Auch in Kopenhagen wird am heutigen Internationalen Tag der Arbeit natürlich nicht gearbeitet, und so ruhen auch die Proben. Nachzureichen habe ich jedoch noch die Beobachtungen und Spekulationen über die ersten Kameraproben der 15 Teilnehmer des zweiten Semis vom kommenden Donnerstag, die vorgestern und gestern über die Bühne der B&W Hallerne gingen. Zu den Aufsteigern aus dem Kreis der möglichen Qualifikanten zählt die überzeugend performende Israelin Mei Feingold, was mir den perfekten Aufhänger für eine eingeschobene Schleichwerbung liefert. Nämlich für die quietschbunte Filmkomödie Cupcakes des israelischen Regisseurs Eytan Fox (Yossi & Jagger), in der ein Freundeskreis um den schwulen Kindergärtner Ofer mit einem spontan geschriebenen Tröstungssong für eine verlassene Kuchenbäckerin aus ihrer Runde beim Eurovision Song Contest antritt und dort von der Maschinerie fast verschlungen wird. Ein absolutes Must-see, auch wenn der Film leider nur in der hebräischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln erhältlich ist.
Ein bissl unrealistisch: wann wird Frankreich schon mal den ESC gewinnen?
Die Beiträge des zweiten Semis in der Wertungs-Vorschau
1. Malta | Firelight | Coming home
Das herzergreifende Kriegsheimkehrervideo lässt sich auf der Bühne natürlich nicht nachstellen. Stattdessen blitzen Selfies von maltesischen Grand-Prix-Fans über den Bühnenhintergrund: wie modern! Die fröhlich-folkige Nummer ist der perfekte Semi-Starter und nach dieser Probe mehr als jemals zuvor ein Anwärter auf einen Überraschungssieg.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 7 Punkte. Finalchancen: Nur ein Blitzkrieg könnte noch den Finaleinzug verhindern.
2. Israel | Mei Feingold | Same Heart
Doch, es geht! Anders als vorher von mir befürchtet, überzeugen Mei und ihre zwei Begleittänzerinnen sowohl stimmlich als auch choreografisch. Selbst, nachdem die Drei sich während der instrumentalen Brücke auf die Bühne legen und zum Refrain wieder hochspringen, klingt das alles noch packend und aggressiv.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 5 Punkte. Finalchancen: wenn sich die Jurys nicht querlegen, ja.
3. Norwegen | Carl Espen Thorbjørnsen | Silent Storm
Vier weibliche Violinistinnen auf einem Podium und ein Klavierspieler füllen neben Carl die mit Bodennebel bedeckte Bühne. Überflüssigerweise, wie ich finde, denn der Song lebt von seiner statischen, rein auf die Stimme fokussierten Interpretation. Und davon, dass er die exakt richtige Balance zwischen kraftvoll und brüchig findet. Ein Risiko – so sehr ich die Nummer liebe und so sehr ich sie nach wie vor für einen Siegesanwärter halte, so sehr kann es zugleich auch zum Favoritensturz kommen, wenn Carl die Nerven versagen.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 12 Punkte. Finalchance: Klar, denn zumindest im Juryfinale wird es klappen.
4. Georgien | The Shin + Mariko Ebralidze | Three Minutes to Earth
Waberten im Videoclip zum Prog-Rock-Mischmasch noch heftige Haschischwolken durchs Bild, so suggeriert die Bühnenfassung des gejodelten Worldbeat-Eintopfs die Einnahme von närrischen Pilzen oder LSD-Trips. So hängt einer der Shin-Trommler an einem Fallschirm-Segel, was wohl an den besungenen Weltrekord-Sprung von Felix Baumgartner erinnern soll, jedoch nur den Dafuq-Effekt des Songs potenziert.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finalchancen: verglüht unweigerlich in der Stratosphäre.
5. Polen | Donatan & Cleo | My Słowianie
Der dicke Donatan darf nicht mit auf die Bühne – dafür umrunden fünf der polnischen Schönheiten aus dem Videoclip in drall geschürzten Trachten die kompetent performende Cleo und stellen – auch wenn sie dabei leider manchmal im polnisch-roten Videohintergrund untergehen – die schönsten Clip-Szenen mit so beliebten Haushaltstätigkeiten wie Wäscheschrubben oder Butterstampfen nach. Gerade weil die Möpse (in einer der Proben soll es gar zu einem kurzem Nippelgate gekommen sein) hier weniger aufdringlich in Szene gesetzt werden, ist der visuelle Eindruck unschlagbar! Das hat sich gerade fürs Finale qualifiziert, zumal sich die Nummer selbst genügend auf die Schippe nimmt, um nicht platt sexistisch zu wirken. Großes Kino!
Aufrechtgehn.de-Wertung: 6 Punkte. Finalchancen: auf jeden Fall, und zu Recht.
6. Österreich | Conchita Wurst | Rise like a Phoenix
Der wagemutigste Beitrag dieses Jahrgangs, und nicht nur was die Bühnenperson Conchita angeht. Ihr Manager reichte einen eigenen Kameraplan beim dänischen Fernsehen ein, wie OnU zu berichten weiß, und der beinhaltet eine 45sekündige (!) durchgehende Kamerafahrt aus dem hintersten Winkel der abgedunkelten Halle zum Songauftakt. Was bedeutet, dass der Zuschauer die bärtige Frau erst zu Gesicht bekommt, nach dem sie bereits angefangen hat, zu singen, also schon eine gefühlsmäßige Verbindung zum Bond-Song hergestellt ist. Ansonsten steht Conchita völlig alleine auf der Bühne und singt ohne Schnickschnack, nur ein goldenes Paar Flügel auf dem LED-Screen verleiht ihr die besungenen Adlerschwingen. Ganz große Kunst!
Aufrechtgehn.de-Wertung: 10 Punkte. Finalchancen: Unbedingt!
7. Litauen | Vilija Matačiūnaitė | Attention
Die im Tütü auftretende Vilija hat natürlich ihren Tänzer aus der litauischen Vorentscheidung mitgebracht – eine kluge Entscheidung, denn ihr energisches Gehopse lenkt etwas von dem leicht chaotischen Song ab, der hauptsächlich von den drei Backings getragen wird.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 3 Punkte. Finalchancen: nach menschlichem Ermessen nicht.
8. Finnland | Softengine | Something better
Ich fühle mich außerstande, diesen Beitrag zu beurteilen. Für mein Empfinden drei Minuten höhepunktfreier, entsetzlich geschriener, langweiliger Dauerlärm – nach Bewertung der meisten Blogger vor Ort jedoch eine perfekt in Szene gesetzte Darbietung eines rundherum guten Rocksongs. Die Kameras, so war zu lesen, lieben die finnischen Bübchen. Nun denn.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finalchancen: Offenbar sicher.
9. Irland | Can-linn + Kasey Smith | Heartbeat
Bei der ersten Probe wirkte Kasey wohl recht unsicher oder uninteressiert und weder stimmlich überzeugend noch fand sie die Kameras. Ihre männlichen Riverdancer tragen Schottenröcke (hurra!), können die Darbietung aber auch nicht retten. Nun darf man die Kamerastellprobe nie überbewerten, aber nach dieser Darbietung könnte es eng fürs Finale werden.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 1 Punkt. Finalchancen: derzeit eher nicht.
10. Weißrussland | Teo | Cheesecake
Mit dem Mädel aus dem Video hat Teo scheint’s tatsächlich Schluss gemacht: auf der Bühne begleiten ihn fünf kernige Tänzer / Backing Singer männlichen Geschlechts. Teo findet die Kamera und präsentiert sich auch stimmlich auf der Höhe: ein überzeugendes Gesamtpaket.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 8 Punkte. Finalchancen: sollte klappen.
11. Mazedonien | Tijana Dapčević | To the Sky
Klasse Shirt, das Tijuana bei der Probe trug: mit der Aufschrift “That’s Bullshit, Darling”! Von dieser Attitüde war aber nicht viel zu merken bei der recht chaotischen Probe, genau so wenig wie wir die halbnackten Kerle aus dem Videoclip zu sehen bekamen. Spielt letztlich keine Rolle: mit diesem schwachen, höhepunktfreien Song hat sie ohnehin keine Chance.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finalchancen: nö.
12. Schweiz | Sebalter | Hunter of Stars
Aufrechtgehn.de-Wertung: 2 Punkte. Finalchancen: stark steigend.
13. Griechenland | Freaky Fortune + RiskyKidd | Rise up
Was für eine geile Idee: die Griechen haben sich ein riesiges Trampolin mit auf die Bühne gebracht, auf dem zunächst ein Tänzer und später im Refrain auch Freaky und Fortune lustig umherspringen, was den Energielevel des Songs auch visuell unterstreicht und alleine beim Zuschauen riesigen Spaß macht! Wie man hört, geht dem griechischen Fernsehen bereits der Arsch auf Grundeis, weil man kein Geld für die Ausrichtung 2015 habe…
Aufrechtgehn.de-Wertung: 4 Punkte: Finalchancen: kein Frage – jetzt ein weiterer Überraschungssieganwärter!
14. Slowenien | Tinkara Kovač | Round and round
Wer – wie ich – zum Drehschwindel neigt, sollte während dieser drei Minuten besser vorsorglich die Keramik aufsuchen – sonst wird er es nachher unfreiwillig tun. Wie der Songtitel indiziert, dreht sich alles im Kreis: die Kameras, die Hintergrundgrafik und die Welt um mich herum. Tinkara singt gut und ist passend angezogen, das ist aber auch schon alles, was zum Beitrag zu sagen ist. Ein Zählkandidat.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finalchancen: bitte nicht!
15. Rumänien | Paula Seling + Ovidiu Cernăuţeanu | Miracle
Letztes Jahr erhielt das Team von Zlata Ognevich (UA) auf ihren Wunsch zum Einsatz eines Holograms vom schwedischen Fernsehen noch einen abschlägigen Bescheid – irgendwas mit Chancengleichheit. Heuer darf sich die rumänische Paula ein holografisches Double mit auf die Bühne bringen. Gimmick-Alarm: zum Songhöhepunkt, während sie sich eine dreiviertel Minute lang am Stück die Lunge aus dem Hals schreit, ohne dabei zu atmen, schlüpft Bühnenpartner Ovi in ein beleuchtetes, kreisrundes Keyboard auf Stelzen. Was allerdings eher so aussieht, als luge er froschäugig aus der Toilettenschüssel hervor. Sehr gut: spülen die Rumänen so doch die Gefahr, zum Kleinster-gemeinsamer-Nenner-Sieger des Contests zu avancieren, im Klo herunter. Puh, noch mal Glück gehabt!
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finalchancen: Natürlich dennoch.
ESC 2. Semifinale 2014
Eurovision Song Contest 2014 – Zweites Semifinale. Donnerstag, 8. Mai 2014, aus den B&W‑Hallerne in Kopenhagen, Dänemark. 15 Teilnehmer, Moderation: Lise Rønne, Nikolaj Koppel und Pilou Asbæk.# | LK | Interpret | Titel | Pkt gs | Pl gs | Rkg TV | Pl TV |
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01 | MT | Firelight | Coming home | 063 | 09 | 016 | 14 |
02 | IL | Mei Feingold | Same Heart | 019 | 14 | 021 | 13 |
03 | NO | Carl Espen Thorbjørnsen | Silent Storm | 077 | 06 | 046 | 08 |
04 | GE | The Shin + Mariko Ebralidze | Three Minutes to Earth | 015 | 15 | 015 | 15 |
05 | PL | Donatan & Cleo | My Słowianie | 070 | 08 | 113 | 02 |
06 | AT | Conchita Wurst | Rise like a Phoenix | 169 | 01 | 149 | 01 |
07 | LT | Vilija Matačiūnaitė | Attention | 036 | 11 | 037 | 11 |
08 | FI | Softengine | Something better | 097 | 03 | 052 | 07 |
09 | IE | Can-linn + Casey Smith | Heartbeat | 035 | 12 | 040 | 10 |
10 | BY | Teo | Cheesecake | 087 | 05 | 072 | 06 |
11 | MK | Tijana Dapčević | To the Sky | 033 | 13 | 026 | 12 |
12 | CH | Sebalter | Hunter of Stars | 092 | 04 | 097 | 04 |
13 | GR | Freaky Fortune + RiskyKidd | Rise up | 074 | 07 | 088 | 05 |
14 | SI | Tinkara Kovač | Round and round | 052 | 10 | 044 | 09 |
15 | RO | Paula Seling + Ovidiu Cernăuţeanu | Miracle | 125 | 02 | 112 | 03 |
Zusammenfassung: ausgehend von den ersten Proben dürften sich folgende Länder in Auftrittsreihenfolge für das Finale qualifizieren:
- Malta
- Israel
- Norwegen
- Polen
- Österreich
- Finnland
- Weißrussland
- Schweiz
- Griechenland
- Rumänien
Oder? Eine neue Vorhersage folgt nach Abschluss der zweiten Proben.
Welche Titel des zweiten Semis 2014 qualifizieren sich für das Finale? (max. 10 Stimmen)
- Norwegen: Carl Espen Thorbjørnsen – Silent Storm (10%, 169 Votes)
- Österreich: Conchita Wurst – Rise like a Phoenix (10%, 165 Votes)
- Griechenland: Freaky Fortune + RiskyKidd – Rise up (10%, 165 Votes)
- Israel: Mei Feingold – Same Heart (10%, 163 Votes)
- Rumänien: Paula Seling + Ovi – Miracle (9%, 154 Votes)
- Malta: Firelight – Coming Home (8%, 140 Votes)
- Polen: Donatan & Cleo: My Słowianie (8%, 131 Votes)
- Finnland: Softengine – Something better (7%, 126 Votes)
- Irland: Can-linn + Casey Smith – Heartbeat (7%, 119 Votes)
- Schweiz: Sebalter – Hunter of Stars (6%, 108 Votes)
- Weißrussland: Teo – Cheesecake (5%, 82 Votes)
- Slowenien: Tinkara Kovač – Round and round (5%, 77 Votes)
- Mazedonien: Tijana Dapčević – To the Sky (2%, 42 Votes)
- Litauen: Vilija Matačiūnaitė – Attention (2%, 37 Votes)
- Georgien: The Shin + Mariko Ebralidze – Three Minutes to Earth (2%, 27 Votes)
Total Voters: 180
Super und vor allem neugierig machend geschrieben – meine Überlegungen, den Jahrgang 2014 ausfallen zu lassen hast du ja schon mit der Vorstellung von Carl Espen ins Wanken gebracht, und jetzt gerade stürzen sie so richtig ein!
Der Bühnenhintergrund erinnert mich übrigens an eine 2.0 Version des vermutlich von einem bekannten Möbelhersteller gesponsorten Brettergestells, dass Frau Lindfors 1984 so rüde den Rock weggerissen hat… 😉