Während ein offensichtlich geistesgestörter montenegrinischer Priester unlängst die aktuelle Eurovisionssiegerin Conchita Wurst als Verursacherin der sintflutartigen Regenfälle auf dem Balkan ausmachte, die mehr als fünfzig Todesopfer forderten und in Serbien, Kroatien und Bosnien eine Spur der Verwüstung hinterließen, erfreut sich ein Museum im niederösterreichischen Städtchen Horn derzeit an einer wahren Flut von Besucher:innen. Der Grund: die dort ausgestellte Holzstatue einer christlichen Heiligenfigur, der Kümmernis oder Wilgefortis – einer Frau mit Bart. Einer Sage aus dem vierzehnten Jahrhundert zufolge habe es sich bei ihr um die Tochter eines heidnischen portugiesischen Adeligen gehandelt, welcher diese mit dem sizilianischen König verheiraten wollte. Was der Tochter nicht behagte. Kirchlicher Geschichtsschreibung zufolge natürlich, weil sie heimlich zum Christentum konvertiert sei und ihre Jungfräulichkeit bewahren wollte. Was frau halt eben so behauptet, wenn frau keinen Bock hat, an einen wildfremden Mann in einem wildfremden Land zwangsverehelicht zu werden. Jedenfalls betete sie ob ihrer misslichen Lage. Und siehe da, es wuchs ihr ein Bart: Hochzeit abgesagt.
Ist bereits verheiratet, das kann also nicht der Grund sein: Conchita.
Allerdings endete die Geschichte für diese bärtige Frau unerfreulich: ihr Vater zeigte sich ob ihrer Auflehnung so erzürnt, dass er sie kreuzigen ließ, so jedenfalls die Sage. Seither erfreue sich die Heilige Kümmernis großen Zuspruchs speziell im Alpenraum und fungiere als Galionsfigur der in der Ehe Geknechteten. Seit dem Sieg einer weiteren bärtigen Frau beim europäischen Gesangswettbewerb stiegen nun die Besucherzahlen im Horner Museum beträchtlich, wo man der Figur einen Ehrenplatz zuwies und den Ausstellungsraum mit Zeitungsartikeln über Conchita Wurst ergänzte. Toni Kurz, der Museumsleiter, erwäge nach einem Bericht der Austrian Times gar eine Verlängerung der ursprünglich bis Ende Oktober 2014 geplanten Ausstellung. “Vielleicht besucht uns Conchita Wurst mal,” hofft er gar. Eine passende Antwort auf den Sprachdurchfall des anfangs erwähnten serbisch-orthodoxen Geistlichen Amfilohije gab übrigens der bosnische Sänger und Songschreiber Dino Merlin: mit dem Videoclip zu seiner neuesten Single ‘Ruža’ (‘Rose’), das eindringliche Bilder von den Folgen der Flut mit seiner wie immer berührend schönen Musik unterlegt, möchte er auf die Lage der betroffenen Menschen auf dem Balkan aufmerksam machen und ruft auf seiner Internetseite gleichzeitig zur Hilfe auf. Wer sich davon angesprochen fühlt, kann beispielsweise hier spenden. Danke!
Bewegende Bilder und Musik: Dino Merlins neue Single.
Amfilohije ist leider nicht nur irgendein Priester mit “Sprechdurchfall”, fürchte ich. Es handelt sich um einen hochrangigen Bischof der Serbisch-Orthodoxen Kirche; Metropolit von Montenegro und dem Küstenland, bekannt für seine ultranationalistischen Ausfälle. 2010 wär er um ein Haar serbischer Patriarch geworden und seit Montenegro 2006 seine Unabhängigkeit erklärt hat, steht die Frage nach der Autokephalie der dortigen orthodoxen Kirche im Raum – was den greisen Popen erst so recht in Wallung gebracht hat. Zudem steht er sowohl ideologisch als auch politisch Vladimir Putin sehr nahe, was gleichfalls ein Beweggrund für diese Äußerungen sein dürfte. Offenbar versucht da jemand (in Absprache mit Moskau?), den selbst von der gegenwärtigen, nationalistischen Regierung Serbiens fortgesetzten Europakurs etwas zu torpedieren und die Gläubigen in Stellung zu bringen.