Die 26jährige, bislang weitestgehend unbekannte britische Singer-Songwriterin Molly Smitten-Downes vertritt das Vereinigte Königreich in Kopenhagen mit dem selbst geschriebenen Midtemposong ‘Children of the Universe’, wie die BBC heute Abend offiziell verkündete. Der Name der Künstlerin, die bereits seit zehn Jahren im Geschäft ist und als Komponistin und Studiosängerin kleinere Erfolge mit Dance-Tracks verbuchen konnte, ohne bis dato einen festen Plattenvertrag akquirieren zu können, sickerte bereits gestern Abend durch. Tratschende Grand-Prix-Fans, welche die BBC unter Verpflichtung auf strikteste Geheimhaltung (als ob!) als Klatschvieh zum Videodreh für ‘Children of the Universe’ in eine ehemalige Kirche in einem noblen Londoner Stadtteil eingeladen hatte, twitterten die Nachricht sofort weiter, und die BBC News kolportierten das Gerücht – auch in Großbritannien arbeiten die verschiedenen Abteilungen des Staatsfernsehens anscheinend eher gegen- als miteinander, wovon die ARD wohl ebenfalls ein Lied singen kann.
Love shine a light: Molly Smitten-Downes
Die Benennung einer unbekannten, perpetuellen Nachwuchskünstlerin stellt einen radikalen Bruch zur bisherigen, von wenig Erfolg gekrönten Strategie der BBC dar, große Namen aus längst vergangenen, glorreichen Tagen des britischen Pop zum Eurovision Song Contest zu delegieren, seien es Songschreiber wie Andrew Lloyd-Webber (2009) und Pete Waterman (2010) oder fast scheintote Sänger wie Engelbert Humperdinck (2012) und Bonnie Tyler (2013). Das kündigte sich bereits auf dem Eurovisionsblog der BBC an, wo Produzent Guy Freeman am Freitag die neue Herangehensweise erläuterte: “Wir warfen einen unvoreingenommenen Blick auf die aktuellen Siegertitel und stellten fest, dass es schlicht gute Songs waren, die es verdienten, zu gewinnen.” Das ist schon mal ein beachtlicher Erkenntnisschritt, denn bei Vielen (siehe Linda Martin) herrscht ja nach wie vor die Meinung vor, der böse Osten gewönne durch fieses Blockvoting. “Wir waren der Meinung, dass wir einen auf die besonderen Anforderungen des Wettbewerbs maßgeschneiderten, zeitgemäßen Song bräuchten” – nämlich einen, der zu den stimmlichen Fähigkeiten des Interpreten passt.
Dance kann sie auch: 2009 hatte ein Mashup von Mollys Song ‘Raindrops’ mit Sashs ‘Encore une fois’ Erfolg
Als Quelle besann man sich auf das hauseigene Nachwuchsförderungsprogramm BBC Introduce (ähnliches versucht in Deutschland beispielsweise die Sendung Startrampe des Bayerischen Rundfunks, welche die USFD-Teilnehmerin MarieMarie unterstützt). Eine der kontaktierten Künstlerinnen war Frau Kitten-Down aus Middle Fritham, und die schrieb extra für den Anlass einen mittellahmen, niemandem weh tuenden Song, – in Zeiten des hälftigen Juryvotings und der statistischen Bevorzugung von Konsensware durch das neue Auszählungsverfahren ein klarer Vorteil – der zudem durch die universelle Botschaft, den mehrstimmigen Gospelchor und den äußerst geschickt zum Auftakt wie als Schlusspunkt eingestreuten Schlachtruf “Power to the People” eine verführerisch hymnische Qualität erlangt. Man fühlt subtile Anklänge an Katrinas ‘Love shine a light’, Großbritanniens letzten Siegertitel von 1997, dennoch behält der Song seinen eigenen, leicht handgestrickten, Charakter. Könnte also durchaus was werden für das Mutterland des Pop. Oder?
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Ich befürchte auch, dass Jury und Auswertungsverfahren einen guten Platz für dieses Lied garantieren. Trotz (oder gerade wegen) seiner Möchtegern-Hymnenhaftigkeit und der meinungeresken Kitsch-Botschaft ist dieser Beitrag sehr konsensfähig. Ich selbst kann sowas aber absolut nicht ab und würde einen Sieg für das UK als einen weiteren Rückschritt für den ESC sehen. In Bezug auf die Sängerin ist der neue Weg der BBC ja gar nicht so verkehrt, aber beim LIed hat sich man doch nur wieder am Glanz vergangener Tage (Love shine a light, Power to all our friends etc.) bedient und festigt damit nur wieder seinen Status als Großmutterland des Pop..
Ich finde den Titel auch ziemlich lahm. Ich mag allerdings die Stimme sehr. Ich hätte Frau Molly gerne mit einem Uptempo-Song dabei gesehen.