Nachzureichen sind noch die zweiten Probendurchgänge der Semifinalisten. Hier stellte die EBU erstmals nicht nur kurze Ausschnitte ins Netz, sondern die kompletten drei Minuten. Wobei auch diese Clips nur eine eingeschränkte Aussagefähigkeit besitzen, handelt es sich doch Livemitschnitte aus der Halle. Das, was später auf den Bildschirmen Europas erscheinen wird, kann völlig anders aussehen! Und das sollte es auch, denn ausgehend von den präsentierten Mitschnitten ergibt sich das Problem, dass mir Qualifikanten fehlen – so schlecht ist die Qualität dieses Semis, dass einige Songs durchschlüpfen müssen, die es eigentlich nicht verdient haben. Oder habe ich mich einfach nur schon müde gehört an den Songs?
Die Beiträge des ersten Semis
1. Armenien | Aram MP3 | Not alone
Aram erscheint als fesche Ledermaid im langen, im Windmaschinensturm flatternden Mantel und mit ledernen Fingerlingen (wohl, um sich seine heterosexuellen Greiferchen nicht am selben Mikrofon zu beschmutzen wie Conchita). Der dunkle Bühnenhintergrund passt perfekt zur düsteren Stimmung des Beitrags, und das Blitzlichtstakkato zu Beginn des Dubstepparts unterstreicht die Wucht des Songs. Sehr, sehr gut!
Aufrechtgehn.de-Wertung: 10 Punkte. Finale: Definitiv.
2. Lettland | Aarzemnieki | Cake to bake
Dass ich den Song sehr mag, ist bekannt. Ob er es ins Finale schafft, hängt vor allem davon ab, ob sich der Charme der lettischen Kellys auf das Hallenpublikum und die TV-Zuschauer überträgt. Dies ist anhand des Probenmitschnitts schwer zu beurteilen, da wirkt die Darbietung ein wenig amateurhaft und von der Größe der Bühne erschlagen. Wie auch von den zwei sie einrahmenden, deutlich stärker beeindruckenden Performances aus Armenien und Estland. Ich hoffe dennoch weiter…
Aufrechtgehn.de-Wertung: 8 Punkte. Finale: ich fürchte, nein.
3. Estland | Tanja | Amazing
Tanja, ihr Tänzer und die Bühne: alles ist sehr, sehr weiß. Im Hallenmitschnitt kann man sehen, dass die atemberaubende Choreografie, welche die Esten so sehr deutlich bei Loreen abgekupfert haben, zu einem nicht geringen Teil im Schnitt entsteht. Und man hört auch sehr klar, dass der Gesang zu einem nicht geringen Part von den hinter den LED-Wänden versteckten Backings stammt und nicht von der mit Hebefiguren ausgelasteten Galionsfigur. Dennoch: als Gesamtkonzept beeindruckend.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 4 Punkte. Finale: ich fürchte, ja.
4. Schweden | Sanna Nielsen | Undo
Alles wie gehabt: Sanna im kleinen Schwarzen im Tipi aus Scheinwerferstrahlen, wie sie ihre Traurig unmacht. Diesmal klingt ihre Stimme, anders als bei der ersten Probe, nicht mehr so unangenehm schrill, sondern fragiler, was hervorragend zur Stimmung der Ballade passt. So kann ich schon eher nachvollziehen, warum Einige glauben, es gehe 2015 erneut zurück über die Öresund-Brücke – auch wenn ich das schrecklich fände, denn eine so verstaubte und gleichzeitig schwache Jodelballade brächte den Contest wieder ein Stück weiter weg vom aktuellen Musikgeschehen.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finale: ohne Frage.
5. Island | Pollapönk | No Prejudice
Für den Abend der Abende haben die isländischen Teletubbies ihre bunten Trainingsanzüge gegen ebenso bunte “richtige” Anzüge ausgetauscht – schade, dass es nicht die Bademäntel in den gleichen Farben sind, die sie zur Pressekonferenz trugen, darin sahen sie am sexiesten aus! Das mit den Händen geformte “Love” als performatorischer Schlussgag ist leider erklärungsbedürftig (man erkennt es nicht unbedingt von selbst) und insgesamt wirkt die Nummer lustig, aber auch nicht ernst zu nehmen.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 5 Punkte. Finale: Ich fürchte, nein.
6. Albanien | Herciana Matmuja | One Night’s Anger
Das Bühnenbild (Hersi auf einem aus dem Bodennebel herausragenden Podest) lässt einen unvermeidlich an Titanic denken, und den Vergleich mit Céline Dion verliert die Albanerin. Nicht nur, weil man wirklich kein einziges Wort von dem, was sie angeblich auf Englisch singt, versteht. Sondern auch, weil sie mit Mireille-Mathieu-Frisur und im mintgrünen Brokatkleid aus der Alte-Jungfer-Kollektion aussieht, als sei sie aus einem anderen Jahrtausend übrig geblieben.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finalchancen: nicht in hundert Jahren!
7. Russland | Tolmachevy Sisters | Shine
Das ist jetzt nicht politisch gemeint, aber vor den Russinnen gruselt es mich! Zum Songauftakt stehen die Zwei mit zu einem gemeinsamen Zopf verflochtenen Haaren auf der Bühne, was ihnen das Aussehen eines siamesischen Zwillings verleihen soll, mich aber an eine Figur aus Alien denken lässt. Das Herumgefuchtel mit den Plexiglasstäben wirkt angriffslustig, zumal ich sicher bin, sie an dieser Stelle “Tell all the World to shove some Dove” singen zu hören. Richtig enttäuscht bin ich, dass die Wippe – die Gesetze der Schwerkraft negierend – nicht nach oben schnellt und die zweite Schwester in die Luft katapultiert, während die erste absteigt…
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finale: ohne den Schatten eines Zweifels.
8. Aserbaidschan | Dilarə Kazimova | Start a Fire
Wenn ich einen aufmerksamkeitsstarken Zirkuskünstler einsetze, sei es eine Sandmalerin oder, wie hier, eine Trapez-Artistin, dann will muss ich üblicherweise von einem vermurksten Song ablenken. Und so ist es auch hier: ‘Start a Fire’ verfügt über eine sehnsuchtsschöne Instrumentierung und die Lara kann auch ganz gut trällern (wenn auch kein Englisch). Aber können Sie den Refrain nachsingen, aus dem Gedächtnis heraus? Nein? Wie auch, der Song hat ja keinen. Der Ablenkungstrick funktionierte aber schon in der Vergangenheit – und das wird er erneut.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 2 Punkte. Finale: Unverdienterweise.
9. Ukraine | Maria Yaremchuk | Tick tock
Was die Trapezkünstlerin für Aserbaidschan, ist der Läufer im Hamsterrad für die Ukraine. Dass der arme Mann sich bei so vielen Schleudergängen nicht übergeben muss! Marija erinnert in ihrem glitzernden, im Windmaschinensturm wehenden Flatterlappen ein wenig an eine rasierte Conchita – jedenfalls, was den Brustumfang angeht. Die unnatürlichen Verrenkungen, die sie so macht, wirken auch eher befremdlich als beeindruckend. Und ich warte nur darauf, dass sich ihr Kleid in den Speichen des Hamsterrades verfängt und es zu einem schrecklichen Unfall kommt. Der Song? Sorry, geht in dieser Aufnahme im Windmaschinengeknatter unter.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finalchancen: na sicher.
10. Belgien | Axel Hirsoux | Mother
Bilde ich mir das ein, oder klingt Axels Englisch mittlerweile weniger französisch? Er wirkt auch ein bisschen routinierter, was dem Vortrag allerdings ein Stückchen seines Charmes nimmt: dass er so wirkte, als sänge er hier um sein Leben, verlieh seinem Auftritt im belgischen Vorentscheid erst das gewisse Etwas. Der Song bleibt, was er ist: eine je nach persönlicher Disposition brechreizerregende oder herzergreifende Ode an die Mama.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 3 Punkte. Finalchancen: Aber ja.
11. Moldawien | Christina Scarlat | Wild Soul
Sind das die selben Maschinenmensch-Kostüme wie in der moldawischen Vorentscheidung? Da habe ich sie irgendwie eindrücklicher in Erinnerung! Cristinas Tänzer sind schmuck anzuschauen, das lenkt etwas von ihren – ich will mal sagen – suboptimalen Gesangsleistungen ab. Aber nicht genug. Und warum sie sich eine halbe Minute vor Schluss ein eingeflochtenes Haarteil aus der Frisur reißt und den Fiffi triumphierend in die Kamera hält, erschließt sich mir nicht. Als Zuschauer denkt man nur “Autsch!” und dann “Iiiih!”.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 1 Punkt. Finale: Nein.
12. San Marino | Valentina Monetta | Maybe
Ich weiß, ich bin oberflächlich – aber ich kann die kompletten drei Minuten nur daran denken, dass Valentinas samtene Strandmuschel nicht völlig gleichmäßig aufgeklappt ist (rechts steht sie ein µ höher) und unsymmetrisch aussieht! Ihr Schwanengesang (angeblich soll es die letzte eurovisionäre Kollaboration zwischen Siegel und Val sein) lenkt dabei auch nicht ab. Was natürlich daran liegen mag, dass ich die Darbietung am PC-Bildschirm höre, ohne ausreichende Bässe…
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finale: drei Mal dabei, bitte nicht wiederwählen.
13. Portugal | Suzy | Quero ser tua
Der Kontrast zwischen dem halbwegs festlichen, wenn auch etwas langweiligen Cocktailkleidchen, das die dünnstimmige Suzy vorführt, und den zwanglosen Freizeitklamotten ihrer Backings irritiert. Wie so vieles an diesem uninspirierten Lambada-Aufguss. Immerhin scheint die Choreografie etwas straffer zu sitzen. Aber das rettet die Nummer auch nicht mehr.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 0 Punkte. Finale: Das wollen die Portugiesen doch gar nicht!
14. Niederlande | The Common Linnets | Calm after the Storm
Als ob sie die Televoter bewusst abstoßen wollten, geben Ilses Dolly-Parton-Rüschenkleidchen und Waylons Amish-Hut der Nummer einen noch amerikanischeren Anstrich, als sie rein musikalisch so schon hat. Auch, dass die Beiden Aug’ in Aug’ singen, wirkt ein bisschen autistisch und dem Publikum abgewandt. Ich mag den Song, aber die Niederländer geben sich wirklich alle Mühe, nicht wieder ins Finale zu müssen.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 7 Punkte. Finalchancen: Trotzdem. Irgendjemand muss ja.
15. Montenegro | Sergej Ćetković | Moj Svijet
Den kenne ich doch noch: das war doch Zlatas Riese von letztem Jahr! Kein Wunder, dass sie ihm ihren kitschbunten Märchenwald-Background geliehen hat. Sergej wirkt darin ein wenig hölzern und die Eiskunstläuferin lenkt ein wenig vom Lied ab. Schade, denn es ist ein hübsche Balkanballade, die durchaus der Aufmerksamkeit verdient. Auch wenn sie immer noch ein bissl abrupt endet – ich denke jedesmal, es sei eine der in diesem Jahr so beliebten Klatschfallen, aber dann kommt tatsächlich nichts mehr.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 6 Punkte. Finalchancen: gut.
16. Ungarn | András Kállay-Saunders | Running
Der Probenmitschnitt wechselt zwischen einem András im Jackett und einem im kurzärmeligen T‑Shirt, so als ob sich die ungarische Delegation noch nicht zwischen den beiden Optionen entscheiden konnte. Und das ist auch eine schwere Wahl: einerseits wirkt er im Jackett seriöser, was besser zum ernsten Thema des Songs passt, andererseits verdienen es András’ Oberarme, gezeigt zu werden! Jedenfalls hat er gerade Aram als Sieger dieser Qualifikationsrunde abgelöst, und es sollte mich auch nicht erstaunen, wenn es 2015 nach Budapest ginge.
Aufrechtgehn.de-Wertung: 12 Punkte. Finale: aber so was von!
ESC 1. Semifinale 2014
Eurovision Song Contest 2014 – Erstes Semifinale. Dienstag, 6. Mai 2014, aus den B&W‑Hallerne in Kopenhagen, Dänemark. 16 Teilnehmer, Moderation: Lise Rønne, Nikolaj Koppel und Pilou Asbæk.# | LK | Interpret | Titel | Pkt gs | Pl gs | Pkt TV | Pl TV |
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01 | AM | Aram MP3 | Not alone | 121 | 04 | 096 | 04 |
02 | LV | Aarzemnieki | Cake to bake | 033 | 13 | 038 | 10 |
03 | EE | Tanja | Amazing | 036 | 12 | 013 | 14 |
04 | SE | Sanna Nielsen | Undo | 131 | 02 | 098 | 03 |
05 | IS | Pollapönk | No Prejudice | 061 | 08 | 043 | 09 |
06 | AL | Herciana Matmuja | One Night’s Anger | 022 | 15 | 006 | 15 |
07 | RU | Tolmachevy Twins | Shine | 063 | 06 | 057 | 07 |
08 | AZ | Dilarə Kazimova | Start a Fire | 057 | 09 | 015 | 13 |
09 | UA | Maria Yaremchuk | Tick Tock | 118 | 05 | 096 | 05 |
10 | BE | Axel Hirsoux | Mother | 028 | 14 | 031 | 11 |
11 | MD | Christina Scarlat | Wild Soul | 013 | 16 | 004 | 16 |
12 | SM | Valentina Monetta | Maybe | 040 | 10 | 049 | 08 |
13 | PT | Suzy | Quero ser tua | 039 | 11 | 065 | 06 |
14 | NL | The Common Linnets | Calm after the Storm | 150 | 01 | 130 | 01 |
15 | ME | Sergej Ćetković | Moj Svijet | 063 | 07 | 026 | 12 |
16 | HU | András Kállay-Saunders | Running | 127 | 03 | 103 | 02 |
Damit dürften sich in Auftrittsreihenfolge also folgende Semifinalteilnehmer qualifizieren (oder auch nicht):
- Armenien
- Estland
- Schweden
- Russland
- Aserbaidschan
- Ukraine
- Belgien
- Niederlande
- Montenegro
- Ungarn
Deine Vorhersage: wer qualifiziert sich aus dem ersten Semi 2014 für das Finale? (10 Stimmen)
- Armenien: Aram MP3 – Not alone (10%, 166 Votes)
- Ungarn: András Kállay-Saunders – Running (10%, 166 Votes)
- Schweden: Sanna Nielsen – Undo (10%, 165 Votes)
- Ukraine: Maria Yaremchuk – Tick Tock (9%, 152 Votes)
- Aserbaidschan: Dilarə Kazimova – Start a Fire (9%, 149 Votes)
- Montenegro: Sergej Ćetković – Moj Svijet (9%, 143 Votes)
- Russland: Tolmachevy Twins – Shine (8%, 135 Votes)
- Belgien: Axel Hirsoux – Mother (6%, 101 Votes)
- Lettland: Aarzemnieki – Cake to bake (6%, 95 Votes)
- Niederlande: The Common Linnets – Calm after the Storm (6%, 94 Votes)
- Estland: Tanja – Amazing (6%, 93 Votes)
- Island: Pollapönk – No Prejudice (4%, 63 Votes)
- Moldawien: Cristina Scarlat – Wild Soul (3%, 53 Votes)
- San Marino: Valentina Monetta – Maybe (3%, 47 Votes)
- Portugal: Suzy – Quero ser tua (2%, 31 Votes)
- Albanien: Herciana Matmuja – One Night’s Anger (2%, 29 Votes)
Total Voters: 174
Wenn es nach mir ginge (was ich nicht tut, ich weiß), kämen weiter (und bitte erschlagt mich nicht):
Albanien, Azerbaijan, Estland, Lettland, Montenegro, Niederlande, Portugal, San Marino, Schweden, Ukraine.
Nicht dabei haben möchte ich meinen persönlichen Dislike-Beitrag, aber da die Bookies diesen sogar als Gesamtsieger sehen, kann ich das wohl knicken und mir für Samstag schon mal ’nen Kotzeimer parat stellen.
Warum sollte ich Dich erschlagen? Bin schließlich selbst einer der offenbar recht seltenen Albanien-Freunde (kann allerdings nicht verstehen, wie man gleichzeitig den portugiesischen beitrag mögen kann).
Welches ist denn der Dislike-Kandidat? Armenien? Ungarn?
Erschlagen dachte ich eigentlich eher wg. San Marino *duck-und-weg*
Ja, mein Disike-Kandidat ist mit ansehnlichem Abstand Armenien. Und die Bookies sehen diesen Beitrag als 2,75:1‑Favoriten.
Aber was heißt mögen – 10 von 16 müssen ja nun mal durch, hilft ja alles nix…
Hier mal meine Prognose:
http://www.tobitobsucht.de/wordpress/2014/05/06/1‑semifinale-der-esc-als-trinkspiel-des-verderbens
Deckt sich nahezu mit deiner, außer die doofe Estin, die möchte ich nun wirklich nicht nochmal sehen.