Sehr erfreuliche Nachrichten aus Skopje: wie esctoday berichtet, gab der mazedonische Sender MRT heute bekannt, in Österreich dabei sein zu wollen. Die Teilnahme des exjugoslawischen Landes schien zunächst unsicher: bei einer Online-Umfrage des chronisch klammen Senders sprach sich die Mehrheit der Mazedonier für einen Rückzug vom Eurovision Song Contest aus, was angesichts der mageren Erfolgsbilanz (seit der Einführung des zweiten Semis 2008 gelang es dem Land mit dem offiziellen Stolperstein-Namen nur ein einziges Mal, ins Finale einzuziehen) nicht weiter verwundert. Nun dachte man sich beim Sender wohl, dass, wenn schon das einstmals so seriöse deutsche ZDF seine Umfragen fälscht, man das in Skopje erst recht kann: wie MRT heute mitteilte, wolle man im Hinblick auf die “soziale Verantwortung” des öffentlichen Senders ungeachtet des Abstimmungsergebnisses beim traditionsreichen Skopje Fest am 13. November den Vertreter für Österreich bestimmen. “Mazedonien soll sich auf der großen Bühne beweisen, vor den Augen der europäischen Familie und der Welt,” so die Kulturverantwortliche von MRT, Maria Popova, auf der Senderseite (jedenfalls sinngemäß laut Google-Übersetzung).
Mazedoniens Bester: Rok Agresori beim Skopje Fest 2011
20 Songs sollen beim Skopje Fest gegeneinander antreten, nach dem Vorbild des schwedischen Melodifestivalen soll eine internationale Jury zu 50% mitbestimmen, ansonsten entscheidet das Televoting. Das Skopje Fest kam bereits in der Vergangenheit als Vorentscheidungsformat zum Einsatz und bot dem Betrachter etliche Perlen des Skurrilen und Abseitigen. In den letzten drei Jahren wählte das mazedonische Fernsehen intern aus, konnte aber nur mit der grandiosen Kaliopi 2012 einen Erfolg erringen. Aufgrund der überraschenden Entscheidung verschob man eigens den Einsendeschluss für das Festival von ursprünglich heute bis Ende des Monats. Mit dem frühen Vorentscheidungstermin versüßt uns Mazedonien nicht nur die trüben Herbsttage, sondern überholt auch noch souverän Malta, das erst diese Woche den Maltasong von seinem üblichen Februartermin auf November vorzog. Gleich zwei bunte Trashspektakel im Depressionsmonat: wie wunderbar! Und noch wunderbarer, dass aus dem Balkan überhaupt noch jemand mitmacht beim paneuropäischen Wettsingen: zuletzt dünnten die Anmeldungen aus dem Mittelmeerraum zu meinem großen Bedauern empfindlich aus.
Die anbetungswürdige Kaliopi mit Lokomotiva, der Nachfolgesingle zu Crno i belo. Höret und kaufet!
Immerhin wird Zypern, das 2014 aus finanziellen Gründen aussetzte, beim Jubiläumscontest in Wien ( / Graz / Innsbruck) vertreten sein. Der griechische Part der zweigeteilten Mittelmeerinsel bestätigte diese Woche ebenfalls seine Teilnahme und will sogar ein mehrstufiges Vorentscheidungsformat aufziehen, mit live übertragenen Vorstellungsrunden im Open-Mic-Stil, wo jeder ran darf (wenn auch nur für eine Minute und nur, wenn ein Zyprer am Song beteiligt ist), jurybasierten K.-O.-Runden, Semis, einer Second-Chance-Runde und einem Finale. Es scheint, als wolle der Sender sein komplettes Winterprogramm mit der Suche nach dem Lied für Österreich bestreiten. Einen konkreten Termin für das Finale der Vorentscheidung bleibt uns CyBC indes noch schuldig. Dennoch ist das Engagement der kleinen Nationen bewundernswert: Bosnier, Türken, Bulgaren, Serben – nehmt Euch ein Vorbild!
Gut gelaunt: der zyprische Eurovisionstrailer
Mazedonien bleibt, Zypern kehrt zurück: ist 2015 wieder ein Teilnehmerrekord fällig?
- Noch ein bisschen früh, um das zu sagen, aber es wäre geil: je mehr, um so besser! (72%, 26 Votes)
- Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer: der größte Teil des Balkans wird fernbleiben, leider. (19%, 7 Votes)
- Ich hoffe doch nicht! Ich bin ganz froh, wenn die Schummelstaaten zu Hause bleiben. (8%, 3 Votes)
- Könnte klappen, und das verdanken wir vor allem Conchitas Ausstrahlung. (0%, 0 Votes)
Total Voters: 36
Ich bin ja froh, dass Mazedonien jetzt doch bestätigt hat (ich habe die Hoffnung auf einen würdigen “Crno i belo”-Nachfolger beim ESC noch nicht ganz aufgegeben, trotz “Pred da se razdeni” und “To the Sky”), aber was soll das mit den frühen Vorentscheiden? Gerade dachte man, nur Malta wäre so verrückt, das so früh zu machen, da kommt Mazedonien um die Ecke und ruft “wir sind aber noch früher!” Ist man sich in den Ländern nicht bewusst, dass das nur dazu führt, dass die Songs im Netz länger zerrissen werden können?
Ich finde jede Form von Vorentscheidungsballungsentzerrung gut. Wenn an den Februarwochenenden immer sechs Entscheidungen gleichzeitig laufen, artet das in totalen Stress aus. Und natürlich in ein zeitressourcenknappheitsbedingtes Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom gegenüber dem einzelnen, möglicherweise für seine besondere Schrägheit zu würdigenden Vorentscheidungstitel. Ich wäre sowieso dafür, die EBU würde die Vorentscheidungstermine im Voraus festlegen, dabei gleichmäßig über die zur Verfügung stehenden Wochenenden zwischen September und Mitte März verteilen und die Slots anschließend auslosen. Oder vielleicht anhand der Platzierung des Vorjahres zuteilen. 🙂
Tja, dann hätte man sich die Umfrage also sparen können. Angeblich sollen sich 70 Prozent von einer recht großen Anzahl an Personen für einen Rückzug Mazedoniens ausgesprochen haben. Dann lieber beim nächsten Mal einzig und allein beim Schatzmeister ausloten, ob das Geld für eine ESC-Teilnahme ausreichen könnte.
Gut, das soll geregelt werden (oder nicht), wie es den Sendern und der EBU passt. Ich interessiere mich kein Stück für die Vorentscheidungen, weil ich nicht während der ESC-Woche da sitzen und denken will “hätten die doch nur Lied X geschickt anstatt dieser Y‑Grütze”. Ich will die Lieder das erste Mal hören, wenn ich mir das Album kaufe – und das wird um so schwieriger, je früher der Beitrag feststeht (und das tut er im Fall von Malta ja noch nicht mal). Man mag mich dafür einen Schönwetterfan schimpfen.
Für mich liegt mittlerweile das wahre Eurovisionsglück in den nationalen Vorentscheiden. Gerade weil es da den prallsten, ungefilterten Trash gibt und dort die wahren Tragödien spielen, wenn z.B. mal wieder eine blöde Länderjury den besten potentiellen Beitrag des Jahres rauskickt (vgl. ‘Busy doin’ nothing’ u.v.a.m.), Lukaschenko im Ergebnis rumfingert oder Albanien sich seinen Beitrag kaputtremixt. Das, was beim ESC landet, ist ja meist nur noch nur ein seichter, mainstreamiger, langweiliger Aufguss. Aus nämlichem Grund mag ich beim ESC selbst ja auch die Semis lieber als das Finale, da ist wenigstens noch ein Quäntchen Tragisch-Skurriles dabei und kein Sieg vermag meinen Blutdruck so zu erhöhen (okay, außer der von Conchita Wurst) wie die Frage, welchen Semifinalbeitrag die diabolische Jury diesmal auf dem Gewissen hat. Tatsächlich empfinde ich von allen mit dem ESC zusammenhängenden Veranstaltungen das Finale am Samstag als am langweiligsten.