­nen Sams­tag nicht nur das Fina­le der UMK mit einem unglaub­lich lus­ti­gen Ein­spie­ler eröff­ne­te, in dem sie zunächst wegen ihres schlech­ten Ergeb­nis­ses in Mal­mö durch den Sen­der YLE abge­lehnt wur­de, sich dann aber in einer action­rei­chen Ver­fol­gungs­jagd durch die Lüf­tungs­schäch­te und Flu­re des YLE-Stu­di­os schließ­lich doch auf die Büh­ne schmug­gel­te, son­dern dort auch mit ihrem neu­en Song ‘Cin­de­r­el­la’ das Pau­sen­pro­gramm bestritt. Und so ganz neben­bei Lady Gaga bewies, wie Art Pop wirk­lich geht. Wir lie­ben dich, Krista!


Gehet hin und kau­fet: Kris­tas neue Sin­gle ‘Cin­de­r­el­la’

8 Comments

  • Start­num­mer 01 im zwei­ten Semi ist der Ralfs ja jetzt gewöhnt 😉
    Sein Song hat­te irgend­wie was Ori­en­ta­li­sches, aber dann auch wie­der die­ses Chel­lo, das hier per­fekt plat­ziert ist. Wenn Saman­ta Tinas Song nicht noch bes­ser wäre wür­de ich mir sein Come­back wünschen.

  • Was mich bei der gan­zen Kon­sens-Sül­ze immer wie­der erstaunt: es funk­tio­niert ja nicht mal. Bill Cos­by hat­te doch recht: der Königs­weg zum Ver­sa­gen ist, es allen recht machen zu wol­len. Ja, die Jurys mögen Midd­le-of-the-Road-Bull­shit viel­leicht mehr gus­tie­ren als die Tele­vo­ter, aber fiel irgend­ein Song aus den Top 3 der letz­ten fünf ESCs in die­se Kate­go­rie, abge­se­hen viel­leicht von “Run­ning Scared”? Und die chro­nisch Erfolg­lo­sen haben es mit sowas auch nicht recht geschafft, zu reüs­sie­ren – die Nie­der­lan­de und Ungarn auf kei­nen Fall, und auch bei Bel­gi­en kann man drü­ber streiten.

    Wie ging der Satz doch? “Wahn­sinn bedeu­tet, das glei­che zu tun und ein ande­res Ergeb­nis zu erwar­ten.” Nach dem Maß­stab sind sie bei TVE jetzt anschei­nend völ­lig durchgedreht.

  • Ich wür­de die kom­plet­te Top 3 des letz­ten Con­tests unter Kon­sens-Sül­ze ein­ord­nen. Gra­vi­ty viel­leicht nur so halb, aber rich­tig inter­es­sant waren doch erst die Plät­ze 4, 6 und 8 bis 10. Von Frank­reichs unver­dient schlech­tem Abschnei­den gar nicht erst zu reden. Eini­ge wer­den jetzt zwar sagen, dass immer­hin gut die Hälf­te der Top Ten etwas unkon­ven­tio­nel­ler war, aber was bringt das für die Repu­ta­ti­on des ESC wenn doch nur die kleins­ten gemein­sa­men Nen­ner um die Kro­ne kämp­fen? Ich möch­te nicht, dass der ESC in genau die­sem Mit­tel­maß ver­sinkt. Mehr Rybaks (das war immer­hin ein sehr gro­ßer kleins­ter gemein­sa­mer Nen­ner), Lenas und Loreens und weni­ger Ells, Nickis und Emme­lies bit­te. Und ja, ich bin nicht völ­lig objek­tiv, weil ich immer noch trau­rig dar­über bin, dass Nor­we­gen nicht gewon­nen und Mon­te­ne­gro sich gar nicht erst qua­li­fi­ziert hat, aber ich dan­ke, so ein biß­chen habe ich den­noch Recht. 😉

  • Dann macht es natür­lich Sinn und du kannst mei­nen Ein­schub als Null und Nich­tig anse­hen. Die bal­ti­schen Vor­ent­schei­de gebe ich mich nur ganz sel­ten, des­halb war mir das nicht bewusst.

  • Oh bit­te nicht! So schlim­me, bügel­ra­dio­taug­li­che Sof­t­rock­sül­ze haben wir doch schon aus Finn­land, damit ist der Bedarf doch schon über­erfüllt. Das brau­chen wir nicht auch noch aus dem Baltikum!

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