Mehr als 2.200 Bewerbungsvideos wurden hochgeladen für den Kampf um die Wildcard für die deutsche Vorentscheidung Unser Song für Dänemark 2014. Heute gab der NDR die zehn Acts bekannt, die bei dem vom Sender erstmals ausgerufenen Nachwuchswettbewerb am 27. Februar 2014 im Hamburger Edelfettwerk auftreten dürfen (TV-Liveübertragung ab 22:00 Uhr auf EinsPlus und Nord3 sowie per Livestream auf eurovision.de und eurovision.tv). Und was pickte das “Expertengremium” aus Sender- und Industrievertretern aus der unglaublichen Vielfalt an Skurrilem, Tragischem, Altbackenem, Schrägem, Chancenlosem, Gewöhnlichem, Faszinierendem, Buntem, Langweiligem, Abseitigem und Außergewöhnlichem heraus? Aus diesem schier unendlichen Füllhorn an Stilen und Ideen? Der große britische Blogger Roy Delaney fasst die enttäuschende Auswahl treffend zusammen: “Alles, was wir bekamen, waren zehn Schattierungen desselben beige”.
Noch am originellsten: das Damentrio Elaiza (qualifiziert)
Zehn mal gelangweiltes Gitarrengeklimper, bräsig vor sich hin dümpelnde Melodien und rundgeschliffener Gesang; zehn mal der verzweifelte Versuch, um keinen Preis der Welt irgendwie aufzufallen oder sich aus der Masse abzuheben: wenn das tatsächlich unsere musikalische Zukunft sein soll, dann graut mir vor dieser. Dabei beleuchtet es nur erneut das selbst verschuldete Dilemma der deutschen Musikindustrie, die neben Radiodelegierten und Brainpoolschergen maßgeblich mitentschied: wenn man nicht bereit ist, auch nur das geringste Risiko einzugehen, wenn absolut alle Beteiligten denselben, scheinbar sicheren Minimalkompromiss anstreben, muss man sich nicht wundern, wenn das Publikum vor Langeweile wegdämmert. Da fügt sich selbst der Stargast der Sendung, Roman Lob, nahtlos ein, der im Edelfettwerk seine neue Single ‘All that matters’ promoten möchte und wenigstens optisch ein Highlight bietet.
Santiano (DVE 2014) in rockig: Winterstorm (nicht qualifiziert)
Dabei stand doch mehr als genug zur Auswahl, selbst wenn man verzweifelte Has-Beens wie Daniel Küblböck mal beiseite lässt. Erneut geht mein Dank an Roy Delaney, der anders als ich vor dem musikalischen Augiasstall nicht zurückschreckte und auf Eurovision Apocalyse eine kleine, feine Auswahl abgefahrener Wildcard-Bewerber versammelte, von denen leider kein Einziger in die Endauswahl kam. Weder der Antifa-Punk von Kopfecho noch die revolutionär gestimmte Neue NDW von Tangowerk, der nordische Metal von Winterstorm, der druckvoll-melancholische Elektropop von Tim Peters oder der rundweg durchgeknallte Hauptstadttechno von Tomas Tulpe. Alles Acts, die – gemessen am deutschen Mehrheitsgeschmack – wohl nicht den Hauch einer Chance besäßen, beim Vorentscheid im März das Ticket nach Kopenhagen zu lösen, das Hamburger Clubkonzert aber in Sachen musikalischer Vielfalt zweifellos bereichert hätten.
Bei diesem bleichen Nacktfleisch lässt man die Sonnenbrille besser auf: Tomas Tulpe (nicht qualifiziert)
Ich verstehe zwar kein Wort, bin aber auch dagegen: Kopfecho (nicht qualifiziert)
Aber es existieren in Deutschland ja auch neun öffentlich-rechtliche Jugendwellen und mindestens noch einmal so viele Privatradiostationen für die junge Zielgruppe nebeneinander her, die alle die exakt gleichen zwanzig Titel immer und immer wieder durchnudeln und sich oft genug dieselben hirnamputierten Moderationsroboter teilen, die überall unter derselben Zwangsfröhlichkeit stehen. Weil jedes noch so minimale Abweichen vom Mainstream einen hierzulande vermutlich bereits radikaler Umtriebe verdächtig macht. Insofern kann Ása Ástardóttir, deren bouncendes isländisches Trinklied ‘Skál’ zu den meistgesehenen Videos auf Unser Song für Dänemark zählte, vermutlich froh sein, nicht erwählt worden zu sein: die grauen Herren von Universal hätten sie bei der Einreise nach Hamburg sicherlich verhaftet..
Wie viel ‘Geld’ Mia (DVE 2004) wohl gerade als Jurorin bei DSDS verdient? (nicht qualifiziert)
Von dem Typ würde ich mich auch ans Geländer fesseln lassen: Ása Ástardóttir (nicht qualifiziert)
Und hier das Kleingedruckte bei den Teilnahmenbedingung 🙂
“Wir suchen Singer/Songwriter oder Gruppen die ähnlich klingen, nicht älter als 30 und nicht erfolgreich, damit wir eine USFO/USFM ähnliche Castingshow machen können. Eine Teilnahme am ESC ist ausgeschlossen, da wir euch nicht großartig promoten und somit keine Chance besteht, gegen die etablierten Acts zu gewinnen.”
Ich kann diesen Artikel zu 1000 % unterschreiben!!! Es wäre so viel Potential dabei gewesen und was kam dabei raus?? Damit lockt man sicherlich keine Eurovision Fans hinter dem Ofen hervor. Ich werde auf jeden Fall dieser Veranstaltung fern bleiben. Chance komplett verpaßt. Man hätte sich dann doch mal an dem fantatsischen, bunten Melodifestivalen in Schweden orientieren sollen. Aber so wird das nüscht!!!!
Sehr treffend!
Deutschland fährt scheinbar nicht zu einem Wettbewerb sondern zu einem chilligen Liederabend.
Es ist einfach traurig und diese Liederabend-Vorauswahl-Qualifikation im Edelfettwerk gucke ich mir nicht an. Das einzige was mich vom einschlafen abhalten könnte, wäre der mega Frust!
Ich schau mir lieber die VEs in Estland und Rumänien an, da scheinen echt gute Sachen dabei zu sein, die schon längst bei escradio.com gespielt werden.
Sehr gut geschrieben und so wahr!
Man fragt sich wirklich, nach welchen Kriterien diese Auswahl getroffen wurde. Da ist Nichts Außergewöhnliches, nichts Spannendes, nichts Schräges, nichts Überraschendes, nichts zum Aufregen, nichts Skandalöses – aber dafür verbreitet der NDR gepflegte Langeweile. Ich schalte ab und werde mich wie Chris den anderen Vorentscheidungen widmen. Als langjähriger Eurovision-Fan hat man mich wirklich verprellt!
Ja,ja,ja Recht hast Du!!! Bin entsetzt über die Auswahl. Wie kann bei den Juroren ( Entscheidern) nur so wenig Eurovision Gefühl vorhanden sein? Hier liegt auch der Grund warum der Songcontest in Deutschland nicht richtig in s Laufen kommt. Nur Gildo hat es mal geschafft und vielleicht noch Lena im Vorfeld ihrer 1. Teilnahme den Eurovision Hype in die deutschen Lande zu transportieren. Was soll man aber auch erwarten ? Schalte ich das Radio ein und die heimischen Produktionen erklingen, wandert mein Blick suchend nach einem Strick durch die Wohnung. Nicht weil alles schlecht ist, nein, weil deutsche Popmusik mich runterzieht und manchmal erwische ich mich dabei, wie ich der gerade die grauenhaften Beziehungsprobleme besingenden “Chanteuse” selber den Strick überreichen möchte, damit mir das nächste Machwerk erspart bleibt. Aus gleichem Holz ist auch der Graf geschnitzt und so schließt sich der Kreis. Ich bin froh nur die Halbfinale in Kopenhagen sehen zu können! Das Finale mit dem Grafen schaue ich mir fremdschämend lieber vor heimischen TV an. Ich hoffe, dass die Fans vor Ort genügend Kraft aus den fröhlichen, bunten und lebensbejahenden Beiträgen schöpfen , um den bedeutungsschwangeren deutschen Beitrag ertragen zu können.
Vergiss es!! Solange der “head of delegation” so heißt, wie er heißt, wirst du zumindest bei uns nie etwas Außergewöhnliches oder gar Skurriles oder was auch immer das Herz begehren könnte, zu Gesicht bekommen. Auch wenn das jetzt von Torfköppen entschieden worden ist, das was hier gerade passiert, ist dermaßen borniert, das ich eher an eine von vornherein abgekartete Sache glaube. Die Nutznießer sollten klar sein.
[…] wir in Deutschland zumindest bei der Vorrunde im Hamburger Edelfettwerk zehn Schattierungen beige geboten bekommen, balanciert Griechenland auf dem schmalen Grat zwischen Charts und schäbig, wobei […]
Wenn man sich die bereits feststehenden beiträge aus Malta und der Schweiz so anhört, kommte das mit dem chilligen Liederabend doch fast hin. Aus Island könnte auch etwas entsprechendes kommen. Scheint ein Trend der Saison zu sein.
Aha? Wer soll denn bitte davon profitieren? Der NDR? Die Plattenfirmen? Ich persönlich halte das hier für eine klassische Hanlon’s‑Razor-Situation – erkläre nichts mit Böswilligkeit, was mit Dummheit adäquat zu begründen ist.
Ach, und an alle, die sich hier darüber beschweren, dass da nichts für die Eurovisions-Fans dabei ist: das ist nicht die Zielgruppe, die der NDR hier ansprechen sollte. Es kann gut sein, dass interessantere Optionen verfügbar gewesen wären (ich höre mir keine Vorentscheidungsbeiträge an, um mir Enttäuschungen zu ersparen, wenn unvermeidlich meine Favoriten nicht durchkommen, also sage ich zu den Liedern nichts), aber wir sind nicht die Adressaten hierfür. Wenn wir tatsächlich ein Melodifestivalen D aufziehen wollen, muss die große Masse der Menschen mit ins Boot, und das wird mit dem ESC-typischen Camp und Eurodance eher nicht klappen, “Euphoria” hin oder her. Wenn man dem NDR die Option geben würde, alle Fans permanent zu verprellen (ha! As if! Wir sind am Ende doch immer dabei, außer vielleicht in Putin-Russland…) und dafür den Rest des Publikums zu sichern, wüsste ich ziemlich genau, wen ich an der Stelle eher hofieren würde.
Mir fehlt die Varianz, ob camp, ob Dance, ob dies, ob das, ist mir ehrlich gesagt wumpe, aber der ESC braucht das und die Leute wollen das auch. Das Kükengeschwader soll einen neuen Shooting Star hervorbringen, so sehe ich das. Bringt Kohle, Punkte und Zuschauer.. hoffen die Milchmädchen. Maschenstrickerei für die Klientel der 10–17jährigen. Mir geht es darum, was möglich ist, mal was auszuprobieren, Potenziale auszuschöpfen, die bestimmt zuhauf ungenutzt vor sich hinschlummern. Die über 2000 Bewerbungen haben das gezeigt, waren ein guter Anfang.
Das Wildcardevent hat jetzt ein Gesicht. Oder sollte man besser Fratze sagen?
In dem Fall gilt mein Hanlon’s‑Razor-Kommentar aber gleich doppelt. 10 bis 17 ist definitiv NICHT das Alter, in dem man sich für den ESC interessiert, jedenfalls nicht in Westeuropa, und wenn die sich auf diese Gruppe einschießen wollen, dann viel Spaß – das wird nichts.
Nachtrag: die unterlegene Klickkönigin Ása Ástirdottir beklagt ebenfalls die einseitige Auswahl und wählt Obstsalat-Analogien:
http://www.klatsch-tratsch.de/2014/02/13/die-schrage-bewerberin-asa-kritisiert-wildcard-auswahl-fur-esc-vorentscheid/194488
Der NDR hätte gerne eine 2. Lena. Das Ist aber genau so unsinnig wie der Versuch 2 Jungs und 2 Mädchen ein bunten Kostümen auf die Bühne stellen und zu hoffen dass man damit den Erfolg von ABBA wiederholen könnte. Einzigartigkeit kann man nicht kopieren. Was man maximal hin bekommt ist ein Roman Lob Klon.
Dann doch lieber den Grafen nach Kopenhagen schicken. Wird zwar auch nicht funktionieren aber schreckt vielleicht in Zukunft andere etablierte Schlaftabletten ab.
Da hast du dich aber geirrt. Ganz kräftig sogar. Ich bin 12 und seit 2 Jahren ESC-Fan.
[…] präsentierte uns der NDR am Donnerstag beim Clubkonzert im Hamburger Edelfettwerk. Nach dem im Vorfeld alleine eine Jury bestimmen und aus den über 2.400 Youtube-Bewerbungen diese zehn […]
[…] was wir bekamen, waren zehn Schattierungen desselben beige,” zitiert beispielsweise aufrechtgehn.de den britischen Kultblogger Roy […]
[…] über die im Netz vielfach kritisierte Wildcardauswahl als die schon sprichwörtliche „Schattierung desselben beige„, hin zu einem ambivalenten „hellgrau“, was das nun vorliegende Ergebnis […]